Während die Welt auf die letzten Tage des COP30-Klimagipfels in Belém blickt, eskaliert die Lage rund um den europäischen CO₂-Grenzausgleich. Durchgesickerte Dokumente zeigen: Brüssel meint es ernst. Härter als erwartet, früher als erhofft – und ohne Ausnahmen. Ab dem 1. Januar 2026 wird es für Importeure von Stahl, Aluminium und anderen energieintensiven Gütern teuer. Sehr teuer.
Die Uhr tickt. In weniger als sechs Wochen beginnt die endgültige Phase des Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM). Doch was genau auf Unternehmen zukommt, war bis diese Woche unklar. Jetzt zeigen geleakte Entwürfe der EU-Kommission: Die provisorischen Benchmark-Werte fallen deutlich strenger aus als von der Industrie erhofft.
Ein Dokument, das am 19. November an die Öffentlichkeit gelangte, legt die Messlatte niedrig – sehr niedrig. Die EU-Kommission hat die Emissionsgrenzwerte für Schlüsselsektoren wie Stahl und Aluminium drastisch verschärft. Das Ziel: Importeure sollen dieselben CO₂-Kosten tragen wie europäische Hersteller, deren kostenlose Zertifikate im EU-Emissionshandel (ETS) schrittweise auslaufen.
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Was bedeutet das konkret? Der Entwurf führt komplexe Berechnungsmethoden ein – etwa die Specific Embedded Free Allocation (SEFA) und die Free Allocation Adjustment (FAA). Letztere sollte eigentlich als “Rabatt” dienen, um die Zahl der abzugebenden CBAM-Zertifikate zu reduzieren. Doch die geleakten Zahlen zeigen: Dieser Nachlass fällt wesentlich geringer aus als erwartet.
„Die Kommission signalisiert unmissverständlich: Die Zeit der Nachsicht ist vorbei”, analysiert ein Brüsseler Handelsexperte. „Mit diesen aggressiv niedrigen Benchmarks zwingt man Importeure zu radikaler Dekarbonisierung – oder zu empfindlichen Strafzahlungen.”
Für die Stahlbranche wird es besonders kompliziert. Der Entwurf unterscheidet zwischen verschiedenen Produktionsrouten – etwa Hochofen-Sauerstoffkonverter (BF-BOF) versus Elektrolichtbogenofen (EAF). Eine „rekursive Berechnung” für komplexe Waren verlangt zudem, dass Betreiber den CO₂-Gehalt jedes einzelnen Vorprodukts dokumentieren. Viele Drittland-Zulieferer sind darauf nicht vorbereitet.
Brüssel bleibt hart: Keine Sonderbehandlung für Indien
Am gestrigen 20. November kam der nächste Schlag: Die EU lehnte Indiens Antrag auf eine CBAM-Ausnahme kategorisch ab. Ein herber Rückschlag für Neu-Delhi, das monatelang um eine Alternative gerungen hatte.
Indien hatte vorgeschlagen, eine eigene „Exportabgabe” auf Aluminium, Stahl und Düngemittel zu erheben – berechnet nach Warenwert statt nach Emissionsintensität. Brüssel winkte ab. Die Begründung: Eine solche Ausnahme würde gegen die WTO-Regeln zur Nicht-Diskriminierung verstoßen und einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen. Was, wenn die USA oder China ähnliche Sonderregelungen fordern?
„Die EU hat klargestellt: Eine Überarbeitung von CO₂-Preissystemen ist denkbar, eine vollständige Ausnahme jedoch ausgeschlossen”, heißt es in Berichten. Die Entscheidung fällt in eine heikle Phase. Indien und die EU verhandeln parallel über ein umfassendes Freihandelsabkommen. Der CBAM-Streit könnte diese Gespräche nun zum Scheitern bringen. Das indische Handelsministerium äußerte bereits „tiefe Besorgnis” über die Auswirkungen auf die heimische Schwerindustrie.
Für indische Exporteure, die jährlich Stahlwaren und Aluminium im Wert von Milliarden Euro in die EU liefern, ist die Botschaft klar: Keine Gnade, keine Sonderdeals. Jetzt zählt nur noch technische Compliance.
