
Junge Menschen, die einem die Türen einrennen – vom aktuellen „Ophelia-Effekt“ im Museum Wiesbaden träumen viele Ausstellungshäuser. Aber wie macht man aus Museumsmuffeln Kulturfans?
Volles Haus dank Taylor Swift: Die Ophelia-Euphorie im Museum Wiesbaden hält noch immer an. Seit im Oktober bekannt wurde, dass dort ein Gemälde hängt, das detailgenau dem neuen Musikvideo von Superstar Taylor Swift ähnelt, rennen „Swifties“ dem Haus die Bude ein.
Susanne Hirschmann vom Museum erzählt, dass in den letzten Wochen viele Menschen gekommen seien, die sonst gar nicht ins Museum gehen: „Das war der Wahnsinn.“ Sie weiß von Erwachsenen, die nur deshalb in das Haus an der Friedrich-Ebert-Allee kamen, weil ihre Kinder sagten: Da müsst Ihr hin!
Museums-Neulinge gesucht
Über die vielen Museums-Neulinge ist man in Wiesbaden hocherfreut. Wie alle Museen ist auch dieses Haus auf der Suche nach mehr Besuchern. Damit sind nicht nur die reinen Zahlen gemeint, das Publikum soll auch möglichst divers sein: Egal ob reich oder arm, alt oder jung, ob mehr oder weniger gebildet.
Wie man dieses neue Publikum erreichen kann, darüber berieten diese Woche Museums-Verantwortliche aus ganz Deutschland im Historischen Museum Frankfurt.
Passgenaues Besucher-Programm
In Wiesbaden waren es Museums-Mitarbeiterinnen, die den Hype gezielt ausgelöst haben. Nachdem ihnen die Ähnlichkeit zwischen dem „Ophelia“-Video und dem Gemälde von Theodor Heyser aufgefallen war, machte sich die Abteilung Vermittlung sofort an die Arbeit.
Die Fachleute erstellten passgenaue Besucherprogramme für die zu erwartende Zielgruppe junger Musik-Fans, zum Beispiel eine „Swiftie-Tour“ durchs Haus. Über eine Pressemeldung und den Social Media-Auftritt des Museums gelangte das Thema an eine breitere Öffentlichkeit und entwickelte eine unerwartete Dynamik.
Barrieren abbauen
Dass Superstars Museen in Sachen Werbung zu Hilfe kommen, ist aber eher selten. Was können Museen noch tun, um Barrieren zu überwinden, die noch immer viele Menschen spüren, wenn es um das Thema Museumsbesuch geht?
Diese Frage beschäftigt auch Doreen Mölders, Direktorin des Historischen Museums Frankfurt. Aufgewachsen ist sie eher „museumsfern“, als Arbeiterkind in der DDR. „Später im Studium gehörte das aber dazu, und ich hatte zuerst Hemmungen, weil ich nicht so recht wusste, wie man sich da richtig bewegt“, erinnert sie sich.
Deshalb ist es ihr heute wichtig, dass Museen gute Angebote für Schulen erarbeiten. So würden Menschen bereits in jungen Jahren an Museen herangeführt. Zum Glück habe sich in den letzten Jahren in diesem Bereich deutschlandweit sehr viel getan, berichtet Mölders.
Was bringt kostenloser Eintritt?
Sie sagt aber auch: Eine einfache Lösung für das Problem gibt es nicht. Zum Beispiel das Thema Eintrittspreise. Würden mehr Leute ins Museum gehen, wenn der Eintritt kostenlos wäre?
„Das wird immer mal wieder diskutiert, ist aber nicht relevant.“ Denn die Kosten für einen Museumsbesuch seien schon relativ niedrig. Kinder zahlten oftmals gar nichts, und eine erwachsene Person meist zwischen fünf und zehn Euro.
Daraus schließt die Direktorin des Historischen Museums: „Museum ist etwas, was man sich durchaus leisten kann. Die Frage ist nur: Wer MÖCHTE es sich leisten?“
Themen, die viele Menschen interessieren
Museen sollen in die Lebenswelten der Menschen „draußen“ eintauchen, das ist ein Lösungsansatz. Am besten mit Ausstellungen, die viele Menschen interessieren.
„Zum Beispiel, dass wir uns mit Arbeiterinnen und Arbeitern beschäftigen, mit dem Handwerk oder mit Sport“, zählt Doreen Mölders auf.
Selbst aktiv werden
Menschen aktiv im Museum mitmachen lassen – auch das stärkt die Bindung zu den Einrichtungen. Ein gutes Beispiel dafür ist das Stadtlabor im Historischen Museum. Hier entwickeln Frankfurter Bürger zusammen mit dem Museum Ausstellungen und Veranstaltungen. Aktuell läuft eine Schau zum Thema „Wohnen“.
Thema Jugend: Mitmachen ausdrücklich erwünscht!
Auch Events- und Veranstaltungen als Begleitprogramm zu laufenden Ausstellungen würden Hemmschwellen abbauen, wie in Frankfurt beim Museumsuferfest oder bei Museumsnächten, die inzwischen einige hessische Städte im Angebot haben.
Raus aus den eigenen Museumswänden in Rüsselsheim
Noch einen anderen Weg ist das Industrie- und Stadtmuseum Rüsselsheim gegangen. Museumsleiter Nicolas Lange und sein Team haben letztes Jahr Umfragen gemacht auf den Straßen ihrer Stadt: „Wir haben 200 Leuten unter anderem die Frage gestellt, ob sie überhaupt das Museum kennen“, berichtet Lange.
Raus aus der Dauerausstellung, rein in die Stadt: Das Motto des Museums Rüsselshim.
„Da gab es ganz viele, die gesagt haben: ja klar, das kennen wir. Aber wenn man das Gespräch vertieft hat, kam heraus, dass sie seit 10 oder 15 Jahren nicht mehr bei uns waren.“
Die Umfragen ergaben auch, dass es an der Kommunikation nach außen hapert. „Wir müssen die Menschen noch besser darüber informieren, wer wir überhaupt sind“, weiß Nicolas Lange jetzt dank der Erhebung.
Ausstellung mitten in der Stadt
Das Museum soll mehr im Stadtbild präsent sein. Nicolas Lange plant für 2026 deshalb nun ganz nach den Umfrage-Erkenntnissen: Er konzipiert eine Ausstellung mitten in der Stadt.
„Das ist für uns auch Neuland, und ganz weit raus aus der Komfortzone“, gibt er zu. Man sei es gewohnt, Ausstellungen in den eigenen Ausstellungsräumen zu machen und nicht im öffentlichen Stadtraum. „Aber das ist ne tolle Herausforderung, wir freuen uns schon sehr darauf.“
Sendung: hr2 kultur, 19.11.25, 16:30 Uhr