Auch Beispiele in Frankfurt

Täglich 122 Fahrerfluchten in Hessen – Gründe und Folgen

Aktualisiert am 20.11.2025 – 11:44 UhrLesedauer: 4 Min.

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Mehr als 44.000 Unfallfluchten wurden in Hessen 2024 gezählt. (Symbolbild) (Quelle: Frank Rumpenhorst/dpa/dpa-bilder)

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Tausende Fälle von Fahrerflucht gab es im vergangenen Jahr in Hessen. Warum ist das so und welche Folgen drohen den Verursachern?

Zwei 23-jährige Zwillingsbrüder sterben bei einem E-Scooter-Unfall in Frankfurt im Juli, ein 27-Jähriger wird schwer verletzt. Der unter Lachgas-Einfluss stehende Fahrer flüchtet zunächst vom Unfallort, wird aber später gefasst und verhaftet. In Rüsselsheim flüchtet Anfang November ein Autofahrer nach einem Unfall mit vier Verletzten. Er lässt auch seinen verletzten Beifahrer zurück. Das sind nur zwei Beispiele der zahlreichen Fälle von Unfallflucht in Hessen.

Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben des hessischen Innenministeriums 44.659 Fälle registriert, in denen sich Unfallverursacher unerlaubt vom Unfallort entfernt haben. Das sind im Schnitt pro Tag rund 122 Fälle und macht an den 144.659 Unfällen insgesamt im Jahr 2024 gut 30 Prozent aus. Vier Menschen wurden dabei tödlich, 166 schwer und 2.126 leicht verletzt. Aufgeklärt wurden den Angaben zufolge 40 Prozent der Taten.

Im Zehnjahresvergleich gab es nur 2019 mehr Fälle von Fahrerflucht im Bundesland. Bei den 45.042 Taten waren damals neun Menschen tödlich, 224 schwer und 1.799 Menschen leicht verletzt worden.

„Unfallflucht ist eine Straftat und kein Kavaliersdelikt“, betont Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU). „Wer sich nach einem Unfall einfach vom Ort des Geschehens entfernt, entzieht sich nicht nur seiner rechtlichen Verantwortung, sondern lässt Verletzte bewusst im Stich.“

Dieses Verhalten sei höchst unsozial, beschädige das Vertrauen in die Verlässlichkeit des Straßenverkehrs und untergrabe die Funktionsfähigkeit des Rechtsstaates. Die Zahlen belegten, dass Unfallflucht nicht bagatellisiert werden dürfe. „Es handelt sich dabei um eine Straftat, die konsequent verfolgt werden muss.“

Wer sich unerlaubt vom Unfallort entfernt, dem drohen laut dem ADAC Hessen-Thüringen Geldbußen oder der Entzug des Führerscheins bis hin zu Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren. „Zudem erlischt in der Regel der Versicherungsschutz“, erläutert Sprecher Oliver Reidegeld. Zwar reguliere die eigene Haftpflicht den Schaden, hole sich das Geld aber später vom Verursacher zurück.

„Außerdem muss der Unfallflüchtige für seinen Schaden selbst aufkommen.“ Denn die Kasko-Versicherung streiche meistens die Leistung komplett. „Das darf die Versicherung oft auch dann, wenn das Verfahren wegen geringer Schuld gegen Geldauflage eingestellt wird.“

Die Haftung sei übrigens unabhängig von der Art der Verkehrsbeteiligung, betont Reidegeld. Die genannten Regelungen würden ebenso für Fußgänger, Radfahrer und weitere Fortbewegungsarten gelten. „Wer keine Haftpflichtversicherung hat, muss die verursachten Kosten selbst tragen.“

Warum begehen Menschen dennoch Fahrerflucht? Ein Grund sei oftmals der evolutionäre Mechanismus, sich bei Gefahr erst einmal in Sicherheit zu bringen, sagt der Frankfurter Verkehrspsychologe Patrick Grieser. Er betreut Menschen, denen der Führerschein entzogen wurde, und die zur Wiedererlangung eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) bestehen müssen.

„Aus Angst vor den Konsequenzen, die da auf mich zukommen, muss ich mich der Situation entziehen“, erläutert Grieser. „Es kommt zu einem Schockmoment und einer Art Tunnelblick.“ Der erste Gedanke sei, sich schnellstmöglich aus der Gefahrenzone zu entfernen und erst einmal einen klaren Kopf zu bekommen. Auch die Hoffnung, möglicherweise mit einem blauen Auge davonzukommen, könne eine Rolle spielen. „Je mehr Zeit vergeht, in der man nichts von der Polizei hört, manifestieren sich dann auch Gedanken wie: „Na ja, vielleicht habe ich ja noch mal Glück gehabt“.“