Irgendwann kämen die Fragen, die man als engagierter Mitarbeiter im Jugendamt nicht ertragen könne. Zum Beispiel diese: „Welches Kind soll denn nun gerettet werden?“ So beschreibt Sozialarbeiterin Liliana Parente die Sorgen, die sie wegen der geplanten Einsparungen der Stadt im Sozialetat umtreiben. In so manches Wochenende werde sie künftig mit der Angst gehen, dass schlechte Nachrichten von einem Kind kommen, das man intensiver hätte betreuen müssen.
Parente ist mit Kolleginnen und Kollegen aus der Stadtverwaltung, aber auch von freien Sozialträgern an diesem Freitag ins Café Glockenspiel am Marienplatz gekommen, um über die Auswirkungen der Haushaltskrise auf die Beschäftigten, aber auch die Stadtgesellschaft zu sprechen. Eingeladen dazu hat die Gewerkschaft Verdi, in der sie alle engagiert sind. „Soziale Arbeit und Kultur sind Garanten der Demokratie. Hier darf nicht gespart werden“, sagt Claudia Weber, Geschäftsführerin in München.
Genau das hat die grün-rote Stadtregierung für den Haushalt 2026 jedoch geplant. Da die Ausgaben die erhofften Einnahmen zu übertreffen drohen, müssen 300 Millionen Euro eingespart werden. Von der Summe her dürfte es den Sozialetat mit am härtesten erwischen, er ist jedoch mit etwa zwei Milliarden Euro auch ein bedeutender Posten in den Finanzen der Stadt.
44 Millionen Euro weniger sollen 2026 ausgegeben werden als ursprünglich veranschlagt. Das gesamte Sozialsystem werde insbesondere nach den Einsparungen der Vorjahre unter dem enormen Spardruck leiden, sagt Andreas Schlutter, Vertreter der Mitarbeiter bei der Diakonie München und Oberbayern.
Schon seit Jahren arbeiteten die Beschäftigten im Sozialbereich „an der Belastungsgrenze“. Noch etwas draufzupacken, weil sich weniger Mitarbeiter zum Beispiel bei der Betreuung von Geflüchteten um immer mehr Menschen kümmern müssten, „das ist nicht zu stemmen“, sagt er. Schon jetzt gebe es einen hohen Krankenstand, „weil es die Leute einfach nicht mehr schaffen“.
Schon am Donnerstagabend hatten sich deshalb mehrere Hundert Menschen am Orleansplatz vor dem Sozialreferat versammelt, um gegen die Sparvorgaben der Stadt im Sozialetat zu demonstrieren. Organisiert hatte die Demonstration der Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit. Auch Verdi hatte mit dazu aufgerufen. Mit Reden und Plakaten machten Teilnehmer ihrem Frust Luft. „Erst systemrelevant, jetzt irrelevant“, hieß es auf einem Schild.
Die Menschen halten sich für ausgesprochen systemrelevant. (Foto: Johannes Simon)
Doch Verdi betont am Tag darauf, dass alle Bereiche der Stadt unter der Haushaltskrise litten. Man dürfe diese nicht gegeneinander ausspielen, sagt Geschäftsführerin Weber. Sie hat auch Beispiele aus dem Baureferat, dem Kommunalreferat oder dem Planungsreferat mitgebracht, in denen sich der Spardruck ebenfalls bemerkbar macht. Und natürlich auch aus der Kultur.
Auf die Situation von Künstlern, die nicht in der allerersten Reihe stehen und unter weniger Geld enorm leiden würden, macht der Cellist Johannes König aufmerksam. Er spielt bei den Münchner Symphonikern und sagt: „Unser Zuschuss von der Stadt ist schon seit vielen Jahren eingefroren. Die Gehälter liegen unter Tarifniveau.“ Auch der Sparbeitrag des Kulturetats wird wohl im Vergleich zum vergangenen Jahr steigen, die genaue Summe ist noch nicht öffentlich. Doch das dürfe nicht sein, sagt König: „Es muss Alternativen geben. Das ist doch keine Naturkatastrophe.“