Die Ukraine sei bereit, sich auf Verhandlungen mit Russland einzulassen – auch auf Ebene der Staatschefs. Eine formale Abtretung der von Russland besetzen Gebiete komme jedoch nicht in Frage. Diese klare Ansage kam von der stellvertretenden ukrainischen UN-Botschafterin Krystyna Hayovyshyn. „Unsere roten Linien sind klar und unerschütterlich, es wird niemals irgendeine Anerkennung geben – weder formell noch informell,“ erklärte Hayovyshyn in einem Briefing des UN-Sicherheitsrats in New York.
So reagierte sie auf den „Friedensplan“ für Beendigung des russischen Kriegs in der Ukraine, der laut amerikanischen Medien von US-Präsident Donald Trump gebilligt wurde. Den 28 Punkte umfassenden Plan sollen hochrangige Regierungsvertreter unter der Leitung des Sondergesandten Steve Witkoff in den vergangenen Wochen in Absprache mit dem russischen Gesandten Kirill Dmitrijew im Geheimen erarbeitet haben. Das Dokument sieht unter anderem die Übergabe des gesamten Donbass an Russland vor, einschließlich der Gebiete, die sich nicht unter russischer Kontrolle befinden. Die Ukraine soll zudem zahlreiche Waffen abgeben, ihre Armee halbieren und Russisch als zweite Amtssprache einführen.
Das ukrainische Präsidialamt bestätigte inzwischen, dass Wolodymyr Selenskyj einen Entwurf für einen „Friedensplan“ aus den USA erhalten habe. Er beabsichtige, diesen in den kommenden Tagen mit Präsident Donald Trump zu besprechen, heißt es.
Wolodymyr Selenskyj und Donald Trump bei der UN-Generalversammlung in New York im September 2025Bild: Evan Vucci/AP Photo/picture alliance
Der Nordamerika-Experte Oleksandr Krajew vom Thinktank „Ukrainisches Prisma“, sagt, das ukrainische Präsidialamt habe die ganze Kommunikation mit Washington übernommen und warte noch auf eine offizielle Stellungnahme der US-Regierung zum genauen Inhalt des Plans. „Es ist nicht ganz klar: Stammt dieser Plan tatsächlich vom Weißen Haus, wurde er separat von Witkoff entwickelt und anschließend von Trump unterstützt, oder kommt er aus dem Außenministerium?“ Das Verhältnis zu Trump und den USA sei „ziemlich fragil. Ein falsches Wort, eine falsche Aussage seitens der Ukraine würde sofort eine heftige negative Reaktion jenseits des Atlantiks auslösen“, so der Experte. Deshalb gebe es bislang noch keine Stellungnahme Kyjiws zu dem Plan.
„Plan zur Kapitulation der Ukraine“
Ukrainische Oppositionspolitiker weisen darauf hin, dass die in den Medien kursierenden Vorschläge Elemente enthalten, die quasi ohne Einschränkung russischen Forderungen entsprechen: eine formelle Festschreibung der russischen Besatzung in der Ostukraine, gravierende Beschränkungen der ukrainischen Armee, eine Verpflichtung des Landes zur Neutralität ohne wirkliche Sicherheitsgarantien, ein Verbot der freien Bündniswahl sowie die Zerstörung der ukrainischen Identität.
Oleksij Hontscharenko, Abgeordneter der oppositionellen Fraktion „Europäische Solidarität“ und Vertreter der Ukraine in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE), kritisiert den Plan der US-Regierung scharf. „Die wichtigste Garantie für die Ukraine, wie für jedes andere Land, sind ihre eigenen Streitkräfte. Russland will gerade unsere Armee schwächen, um die Ukraine beim nächsten Angriff endgültig zu vernichten“, sagte er im Gespräch mit der DW. Manche Dinge seien für die ukrainische Gesellschaft absolut inakzeptabel, so der Oppositionspolitiker.
