Inhalt / Kritik

Theo (Ron Perlman) ist ein gealterter Ex-Soldat, der sich nach dem Tod seiner Frau im baskischen San Sebastián in die Einsamkeit zurückgezogen hat. Sein einziger Halt sind die Donnerstage, an denen er sich mit der Prostituierten Olga (Natti Natasha) trifft – doch statt körperlicher Nähe sucht er im Gespräch mit ihr Trost in den Erinnerungen an seine Vergangenheit. Doch als Olga von drei Freiern brutal ermordet wird, setzt Theo alles daran, die Täter zur Strecke zu bringen. Dabei erhält er Unterstützung von seinem alten Freund Mazas (Karra Elejalde), während ihn das Polizistenduo Ibarro (Megan Montaner) und Andrade (Hovik Keuchkerian), das den Fall Olga bearbeitet, ins Visier nimmt. Nachdem Theo seinen Rachefeldzug gestartet hat, erscheint mit dem mexikanischen Killer Herodes (Marco de la O), der auf Theo angesetzt wird, ein weiterer Akteur auf der Bildfläche

Regiedebüt mit literarischer Vorlage

Mit The Gentleman legt der renommierte mexikanische Kameramann Gabriel Beristain (Black Widow, Blade II, The Beekeeper) sein Spielfilm-Regiedebüt vor – formal als Neo-Noir-Rachethriller konzipiert und basierend auf Carlos Augusto Casas’ mehrfach preisgekrönter Romanvorlage Ya no quedan junglas adonde regresar („Es gibt keine Dschungel mehr, in die man fliehen kann“). Die Produktionsbedingungen versprechen internationales Flair: Die Besetzung ist hochkarätig, das Buch bewegt sich zwischen klassischen Noir- und Action-Elementen, und der Schauplatz San Sebastián soll die düstere Genre-Atmosphäre mit einem urbanen Ambiente verbinden. Was nach einem stilbewussten, komplexen Genre-Beitrag klingt, bleibt in der filmischen Umsetzung jedoch Stückwerk – zwischen Ambition und Konvention gefangen.

Überzeugendes Ensemble

Die Schauspieler sind das verlässlichste Kapital des Films. Ron Perlman, geprägt von vielen Antiheldenrollen (Hellboy, Sons of Anarchy), verleiht Theo jene raue Würde und physische Präsenz, die seiner Figur Glaubwürdigkeit verschafft. Montaner und Keuchkerian funktionieren als ungleiches Ermittlerpaar und bringen Dynamik in ihre gemeinsamen Szenen – gerade Montaner überzeugt als dem Alkohol zugeneigte Polizistin, die mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen hat. Marco de la O (El Chapo) gelingt ein intensiver Auftritt als zwiespältiger Killer; die dominikanische Sängerin Natti Natasha überrascht in ihrem Spielfilm-Debüt durch ihre Präsenz und Itzar Ituño (Haus des Geldes) lockert den Film als überdrehte Drogen-Bossin mit komödiantischen Zwischentönen auf. Aber besonders der renommierte spanische Schauspieler Karra Elejalde bleibt als kongenialer Buddy Theos in Erinnerung. Diese Ensembleleistung rettet den Film vor völliger Beliebigkeit und schafft trotz schwacher Dialoge und stereotypisierter Nebenfiguren ein Minimum an Glaubwürdigkeit.

Visuell bleibt The Gentleman hinter den Erwartungen zurück, die Beristain als Kameramann geweckt hätte. Javier Salmones, der hier für die Bildgestaltung verantwortlich war, kann diese nicht einlösen. Einzelne, im Regen getauchte Szenen evozieren kurz jene melancholische Noir-Stimmung, für die das Genre steht. Doch meist wirken die Bilder gewöhnlich, glatt und zu sonnendurchflutet. San Sebastián bietet zwar pittoreske Kulissen, aber keine echte Düsternis – die „Perle des Baskenlands“ ist schlicht zu hell für einen Film, der vom Schatten leben will. Das urbane Flair, welches im Roman (der in Madrid angesiedelt ist) ein wichtiger Stimmungsträger war, schwingt in der Verfilmung kaum mit und büßt so an atmosphärischer Kraft ein.

Schwaches Drehbuch

Das Drehbuch bleibt jedoch der wundeste Punkt. Drei konkurrierende Stränge – Theo, die Ermittlerin, der Killer Herodes – überlasten die Erzählung und werden nie wirklich organisch miteinander verwoben. Die Dialoge changieren zwischen plakativen Klischees und bemüht tiefer Philosophie. Zu viele Figuren werden in den 90 Minuten des Films eingeführt. Das sorgt für Verwirrung. Die überbordende Struktur und die mangelnde emotionale Klarheit sorgen dafür, dass die Motivation der Figuren oft nicht nachvollziehbar ist und die Handlung in bedeutungslosen Nebenepisoden verpufft. Im Vergleich dazu setzen Filme mit ähnlicher Prämisse wie John Wick oder Gran Torino bewusst auf klare emotionale Linien und verzichten auf narrative Überfrachtung.

So verpufft auch die thematische Ambition, ein Noir-Gefühl mit Actionkino zu verschmelzen. The Gentleman fehlt der konsequente Stilwille. Die Gewalt wird ungebrochen glorifiziert und als Katalysator für männliche Selbstfindung im Alter inszeniert, anstatt kritisch hinterfragt zu werden. Aufgrund der Wahl des Schauplatzes und der internationalen Produktion hätte der Film ein spezifisches Profil entwickeln können – stattdessen wirkt er wie ein x-beliebiger US-Genrebeitrag im europäischen Gewand, der schließlich die Tiefe seiner literarischen Vorlage weitgehend verliert.

Credits

OT: „Ya No Quedan Junglas“
Land: Spanien, Mexiko
Jahr: 2025
Regie: Gabriel Beristàin
Buch: Juma Fodde, Teresa Trasancos
Vorlage: Carlos Augusto Casas
Musik: Fernando Velázquez
Kamera: Javier Salmones
Besetzung: Ron Perlman, Megan Montaner, Hovik Keuchkerian, Marco de la O, Unax Ugalde, Natti Natasha, Karra Elejalde, Damián Alcázar, Diego Anido, Daniel Grao, Ruben Ochandiano

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