Der Stoff galt auf dem Bau einst als „Wunderfaser“. Elastisch, zugfest, unempfindlich gegen Hitze und nicht brennbar. Bis man schließlich feststellte: Das Zeug ist stark krebserregend, wenn man es einatmet. Daher wurde die Herstellung und Verwendung von Asbest vor mehr als 30 Jahren verboten. In Gebäuden, die vor 1993 errichtet wurden, schlummert das Material allerdings noch. Und wehe dem, der alte Wände einreißt. Genau das aber wollte die Gemeinde Unterhaching im 1990 eröffneten Kultur- und Bildungszentrum (Kubiz). Und ist auf Asbest gestoßen. Ein großes Problem.

Der Grund für dieses „Bauen im Bestand“, wie es im Behördendeutsch so schön heißt, ist der vom kommenden Jahr an geltende Anspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler. Lange hatte der Gemeinderat mit sich gerungen, ob für die Kinder nahe der Jahnschule ein neues Gebäude errichtet werden soll, um sie dort nach dem Unterricht zu betreuen. Oder ob man die Volkshochschule aus dem benachbarten Kubiz ausquartiert und die frei werdenden Räume umbaut. Es gab viel Streit darüber und einstimmig fiel der Beschluss keineswegs. Eine Mehrheit für den Umbau fand sich schließlich, weil der wesentlich weniger kostet und schneller geht. Dachte man zumindest.

Jetzt, zehn Monate bevor im ersten Jahr des gesetzlichen Anspruchs auf Ganztagsbetreuung zunächst allen Erstklässler ein Platz angeboten werden muss, kommt plötzlich das böse Erwachen. Für Abbrucharbeiten von Wänden mit großflächigen Wand- und Bodenfliesen, teils in mehreren Schichten und mit vielen zusätzlichen Farbschichten, wurden Proben der vorhandenen Materialien genommen. Denn der Auftraggeber ist verpflichtet, ältere Gebäude nach Schadstoffen zu untersuchen. Das Ergebnis: Im gesamten Gebäude wurden damals die Trockenbauwände mit asbesthaltiger Spachtelmasse errichtet. Das Kubiz ist ein sogenannter Stahlbetonskelettbau mit hohem Trockenbauanteil.

Nun ist es aber nicht notwendig, deshalb sämtliche Wände im Kubiz einzureißen. Denn solange die Spachtelmasse gebunden ist, bestehe für Nutzer und Besucher des Zentrums keinerlei Gefahr, betonte der Leiter des Referats Ortsentwicklung, Stefan Lauszat, in der Gemeinderatssitzung am Mittwochabend. Die Baumaßnahmen für den Ganztag allerdings wurden erst einmal gestoppt.

Die jetzt anstehende Asbestsanierung ist allerdings eine umfangreiche Aufgabe. Nach Terminen mit Schadstoffgutachter, Gewerbeaufsicht und Planern ist die Gemeindeverwaltung zu dem Schluss gekommen, dass es am sinnvollsten ist, die für den Umbau vorgesehenen Bereiche im ersten und zweiten Obergeschoss komplett zu entkernen und wieder aufzubauen. Das kostet mindestens 3,6 Millionen Euro und damit fast viermal so viel wie ursprünglich geplant. Und es dauert zudem viel länger.

Möglicherweise müssen die Arbeiten neu ausgeschrieben werden

Neben den gestiegenen Kosten steht die Gemeinde daher vor dem Problem, das sie eigentlich gelöst glaubte: wohin mit den Kindern? 60 Plätze der bestehenden Mittagsbetreuung sollen im Untergeschoss der Schule und im Mehrzweckraum der Sportarena erhalten bleiben. Für weitere Grundschüler wird der zweite Mehrzweckraum im Sportzentrum reserviert. Angestrebt wird eine Fertigstellung von Sanierung und Umbau im Kubiz bis Ende 2027. Denn an diese Frist ist eine Förderung geknüpft. Es geht um eine Million Euro und die Frage, welche Vergaberichtlinien jetzt für die neue Bausumme zu beachten sind. Möglicherweise muss die Gemeinde die bisherigen Verträge kündigen und neu ausschreiben. „Dann verzögert sich die ganze Maßnahme noch weiter“, erläuterte Lauszat die Problematik.

Die Reaktionen im Gemeinderat auf diese Nachricht reichten von „Es ist höchst ärgerlich“ über „Ich bin erschüttert“ bis hin zu „Saublöd!“.  Und natürlich verkniff sich die CSU nicht, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass sie ja gegen den Umbau und für einen Neubau gewesen sei. „Der Umbau im Bestand ist immer ein enormes Risiko“, sagte Dritter Bürgermeister Richard Raiser. Das Grundstück an der Ecke zum Utzweg, das die CSU stets für einen Neubau vorgesehen hatte, bezeichnete Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD) allerdings als „viel zu klein“. In einem war man sich schließlich einig: Die Sanierung ist alternativlos und muss jetzt flott angegangen werden.