Wake Up Dead Man: A Knives Out Mystery“ ist der dritte und vorerst letzte Film der „Knives Out“-Reihe. Grund dafür ist das Ende des 450-Millionen-Dollar-Deals zwischen Netflix und Rian Johnson, der nach eigenen Angaben unbedingt mal wieder etwas ganz anderes machen will. Doch zugleich verriet der Autor und Regisseur, dass er sich gut vorstellen könne, in seiner Karriere immer wieder zu einem weiteren Teil der Krimi-Reihe mit Daniel Craig als genialem Ermittler Benoit Blanc zurückzukehren. Der vor dem Netflix-Start am 12. Dezember 2025 auch gut zwei Wochen exklusiv in den Kinos laufende „Wake Up Dead Man“ beweist dabei, dass das eine richtig gute Idee ist. Denn Johnson vermeidet es mit einem frischen Setting und einem neuen Blick auf seinen Detektiv, sich zu wiederholen.

Dabei besinnt sich Johnson noch stärker als in den Vorgängern darauf, dass Craigs Blanc nicht der alleinige Protagonist dieser Filme ist, sondern es immer noch eine andere Figur gibt, mit der wir mitfiebern. Zudem macht er im Gegensatz zum zweiten Teil „Glass Onion“ ein faires Miträtseln wieder von Anfang an möglich, schafft es dabei aber trotzdem, mit Twists zu überraschen. Gemeinsam mit einigen interessanten Themen, die im Verlauf des Films angerissen werden, sind das eigentlich die Zutaten, um „Wake Up Dead Man“ zum besten Teil der Reihe zu machen – was nur ein paar etwas ungelenkere Szenen und kleine Längen verhindern. Den Anspruch, der lustigste Film des Franchise zu sein, darf Teil 3 aber definitiv erheben…

Ermittler Benoit Blanc (Daniel Craig) ist mehr denn je nur eine Nebenfigur – im Zentrum zwar nicht dieses Bildes, aber des gesamtes Films steht Josh O'Connor (rechts)

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Ermittler Benoit Blanc (Daniel Craig) ist mehr denn je nur eine Nebenfigur – im Zentrum zwar nicht dieses Bildes, aber des gesamtes Films steht Josh O’Connor (rechts)

Nachdem er einen Kollegen bei einer Auseinandersetzung den Kiefer gebrochen hat, wird der junge Priester Jud Duplenticy (Josh O‛Connor) in die kleine Gemeinde Chimney Rock strafversetzt. Dort herrscht Monsignore Jefferson Wicks (Josh Brolin) mit eiserner Hand und hat fast alle Gläubigen vertrieben. Nur eine kleine Schar hängt ihm noch verängstigt, ehrfürchtig und ihn wie einen Kult-Anführer verehrend an den Lippen. Für Jud werden die Monate unter Wicks zur Hölle. Doch mit seinem überzeugten Glauben im Rücken hofft der Ex-Boxer eine Änderung herbeizuführen – bis Wicks nach einer seiner berühmten Hasspredigten am Karfreitag plötzlich tot ist. Es scheint ein unmögliches Verbrechen – denn Wicks ging im Anschluss an die Predigt von der Kanzel für eine kurze Ruhepause in einen kleinen Seitenraum ohne weitere Tür, wo ihn jemand nur wenige Sekunden später von hinten erstochen hat.