Arsenij Jazenjuk, der von 2014 bis 2016 Premierminister war und heute das Kyjiwer Sicherheitsforum leitet, hält den gemeinsamen „Friedensplan“ der USA und Russlands für nichts anderes als das, was Wladimir Putin und Donald Trump bereits im August dieses Jahres in Anchorage, Alaska, besprochen hätten. „Nichts, was jetzt als vermeintlich neuer Friedensplan präsentiert wird, hat etwas mit Frieden zu tun. Es ist ein Plan zur schleichenden Kapitulation der Ukraine. Alle Thesen dieses sogenannten ‚Friedensplans‘ sind nichts anderes als Putins Position, die er schon vor fast vier Jahren geäußert hatte“, erklärte Jazenjuk laut der Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine.
Wie reagieren Ukraine und Europa?
Beobachter in der Ukraine meinen, die Ankündigung eines solchen „Friedensplans“ könnte lediglich darauf abzielen, die Stimmung innerhalb der ukrainischen Bevölkerung zu sondieren. „Offensichtlich ist das Lancieren in den Medien ein Test, um zu schauen, wie kriegsmüde die Ukrainer sind und inwiefern sie bereit sind, sich unterwerfen zu lassen“, schreibt Iryna Heraschtschenko, Ko-Vorsitzende der oppositionellen Parlamentsfraktion „Europäische Solidarität“, auf Facebook.
Heusgen: US-Friedensplan für die Ukraine ist unakzeptabel
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Auch Oleksandr Krajew vom Thinktank „Ukrainisches Prisma“ vermutet, dass der US-Präsident und sein Umfeld die ukrainische Öffentlichkeit und die internationalen Partner der Ukraine testen wollen, um herauszufinden, zu welchen Zugeständnissen sie bereit sind. „Ich weiß nicht, ob die Amerikaner ihre Beziehungen zu den Europäern im Falle eines starken Widerstands wirklich gefährden würden“, sagt Krajew gegenüber der DW. Hauptproblem des „Friedensplans“ sei, dass er die zentrale Aufgabe, von der Trump selbst gesprochen habe – einen Waffenstillstand – nicht erfülle.
Welche Ziele werden mit dem „Friedensplan“ verfolgt?
Der ehemalige ukrainische Botschafter in den USA, Walerij Tschalyj, glaubt nicht, dass es sich bei dem „Friedensplan“ um endgültige Vorschläge handelt. „Wäre dies der finale ‚Trump-Plan‘, hätte er zumindest beteiligte Kongressabgeordnete und wichtige europäische Hauptstädte informieren lassen, was offensichtlich nicht geschehen ist. Also, keine Panik. Im Moment handelt es sich um einen ‚Dmitrijew-Witkoff-Plan‘, der derzeit keine Chance auf Umsetzung hat“, so Tschalyj auf Facebook. Seiner Meinung nach wollen die USA durch ihren jüngsten Vorstoß eher einen Rahmen für künftige Kompromisse aufstellen.
Der Experte und Mitbegründer der Bürgerplattform „Neues Land“ (Nowa Krajina), Walerij Pekar, ist überzeugt, dass neben dem militärischen Druck an der Front auch eine Destabilisierung der ukrainischen Gesellschaft zu Russlands Zielen gehört. „Friedenspläne“ würden präsentiert, um die Menschen in der Ukraine psychologisch zu beeinflussen und zu schwächen. Pekar betont zudem: „Jeder Plan und alle Verhandlungen werden scheitern, wenn Europa nicht mit am Tisch sitzt. Diese Position unterstützen auch die USA, die auf Europa die volle Verantwortung für die eigene Sicherheit abwälzen wollen. Eine Niederlage der Ukraine würde Trump keinerlei politischen Nutzen bringen, sondern eher das Gegenteil bewirken.“
Adaption aus dem Ukrainischen: Markian Ostaptschuk