Mit der politischen Wende 1989 und der Wiedervereinigung ein Jahr darauf folgte eine jähe, für viele schmerzliche Zäsur: der wirtschaftliche Zusammenbruch. Damit setzte ein Transformationsprozess ein, der bis heute anzuhalten scheint, denn noch immer ist Chemnitz auf der Suche nach seiner Identität. Welche Rolle dabei das diesjährige Kulturhauptstadtjahr spielen wird, wird sich noch zeigen.
Verschiedene Wege in die Zukunft
Was die DNA von Chemnitz unter anderem ausmacht, können die Besucherinnen und Besucher bereits auf dem Weg in die Sonderausstellung entdecken, indem sie eine Dampflokomotive des Eisenbahnpioniers Richard Hartmann, historische Automobile und Großrechner aus den 1980ern passieren.
Durch eine Art Tunnel gelangen sie dann ins Hier und Jetzt, zu einem zentralen Mittelpunkt, von dem strahlenförmig fünf Wege abzweigen, die die Themenfelder der Ausstellung markieren: Innovationskraft, Arbeitswelt, Unternehmertum, Identität und Natur.
Einzelne Objekte erzählen davon: so der Pokal der Wanderer-Werke aus der Blütezeit des „sächsischen Manchesters“ oder aber innovative millimeterkleine Werkstücke heutiger Start-ups. Auch sind die Gäste aufgefordert, über Ideen, wie ein künftiges Chemnitz aussehen könnte, mit abzustimmen.
So stellt sich die Frage, welche Rolle ehemalige Industriewerke heute noch spielen sollen: Will man sie erhalten oder wegreißen? Von 350 Industriedenkmalen in Chemnitz hat sich bei mehr als 80 die Frage schon positiv beantwortet, sie wurden revitalisiert: ob das Industriemuseum, der Poelzig-Bau oder die Schönherrfabrik. Andere haben aber noch eine ungewisse Zukunft vor sich.
Andere Städte, ähnliche Transformation
Dass Chemnitz mit diesen Fragen und Entscheidungen nicht allein dasteht, zeigt sich im Vergleich mit den anderen fünf Städten der Ausstellung. Welchen Weg Manchester, Tampere, Lodz, Mulhouse und Gabrowo gegangen sind, erfährt man am Ende der jeweiligen Themenstränge. Sie münden in achteckige Schornsteine und sind je einer Stadt gewidmet.
Ein Beispiel ist Gabrowo in Bulgarien. Die Stadt will sich entlang des Flusses neu entdecken. Parallelen zu Chemnitz finden sich beispielsweise beim Projekt „Stadt am Fluss“ als Teil der Europäischen Kulturhauptstadt 2025, bei dem einladende Areale am Wasser neu geschaffen werden.
Chemnitz ist „etwas hinterher“
Forschung, Kreativwirtschaft oder eine breit aufgestellte Industrie – das sind weitere Aspekte, auf die andere Städte gesetzt haben. Und auch Chemnitz ist da auf einem guten Weg. Dennoch bemerkt Museumsleiter Jürgen Kabus, der alle präsentierten Städte besucht hat: „Wenn man nach Łódź fährt, muss man neidlos eingestehen, dass wir hier etwas hinterher sind.“
Die Ausstellung zeigt aber dennoch, dass man in Chemnitz auch „auf unheimlich viele Geschichten der Veränderungen stolz sein kann, die in den letzten 35 Jahren geschrieben worden sind“, so Kabus. Selbst wenn in Chemnitz der Prozess der Transformation, die „Tales of Transformation“, noch nicht abgeschlossen sind.