Auch wenn sie sich nicht erklären kann, wie es passiert ist, hält die lokale Polizeichefin Geraldine Scott (Mila Kunis) trotzdem Jud für den Täter. Er hat eine gewalttätige Vorgeschichte, ein Motiv und war zumindest in grober Nähe zum Tatort – auch wenn er den nicht ungesehen von der übrigen Gemeinde betreten haben kann. Um herauszufinden, wie sich alles abgespielt hat, bittet sie Benoit Blanc (Daniel Craig) um Hilfe. Der knöpft sich zwar direkt Jud vor, aber rekrutiert diesen schließlich als Helfer und lässt sich erklären, wer aus Wicks‘ Gemeinde noch anwesend war: die Haushälterin Martha (Glenn Close), Hausmeister Samson (Thomas Haden Church), die Anwältin Vera (Kerry Washington), der rechte Polit-Influencer Cy (Daryl McCormack), der verbitterte Arzt Dr. Nat (Jeremy Renner), die im Rollstuhl sitzende Star-Musikerin Simone (Cailee Spaeny) und der nun Verschwörungserzählungen anhängende einstige Bestsellerautor Lee (Andrew Scott). Hat einer von ihnen den perfekten, weil vermeintlich unmöglichen Mord begangen? Oder waren dort andere Kräfte am Werk und der überzeugte Atheist Blanc wird hier in seinem unerschütterlichen Unglauben getestet?

Der wahre Protagonist ist nicht der Detektiv

Rian Johnsons „Knives Out“-Filme sind auch deshalb so fesselnd, weil Benoit Blanc nicht die Hauptfigur ist. Der schrullige Ermittler mit dem Südstaatenakzent und der genialen Beobachtungsgabe ist der normalen Welt so entrückt, dass er wenig zur Identifikationsfigur taugt. Wir wollen zwar miträtseln und haben sogar den Ansporn, vor oder zumindest mit ihm die Lösung zu finden, aber wir fiebern und leiden nicht mit ihm mit. Nach Ana de Armas sowie Janelle Monáe in den vorherigen Filmen übernimmt dieses Mal Josh O’Connor die Rolle jener Figur, der das Publikum die Daumen drücken soll, obwohl er womöglich doch der Mörder sein könnte. Dabei rückt ihn „Wake Up Dead Man“ sogar noch konsequenter in den Mittelpunkt.

Abgesehen von einem Mini-Auftritt direkt zu Beginn ist Daniel Craig lange Zeit erst einmal überhaupt nicht zu sehen. Stattdessen begleiten wir „Challengers“-Star O’Connor durch seine harten neun Monate in der ihm gegenüber feindselig eingestellten Gemeinde. Nach und nach klappert er dabei alle übrigen Verdächtigen ab, sodass wir deren Geschichten kennenlernen. Woche für Woche nimmt der junge Priester seinem Kollegen Wicks die Beichte ab, um sich von diesem erzählen zu lassen, wie oft und wo und mit welcher Technik er masturbiert hat. Diese Einführung ist etwas lang und verlässt sich mit dem ständigen Voice-Over auch zu wenig auf die eigentlich immense visuelle Erzählkraft dieses mit Gothic-Horror-Einflüssen herausragend bebilderten Films. Doch gleichzeitig ist das alles so witzig, dass es kaum stört, wie lange es nun dauert, bis überhaupt der Mord passiert und Blanc endlich die Bildfläche betritt.

Monsignore Jefferson Wicks (Josh Brolin) hält eine seiner berüchtigten Hasspredigten – bevor er zum Opfer eines scheinbar unmöglichen Mordes wird.

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Monsignore Jefferson Wicks (Josh Brolin) hält eine seiner berüchtigten Hasspredigten – bevor er zum Opfer eines scheinbar unmöglichen Mordes wird.

Und selbst nach seinem ersten Auftritt spielt der Detektiv nur die zweite Geige und „Wake Up Dead Man“ bleibt über weite Strecken der Film von Josh O’Connor, dessen junger Priester zwar fest an Gott glaubt, aber mehr und mehr überzeugt ist, immense Schuld auf sich geladen zu haben. Immer wieder unterstreicht Johnson die Rollenverteilung auch visuell. Da tritt Craig förmlich in den Hintergrund und überlässt O‛Connor die Bühne. Detektiv Blanc zieht sich hier immer wieder in eine Beobachterrolle zurück und will einfach nur sehen, ob der junge Priester etwas Neues offenbart oder aus den anderen herauskitzelt. Er überlässt dem jungen Mann, dessen sichtbares Halstattoo von seiner rauen Vergangenheit zeugt, sogar ein Stück weit die Ermittlungen.

