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Große Bühne in Frankfurt für einen Offenbacher: Der Rapper Haftbefehl tritt regelmäßig bei World Club Dome im Waldstadion auf, auch mal im Eintracht-Trikot mit einer Rückennummer, die beide Städte eint. © privat
Die Netflix-Doku über Haftbefehl zeigt seine Fußballjugend beim OFC, löst Emotionen aus und sorgt für Diskussionen unter Fußballfans.
Seit rund drei Wochen ist „Babo – Die Haftbefehl-Story“ auf Netflix abrufbar. Auch Uwe Herbert hat sich die Doku über den bundesweit bekannten Rapper aus Offenbach angesehen – ohne zu ahnen, dass beide eine gemeinsame Vergangenheit haben. „Ich war total überrascht“, sagt der 65-Jährige über die kurze Szene, die am Ende von Minute 42 beginnt. Zu sehen ist eine private Videoaufnahme von einem Jugendfußballspiel. „Ich dachte, das sind doch unsere Trikots“, berichtet Herbert. Als er einen Spieler erkennt, ist ihm klar: Es handelt sich um die F1-Jugend der Offenbacher Kickers, die er seinerzeit trainierte. Auch der Zusammenhang wird ihm nun klar: „Das ist der kleine Aykut.“ Genauer gesagt: Aykut Anhan.
Dass aus dem Bub der Rapper Haftbefehl geworden ist, habe selbst sein Sohn Oliver nicht gewusst, sagt Uwe Herbert. Dabei spielten beide zusammen in einem Team: „Das waren die Jüngsten im Verein.“ Ursprünglich war Aykut mit seinem älteren Bruder Aytac zu den Kickers gekommen und hatte sich in der höheren Jahrgangsstufe versucht – unter den Trainern Thomas Hantzsche und Christian Steinbacher. Schnell schickt man ihn jedoch runter – zu den 1985ern. Dort war er Torwart. Und zwar „die ganze Zeit“, erinnert sich Herbert.
Jahrelang für Offenbach gespielt
„Ich habe acht Jahre bei den Kickers gespielt“, sagt Haftbefehl in der Dokumentation. Und: „Ich war ziemlich erfolgreich dort.“ Das Team sei souverän F-Jugendmeister in der Kreisliga geworden, sagt sein damaliger Coach. Trainiert habe er Aykut beim OFC aber nur vier, fünf Jahre. „Er war als Torwart chancenlos, nachdem Daniel Endres von Rot-Weiß Offenbach kam. Aber er hat sich immer engagiert, war eher zierlich, ganz ruhig und ganz lieb. Ich wusste, dass er aus schwierigen Verhältnissen stammt.“ Die Mutter, einst selbst Sportlerin, sei „immer sehr nett und zuvorkommend“ gewesen, erinnert sich Herbert. Zum Vater kann er nichts sagen, aus naheliegendem Grund. „Er war nicht einmal beim Training oder beim Spiel“, erzählt Haftbefehl über das schwierige Verhältnis zu dem Mann, der als „Mafioso und Drogendealer“ beschrieben wird, der hohe Beträge verzockte, während die Familie im Sozialbau lebte. Oft habe er sich eingeredet, sein Vater habe unbemerkt am Spielfeldrand gestanden und bloß nichts gesagt, gibt der 39-Jährige zu. „Aber ich glaube nicht, dass es so war.“
Als Aykut 14 ist, begeht sein Vater Selbstmord. Den ersten Suizidversuch hatte der Sohn noch verhindert. Für den Jungen ist das längst zu viel. Er wird drogensüchtig und kriminell. Ab Anfang der 2000er Jahre verarbeitet er das alles in seinen Liedern. Mit der Musik ist er erfolgreich, mit dem Versuch, sein Leben in den Griff zu bekommen, nicht. Im 92-minütigen Werk der Regisseure Sinan Sevinc und Juan Moreno wird das auf eindrucksvolle und erschreckende Weise bestätigt.
„Wem von euch ging die Doku auch unter die Haut?“, fragt der OFC auf Social Media unter einem Foto, das den jungen Aykut Anhan als Torwart im Kickers-Trikot zeigt. „Komm bald mal wieder zurück in deine Heimat an den Bieberer Berg, Hafti, wir würden uns freuen.“ Alleine auf Instagram gab es dazu mehr als 72.000 Likes. Haftbefehl selbst hat als Reaktion darauf in den Kommentaren ein rotes Herz hinterlassen. Von OFC-Fans gibt es aber auch Kritik, weil der Rapper mit Erzrivale Eintracht Frankfurt sympathisiert und dort teilweise gefeiert wird. Kürzlich wurde einer seiner Songs im Stadion gespielt.
2026 soll er erneut beim World Club Dome im Frankfurter Waldstadion auftreten. Dort stand er schon im Eintracht-Trikot auf der Bühne – mit der Rückennummer 069. Es ist der Titel eines seiner bekanntesten Songs und die Telefonvorwahl beider Städte. Haftbefehl fühlt sich hüben wie drüben zu Hause. Das mag nicht jedem gefallen, gilt aber auch mit Blick auf den Fußball längst für viele Leute.