Die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (Spio) hat 14 früheren Preisträgern die Ehrenmedaille entzogen. Wegen ihrer NS-Vergangenheit verlieren deutsche Filmgrößen wie Heinz Rühmann, Leni Riefenstahl und Olga Tschechowa ihre Auszeichnung. Damit zieht die Spio Konsequenzen aus einer Studie, die die Zusammenarbeit von ehemaligen Preisträgern und dem Führungspersonal des Verbands mit dem NS-Staat erforschte.

Die 14 Filmgrößen wurden demnach bei der vom Institut für Zeitgeschichte (IfZ) in München durchgeführten Untersuchung als „NS-belastet“ oder „NS-konform“ eingestuft. Neben Nazi-Propaganda-Filmemacherin Riefenstahl, Schauspieler Rühmann und Filmdiva Tschechowa traf das auch auf den ehemalige Berlinale-Leiter Alfred Bauer, den Regisseur August Arnold und den Filmemacher Ludwig Waldleitner zu.

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Heinz Rühmann galt nicht als prominenter Unterstützer des NS-Regimes

Heinz Rühmann (1902- 1994) wurde in den 1930er-Jahren mit Komödien wie „Die Drei von der Tankstelle“ (1930) und „Der Mustergatte“ (1937) einer der beliebtesten deutschen Schauspieler. Sein Humor und das Image des „kleinen Mannes“ machten ihn schnell zum Star.

Während der NS-Zeit blieb Rühmann in Deutschland und arbeitete weiter im Filmgeschäft. Er hielt sich politisch weitgehend zurück und galt nicht als prominenter Unterstützer des Regimes. Zugleich profitierte er davon, dass seine Unterhaltungsfilme staatlich geduldet und als Teil der Propagandastrategie Goebbels aktiv gefördert wurden. „Sie genossen die materiellen Privilegien und die Wertschätzung von NS-Potentaten wie Hitler, Goebbels und Goering“, heißt es dazu in der Studie über Rühmann und Tschechowa, die beide als Einzige der 14 Preisträger keine Parteimitgliedschaft besaßen.

Staatlich gefördete Filme wie „Quax, der Bruchpilot“ (1941), in dem Rühmann einen unwahrscheinlichen Fliegerhelden spielt, waren an der Kinokasse große Erfolge. Gleichzeitig machte „Quax“ unterschwellig Werbung für die Luftwafe, wie Historiker kritisieren. Das Werk gehörte zu einem der Lieblingsfilme von Adolf Hitler, der ihn mehrmals im Führerhauptquartier vorführen ließ.

Hilmar Hoffmann behält Auszeichnung als Sonderfall

Vor allem die Auszeichnung für die eng mit dem NS-Regime verstrickte Riefenstahl sei ein „schwerer Fehler“ gewesen, hieß es. In einem Ausnahmefall wurde laut der Spio allerdings entschieden, die Auszeichnung nicht abzuerkennen: Bei Hilmar Hoffmann, ehemaliger Kulturdezernent der Stadt Frankfurt am Main, stellten die Wissenschaftler des IfZ demnach eine Besonderheit heraus.

Hoffmann habe sich nach 1945 zeitlebens „wirksam für eine kritische Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit eingesetzt und Akzente für eine künstlerische Gegenposition zum nationalsozialistischen Filmerbe gesetzt.“ Das Spio-Präsidium habe dies als Beleg dafür gesehen, dass Menschen sich ändern und kritisch-selbstreflektiert aus Verfehlungen lernen können und sich daher für eine differenzierte Beurteilung entschieden, hieß es.

Spio-Ehrenmedaille wird in bisheriger Form nicht mehr vergeben

Die Spio hatte die Studie zur NS-Vergangenheit nach eigenen Angaben vor dem Hintergrund des 100-jährigen Bestehens der Organisation und des aktuellen Erstarkens rechtsextremer Ansichten innerhalb der Gesellschaft in Auftrag gegeben.

„Die Spio hat aus einer tief empfundenen gesellschaftspolitischen Verantwortung heraus entschieden, die NS-Vergangenheit des Führungspersonals der Spio sowie der Preisträger*innen der Ehrenmedaille wissenschaftlich aufarbeiten zu lassen“, erklärte ihr Präsident Peter Schauerte. „Uns war klar, dass wir mit Belastungen von Personen aus der Vergangenheit und eigenen Fehlern konfrontiert werden. Elementar war, mit der Studie eine wissenschaftlich fundierte Basis zu haben, um adäquate Konsequenzen ziehen zu können.“

Als weitere Konsequenz werde die Spio-Ehrenmedaille in ihrer bisherigen Form nicht mehr vergeben, kündigte die Organisation an. Stattdessen rufe man einen neuen Preis ins Leben, dessen Kriterienkatalog derzeit erarbeitet werde. „Dieser Preis wird zukünftig nicht nur besondere Leistungen und Verdienste für die Filmwirtschaft würdigen, sondern explizit auch das gesellschaftspolitische Engagement für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“, hieß es. 

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Führungspersonal der Spio tief verstrickt

Laut einem Bericht der „Zeit“ geht aus der Studie außerdem hervor, dass auch deutlich mehr frühere NS-Funktionäre und -Täter zum Spio-Führungspersonal gehörten, als bisher bekannt war. Insgesamt würden von 91 untersuchten Personen 31 als in unterschiedlichem Maße belastet eingestuft. 

Die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft vertritt nach eigenen Angaben die Interessen der deutschen Filmwirtschaft in den Sparten Filmproduktion, Filmverleih, Filmtheater und Audiovisuelle Medien. Als Dachverband von 14 Berufsverbänden repräsentiert sie demnach mehr als 1.400 Mitgliedsfirmen. Ziel der Spio sei es, den deutschen Film in seiner Vielfalt, Qualität und internationalen Wahrnehmung zu stärken und seine Wettbewerbsfähigkeit als Wirtschafts- und Kulturgut zu sichern.