Stromsektor: Experten fordern Aufschub bis 2028
Während Industriegüter ab Januar 2026 definitiv unter CBAM fallen, mehren sich die Stimmen für eine Ausnahme beim Strom. Die einflussreiche Denkfabrik Bruegel warnte am 19. November vor „perversen Effekten” auf Energiesicherheit und Dekarbonisierung, sollte der Stromhandel sofort einbezogen werden.
Das Problem: Großbritannien hat 2024 sein letztes Kohlekraftwerk abgeschaltet. Trotzdem könnte UK-Strom nach der aktuellen CBAM-Methodik als CO₂-intensiv eingestuft werden – mangels detaillierter Daten würden Standardwerte greifen. Die Folge? Die EU würde weniger sauberen Strom aus Großbritannien importieren, was paradoxerweise zu 1,5 bis 2,5 Millionen Tonnen mehr CO₂-Emissionen in Europa führen könnte.
„Die Einbeziehung von Strom ab Januar 2026 gefährdet die Integration des europäischen Strommarktes”, warnen die Bruegel-Analysten. Sie empfehlen, die Anwendung auf den Stromsektor bis 2028 zu verschieben. Das würde Zeit geben, die Emissionshandelssysteme von UK und EU zu verknüpfen – womit sich die Preisdiskrepanz von selbst lösen würde.
COP30 als Bühne: Globale Spannungen um CO₂-Preise
Diese Entwicklungen ereignen sich just zum Abschluss des COP30-Gipfels in Belém, Brasilien. Dort wurde diese Woche intensiv über globale CO₂-Preiskoordination diskutiert – mit CBAM als Vorbild und Streitpunkt zugleich.
US-Senator Sheldon Whitehouse lobte auf dem Gipfel die „Anreihung” von Ländern wie Großbritannien und Australien, die eigene Grenzausgleichsmechanismen entwickeln. „Die Tatsache, dass sich UK und Australien anschließen, ist ein gutes Signal”, sagte Whitehouse. Er sieht CBAM nicht als protektionistische Handelsbarriere, sondern als notwendiges Instrument gegen „Carbon Leakage” – die Verlagerung von Emissionen in Länder mit laxeren Klimaregeln.
Doch die Stimmung in Belém ist gespalten. Entwicklungsländer, angeführt von der BASIC-Gruppe (Brasilien, Südafrika, Indien, China), kritisierten „unilaterale Handelsmaßnahmen im Gewand der Klimapolitik”. Die EU-Absage an Indien diese Woche hat die Fronten verhärtet. WTO-Klagen im Jahr 2026 scheinen wahrscheinlich.
Die nächsten sechs Wochen: Was jetzt passieren muss
Der 1. Januar 2026 rückt unaufhaltsam näher. Die wichtigste Frage für Unternehmen: Wann werden die finalen Standardwerte veröffentlicht? Laut geleaktem Zeitplan der Kommission soll dies „im vierten Quartal 2025″ geschehen – also binnen Tagen oder Wochen.
Doch Vorsicht: Die Default-Werte für die Übergangsphase sind nicht identisch mit den endgültigen CBAM-Benchmarks. Letztere werden erst nach der Überarbeitung der EU-ETS-Benchmarks 2026 feststehen. Das schafft eine regulatorische Grauzone. Unternehmen müssen mit provisorischen Daten arbeiten – und die können hart zuschlagen.
Für Importeure ohne verifizierte Lieferantendaten droht das Schlimmste: Sie fallen automatisch in die höchste Kostenkategorie. Ihre Produkte könnten auf dem europäischen Markt schlicht nicht mehr wettbewerbsfähig sein.
„Der geleakte Entwurf ist ein Weckruf”, warnte Hendrik Schuldt, CEO der Beratungsfirma carboneer. „Die Methodik ist komplex, die Benchmarks sind streng, und die Deadline ist absolut.”
Mit dem heutigen 21. November steht fest: CBAM ist keine Zukunftsmusik mehr. Es ist operative Realität – und verändert bereits jetzt die Spielregeln des Welthandels.
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