Das verleiht „Wake Up Dead Man“ (der Titel basiert auf einem Song von U2) auch einen anderen Fokus als die Vorgänger. Immer wieder gerät die Krimi-Handlung bewusst ins Stocken. Da ist Jud zwar einem ganz wichtigen Hinweis ganz nah, doch gibt das Einholen einer Information erst einmal auf, weil die Zeugin seinen Beistand als geistlicher Seelsorger braucht – und er diesen zum sichtbaren Ärger von Blanc über mehrere Stunden leistet.

Glauben, Zweifel – und der perfekte Mord

Gekonnt webt Johnson so spirituelle Themen und eine Auseinandersetzung über den Glauben in seinen Krimi-Plot, der natürlich auch wieder mit politischen Seitenhieben gespickt ist. Bisweilen zieht sich der dritte „Knives Out“ durch diese Nebenstränge ein wenig, weil das eigentliche Rätsel nicht vorangetrieben wird. Doch das schadet kaum, denn rechtzeitig gibt es dann immer doch die nächste Fährte und einen weiteren Hinweis.

Johnson setzt die Whodunit-Mechanik hier perfekt ein. Nachdem „Glass Onion“ eine wichtige, Blanc bereits bekannte Information erst in einem großen Twist nach rund der Hälfte des Films offenbarte, sind wir hier auf demselben Stand wie der Ermittler und können selbst entdecken, was er sieht. Das Miträtseln macht so großen Spaß – die eigentliche Auflösung dürfte trotzdem viele überraschen und wird von einigen wunderbaren, aber nicht aus dem Hut gezauberten, sondern sich gut in die Handlung einfügenden Wendungen vorbereitet.

Auch „Django Unchained“-Star Kerry Washington und Hollywood-Legende Glenn Close („Eine verhängnisvolle Affäre“) sind im dritten „Knives Out“-Film dabei.

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Auch „Django Unchained“-Star Kerry Washington und Hollywood-Legende Glenn Close („Eine verhängnisvolle Affäre“) sind im dritten „Knives Out“-Film dabei.

Dass wir bislang außerhalb der Inhaltsangabe kein Wort über das mal wieder prominente Ensemble verraten haben, ist übrigens kein Zufall. „Wake Up Dead Man“ ist so auf Josh O’Connor fokussiert, dass selbst eine Legende wie Glenn Close in seinem Schatten steht. Die sonst für das Genre typischen Verhörszenen, in welchen der Detektiv nach und nach jeder Person auf den Zahn fühlt, fehlen sogar völlig. Dennoch bekommen die Stars größtenteils ihre Szenen zum Strahlen, was sie sehr vielfältig nutzen. Während einige – allen voran Brolin und Close – das auf sehr expressive Art und Weise tun, punkten andere mit zurückgenommenen Einzelmomenten. Überraschend erweist sich dabei Jeffrey Wright („The Batman“) in seinen Mini-Auftritt mit trockenem Humor als Szenendieb. Und natürlich dürfen Rian-Johnson-Fans auch diesmal wieder genau aufpassen, wo seine in jedem Film präsenten Kumpels Noah Segan und Joseph Gordon-Levitt zu sehen (oder hören) sind.

Fazit: Rian Johnson beweist mit „Wake Up Dead Man: A Knives Out Mystery“, dass sich auch nach zwei gefeierten Vorgängern noch neue Wege für Benoit Blanc finden lassen. Unter anderem gelingt ihm das, indem sein düsterer, gleichzeitig aber ungemein witziger und sensationell aussehender Krimi dieses Mal besonders stark von einer einzelnen Figur getragen wird – und das ist nicht Blanc, sondern ein von Josh O’Connor hervorragend verkörperter Priester unter Mordverdacht.