Anitha Nadarajah kann die marode Fußgängerbrücke an der Theodor-Heuss-Straße von ihrem Wohnzimmer aus sehen. So nah wohnt die 14-Jährige an der viel befahrenen Straße und dem Überweg auf Höhe der August-Oster-Straße und Volksgartenstraße. Kostenpflichtiger Inhalt Seitdem die Brücke Mitte Oktober gesperrt wurde, darf sie niemand mehr betreten, auch Anitha und die anderen Schülerinnen und Schüler im Stadtteil Hermges nicht.
Dabei liegt die Überführung für viele von ihnen auf dem täglichen Schulweg. Um die vierspurige Straße und die danebenliegenden Gleise zu überqueren, müssten sie nun einen Umweg von rund zehn Minuten laufen, die nächsten Übergänge sind 350 beziehungsweise 500 Meter entfernt.
Jugendliche laufen über die vierspurige Straße
Die Realität aber sieht anders aus: Viele Jugendliche laufen nur wenige Meter neben der gesperrten Brücke über die Gleise und die Straße. Das erzählt Anitha, es lässt sich aber auch beobachten, wenn man nur wenige Minuten lang an der Stelle wartet. Anitha selbst hat auch schon diese Abkürzung gewählt, um zur Sprachschule westlich der Theodor-Heus-Straße zu laufen. „Es war schon gefährlich“, sagt die Neuntklässlerin. Von beiden Seiten seien schnelle Autos gekommen, sie habe lange gewartet, bevor sie schließlich über die Straße gelaufen sei. „Ich wurde fast überfahren“, soll sie zu ihrem Vater Janarthanan Nadarajah gesagt haben, als sie abends vom Unterricht wieder nach Hause kam.
Für Anitha stand sofort fest: Es muss sich etwas ändern. „Ich will, dass die Stadt etwas tut, damit wir die Straße sicher überqueren können“, sagt die 14-Jährige. „Oder dass sie die Bauarbeiten für eine neue Brücke beschleunigt“, fährt sie fort. Noch am gleichen Tag, am Freitag vergangene Woche, verfasste sie eine E-Mail an den Oberbürgermeister von Mönchengladbach, in der sie sie die Verkehrssituation an der Theodor-Heuss-Straße schilderte – und zwar so, wie die Jugendlichen sie wahrnehmen.
„Gerade zu den Schulzeiten ist dort sehr viel Verkehr, und es kommt immer wieder zu gefährlichen Situationen. Viele fühlen sich unsicher, und ich mache mir Sorgen, dass irgendwann etwas Schlimmes passieren könnte“, schrieb sie. Anitha schrieb auch, dass Schüler und Anwohner theoretisch den Umweg über die nächsten Ampeln und Überquerungen nehmen könnten, „aber praktisch macht es fast keiner.“
Brücke hat den Wohnort mit der Schule verbunden
Anitha hat der Stadt auch Übergangslösungen vorgeschlagen, um die Stelle sicherer zu machen.„Man könnte ja einen Zebrastreifen aufmalen oder eine Ersatzampel aufstellen“, sagt die 14-Jährige. Beides würde zumindest den Weg über die Straße erleichtern. Den Trampelpfad über die Gleise würden die Fußgänger trotzdem nehmen müssen. „Die Gleise sind aber weniger das Problem“, sagt Vater Janarthanan Nadarajah. Von ihrer Wohnung aus können die beiden beobachten, wie selten Güterzüge die Gleise benutzen.
Die Straße sei dagegen „fast wie eine Autobahn“. Immer wieder sehe er Autos über die Hauptstraße rasen, so Janarthanan Nadarajah. Früher habe an dieser Stelle ein Blitzer gestanden, doch den gebe es längst nicht mehr. „Vielleicht würde es schon helfen, das Tempo zu beschränken“, sagt Nadarajah.
Er kann es verstehen, dass viele Jugendliche die gefährliche Abkürzung über die vierspurige Straße nehmen. Das Viertel sei eben so geplant, dass die Überführung die Wohnorte der Schüler mit der Schule verbindet. „Wenn die Brücke nicht mehr da ist, verschwindet die Schule ja nicht.“
Am Wochenende wird die Brücke abgerissen
Anfang der Woche dann flatterte eine Ankündigung in den Hausflur der Nadarajahs: Die Brücke soll abgerissen werden, und zwar schon am Wochenende. Als Anwohner wurden sie als Erste über die Straßensperrungen informiert. Einen Tag später erhielt Anitha außerdem eine Anwort von der Stadt, geschrieben im Auftrag des Oberbürgermeisters. „Wir nehmen das von Dir geschilderte Problem sehr ernst“, heißt es darin. Dann folgt der Text aus einer Pressemitteilung, die die Stadt am selben Tag veröffentlicht: Am Freitag, 21. November, sollen die Abrissarbeiten der Brücke beginnen. Bis Sonntagabend wird deshalb die Theodor-Heuss-Straße erst teilweise, dann ganz gesperrt werden.
„Wirtschaftlich saniert werden kann die Fußgängerbrücke nicht mehr“, schreibt ein Sprecher der Stadt. Bei einer technischen Prüfung des Bauwerks sei herausgekommen, dass der hohe Chloridgehalt im Beton die Stahlkonstruktion angreife. Die Tragfähigkeit sei damit beeinträchtigt. Die Stadtverwaltung prüfe derweil, ob eine Behelfsbrücke errichtet werden kann.
Janarthanan Nadarajah ist als Vater enttäuscht darüber, dass der Überweg anscheinend über Jahre nicht gewartet wurde. „Es ist als würde ich mein Auto erst dann in die Werkstatt bringen, wenn es schon kaputt ist“, sagt er. Anitha ist froh, dass die Stadt ihr Anliegen schnell beantwortet hat. „Sie suchen auf jeden Fall nach einer Lösung“, sagt sie. Eine Behelfsbrücke hält sie für eine gute Idee. Bleibt abzuwarten, ob und wann die kommt.