
Die Slowakei stellt seit September in bestimmten Fragen nationales über EU-Recht. So dürfen nur gemischtgeschlechtliche Paare Kinder adoptieren. Die EU will sich das nicht gefallen lassen und hat ein Verfahren eingeleitet.
Die EU-Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Slowakei eingeleitet. Wie die Behörde in Brüssel mitteilte, geht es um eine Änderung der slowakischen Verfassung. Diese stellt slowakisches Recht in Fragen der nationalen Identität über EU-Recht.
Das slowakische Parlament hatte im September entschieden, dass es künftig nur noch zwei Geschlechter gibt – Mann und Frau. Kritikern zufolge werden dadurch Rechte von LGBTQ-Menschen eingeschränkt. Die englische Abkürzung LGBTQ steht für lesbisch, schwul, bisexuell, transgender und queer.
Die Slowakei habe damit gegen „grundlegende Prinzipien“ des EU-Rechts verstoßen, insbesondere gegen „die Prinzipien des Vorrangs, der Autonomie, der Effektivität und der einheitlichen Anwendung“ dieses Rechts, hieß es in einer Mitteilung der Kommission.
Nationale Zuständigkeiten würden nicht die Pflicht aufheben, die grundlegenden Prinzipien des EU-Rechts einzuhalten, erklärte die EU-Kommission. Die slowakischen Behörden seien auf die Kritikpunkte schon vor der Verfassungsänderung hingewiesen worden, hieß es weiter. Bratislava hat nun zwei Monate Zeit für eine Antwort.
Fico: Es wird keine Änderung geben
Premier Robert Fico erklärte die Einwände der EU-Kommission hingegen für unbegründet. Die Novellierung des Grundgesetzes stehe im Einklang mit internationalem Recht, sagte der slowakische Premier in Bratislava in Anspielung auf Artikel 7. Dieser schreibt vor, dass die Souveränität der Slowakei in „kulturellen und ethischen Fragen“ Vorrang vor EU-Recht habe.
Nur diesen Punkt würde die EU-Kommission bemängeln, sagte Fico. Zugleich stellte der Regierungschef klar: „Ich kann zu 100 Prozent bestätigen, dass es zu keiner Änderung der Verfassung kommen wird.“
Adoption ist nur Mann und Frau erlaubt
Laut Verfassung gibt es in der Slowakei seit September nur zwei Geschlechter. Bis auf seltene Ausnahmen dürfen nur noch verheiratete Paare ein Kind adoptieren. Damit will der linksnationale Fico angebliche Traditionen stärken und sein Land vor, wie er sagt, „unsinnigen progressiven Ideen aus Brüssel“ schützen.
Auch einige Abgeordnete der konservativen Oppositionsparteien hatten für die Reform gestimmt. Die Slowakei ist katholisch geprägt. Dass eine Ehe in der Slowakei nur zwischen einem Mann und einer Frau möglich ist, war bereits während Ficos früherer Amtszeit als Regierungschef im Jahr 2014 festgelegt worden. Eine Ehe für gleichgeschlechtliche Paare gibt es nicht.
Kritiker unterstellen Fico Ablenkung
Kritiker werfen Fico vor, durch die Aktion in erster Linie seine politischen Gegner zu spalten und von den eigentlichen Problemen des Landes abzulenken. Am Montag hatten erneut Zehntausende gegen den Premier protestiert. Die Demonstrationen richten sich gegen seine russlandfreundliche Außenpolitik, gegen umfangreiche Sparmaßnahmen sowie Angriffe auf die freie Kultur, öffentlich-rechtliche Medien und den Rechtsstaat.
Mit Informationen von Marianne Allweiss, ARD-Studio Prag