Körbel-Rekord könnte wackeln

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Oliver Baumann hat einen Meilenstein erreicht. Der 35-Jährige hat mit seinem Einsatz für die TSG Hoffenheim gegen den FSV Mainz 05 die Marke von 500 Partien als erst fünfter Torhüter in der Geschichte der Bundesliga geknackt. Insgesamt ist er damit der 14. Spieler seit 1963. Deutschlands aktueller Nummer eins bedeute das „viel“, wie er im „Kicker“-Interview betonte. „So langsam fange ich an, es selbst zu glauben, aber es fühlt sich skurril an, dass es schon so weit ist.“
Mit 35 Jahren und gut fünf Monaten ist Baumann der viertjüngste Spieler bei seiner 500 Bundesliga-Partie. Rekordspieler ist Karl-Heinz Körbel, der auf 602 Einsätze kam. Somit müsste Baumann noch drei volle Spielzeiten absolvieren, um den früheren Frankfurter einzuholen. Diese Bestmarke sei aber „noch zu weit weg“, meinte der Keeper.
„Aber mit 500 Spielen in so eine Sphäre zu kommen, ist cool, das bedeutet mir schon viel. Ich habe ja leider noch keinen Titel gewonnen, umso bedeutender sind deshalb individuelle Auszeichnungen. Jede Schallmauer ist für mich wie eine Trophäe. Auch, weil es eine Auszeichnung ist, die den Alltag bestätigt, denn man ist voll im Trott und fokussiert auf das Hier und Jetzt. (…) Es ist schön zu sehen, dass man so etwas erreichen kann, auch wenn man schon etwas älter ist, obwohl ich mich nicht so fühle“, sagte Baumann, der sich körperlich eher auf 28, 29 schätzen würde.
Nach über 15 Jahren Erfahrung in der Bundesliga, am 8. Mai 2010 hatte er für den SC Freiburg unter Robin Dutt mit 19 Jahren, elf Monaten und sechs Tagen debütiert, fühlt sich Baumann besser denn je. „Natürlich spielt gerade bei einem Torhüter die Erfahrung eine große Rolle. (…) Die Kunst ist es, immer wieder die jeweils richtigen Lösungen zu finden. Das ist das Schwierige“, so der Routinier, für den Fußball „immer die höchste Priorität“ hatte. „Dem habe ich alles untergeordnet, schon in der Jugend.“
Baumann will bis maximal 40 spielen – Keine Kampfansage an ter Stegen
Aktuell besitzt Baumann, der als Vorbilder Oliver Kahn bei der Mentalität und René Adler und Timo Hildebrand bei der Technik angab, bei der TSG einen Vertrag bis 2028. Vorstellen könne er sich bis maximal 40 zwischen den Pfosten zu stehen. „Vielleicht setze ich mich mit 39 irgendwo noch mal auf die Bank, wenn es mich reizt.“ Idealvorstellung wäre aber offenbar, bis zum Karriereende in Sinsheim zu bleiben und im besten Fall noch eine Trophäe zu gewinnen, zum Beispiel den DFB-Pokal. Es wäre die erste auf Profilever in seiner Laufbahn und der 1899-Klubgeschichte.
Einen Titel als Nummer zwei irgendwo zu gewinnen, reize ihn dagegen nicht. „Es gab schon Anfragen großer Klubs auch für diese Rolle, aber ich will spielen“, verriet Baumann, der seit 2014 für die TSG das Tor hütet. In bislang 415 Partien musste er 668-mal hinter sich greifen, nur 84-mal blieb er ohne Gegentor. Aufgrund dieser Statistik konnte er sich einen Spruch nicht verkneifen: „Ja, genau, vielen Dank auch an meine Mitspieler … die haben sich auch den Spaß gemacht, Hoffenheims Defensivschwäche habe mich erst zum Nationaltorhüter gemacht … (lacht).“
Lange musste er auf seinen ersten Einsatz für den DFB warten. Erstmals nominiert wurde er 2020, sein Debüt feierte er aber erst 2024 – gleich mit einem Klassiker. „Etwa mein erstes Länderspiel, das 1:0 gegen die Niederlande, das war wirklich geil. Vor allem, weil ich darauf 13, 14 Jahre hingearbeitet hatte.“ Dieses Spiel bedeute ihm „so viel, dass davon ein Bild zu Hause an der Wand hängt, das einzige Fußballbild in unserem Haus. Eingerahmt mit Hintergrundbild und mit meinen Handschuhen – das Nonplusultra sozusagen“, erzählte Baumann stolz. Erst da habe er sich als Nationalspieler gefühlt, vorher ohne Einsatz nicht. „Es nervte mich, dass manchmal Feldspieler, die nur wenige Wochen in der Liga aufgefallen waren, sie (eine Medaille, Anm. d. Red.) bekamen. Und ich, der schon über zehn Jahre auf dem Buckel hatte, nicht.“
Abgehakt hatte er das DFB-Team zwischenzeitlich trotzdem nie. „Aber es hat mich irgendwann nicht mehr so verrückt gemacht. (…) Vielleicht hat es genau diesen langen Weg gebraucht, denn jetzt ist es gut so.“ Bundestrainer Julian Nagelsmann, der Baumann schon aus Hoffenheimer Zeiten kannte, habe es ihm aber „deshalb nicht leichter gemacht. Ich musste mir das alles erarbeiten“.
Aktuell stehen zehn Länderspiele für Baumann zu Buche. Nach der erfolgreichen Qualifikation winkt für ihn die erstmalige Teilnahme an einer Weltmeisterschaft. Womöglich sogar als Nummer eins. Das hängt aber auch vom eigentlichen Stammkeeper Marc-André ter Stegen ab und dessen Genesung inklusive der Frage, ob er beim FC Barcelona oder woanders zu regelmäßiger Spielzeit kommt. „Für meinen Perfektionismus und für mich als Sportler will ich immer spielen. Ich will auch die WM spielen, aber es gibt eine Hierarchie von Julian, und dann gibt es die Mannschaft. Beides kommt davor. Würde ich jetzt eine Kampfansage machen, gäbe das nur Unruhe. Das fände ich völlig falsch, denn dann stellst du dein Ego über die Mannschaft“, betonte Baumann.
