Ab Januar 2026 müssen alle Emissionsdaten importierter Waren durch akkreditierte Prüfer validiert werden. Die EU führt physische Betriebsprüfungen ein und setzt strenge Wesentlichkeitsgrenzen.

Die Europäische Union macht ernst: Nur sechs Wochen vor Inkrafttreten der definitiven Phase des CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) veröffentlichte Brüssel am Donnerstag detaillierte Vorschriften für unabhängige Prüfer. Ab dem 1. Januar 2026 müssen alle Emissionsdaten importierter Waren von akkreditierten Auditoren validiert werden – und die Spielregeln sind knallhart.

Die neuen Regelungen ergänzen die im Oktober beschlossene „Vereinfachungsverordnung” und schaffen ein striktes Kontrollsystem für die Überprüfung von Emissionsdaten. Für globale Compliance-Teams läuft die Schonfrist ab: Die Übergangsphase mit freiwilliger Berichterstattung endet, ab 2026 drohen finanzielle Konsequenzen.

Vor-Ort-Kontrollen werden zur Pflicht

Die von der EU-Kommission verabschiedete Verordnung setzt neue Maßstäbe für die unabhängigen Prüfer, die als „Torwächter” des CBAM-Systems fungieren. Anders als in der Übergangsphase, in der ungeprüfte Meldungen akzeptiert wurden, verlangt die definitive Phase ab 2026 eine lückenlose Validierung aller Emissionsdaten durch akkreditierte Dritte.

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Physische Betriebsprüfungen sind im ersten Jahr der definitiven Phase (2026) für alle Produktionsanlagen von CBAM-pflichtigen Waren verpflichtend. Virtuelle Inspektionen könnten in Folgejahren unter bestimmten Niedrigrisikobedingungen erlaubt werden – doch zunächst muss die Basislinie vor Ort erhoben werden.

„Die EU dehnt damit ihre regulatorische Reichweite direkt in die Werkshallen von Nicht-EU-Produzenten aus”, kommentierte ein Compliance-Analyst am Freitag. Für ein Stahlwerk in Indien oder ein Zementwerk in der Türkei ist die physische Prüfung durch einen EU-akkreditierten Auditor nicht länger optional – sie wird zur Voraussetzung für den Marktzugang.

Fünf-Prozent-Hürde für Prüfberichte

Die Verordnung führt zudem eine Wesentlichkeitsschwelle von 5 Prozent ein. Überschreiten die von Prüfern festgestellten Abweichungen bei den gemeldeten Emissionen diese Marke, kann der Bericht nicht verifiziert werden. Diese quantitative Benchmark schafft klare Verhältnisse für Auditoren, die bisher keine konkreten Vorgaben zu akzeptablen Abweichungsniveaus hatten.

Ein kleines Zugeständnis an die Realität: Während Prüfer zeitnah akkreditiert werden müssen, ist ihre formelle Registrierung im zentralen CBAM-Register erst bis zum 30. September 2026 vorgeschrieben. Diese Frist orientiert sich am aufgeschobenen Zeitplan für die erste Abgabe von CBAM-Zertifikaten und gibt den Akkreditierungsstellen in den Mitgliedstaaten Zeit für den Kapazitätsaufbau.

50-Tonnen-Freigrenze: Entlastung für Kleinimporteure

Die Prüferregeln folgen auf die im Oktober verabschiedete „CBAM-Vereinfachungsverordnung” (Verordnung (EU) 2025/2083), die das System vor dem Start straffen soll.

Die wichtigste Erleichterung für kleinere Unternehmen ist eine Bagatellgrenze von 50 Tonnen. Ab dem 1. Januar 2026 sind Importeure, die weniger als 50 Tonnen CBAM-pflichtiger Waren (etwa Stahl, Aluminium oder Zement) pro Kalenderjahr einführen, vom Kauf der CBAM-Zertifikate befreit.

Laut dem österreichischen Bundesministerium für Finanzen (BMF) dürfte diese Maßnahme rund 90 Prozent der kleineren Importeure von der finanziellen Belastung befreien – und dennoch 99 Prozent der gesamten eingebetteten Emissionen erfassen. Die Berichtspflichten für diese Unternehmen bleiben jedoch bestehen und erfordern sorgfältige Nachverfolgung, um die Einhaltung der Grenze nachzuweisen.

Verschobene Stichtage geben Luft zum Atmen

Die Reform hat auch kritische Compliance-Termine angepasst und räumt ein, dass das System noch nicht vollständig einsatzbereit ist:

  • 1. Januar 2026: Start der definitiven Phase. Die finanzielle Haftung für eingebettete Emissionen beginnt.
  • 1. Februar 2027: Der Verkauf von CBAM-Zertifikaten startet offiziell auf der gemeinsamen zentralen Plattform.
  • 30. September 2027: Frist für Importeure zur Abgabe der Zertifikate für ihre 2026er-Emissionen. Diese Verschiebung vom ursprünglich geplanten Mai-Termin verschafft Unternehmen zusätzliche Zeit zur Aufarbeitung des ersten Haftungsjahres.

Branche befürchtet Prüfer-Engpass

Trotz der Vereinfachungen bleibt die Stimmung in der Industrie angespannt. Die Pflicht zu physischen Prüfbesuchen hat Sorgen vor einem möglichen Flaschenhals ausgelöst. Müssen Tausende Nicht-EU-Anlagen innerhalb kurzer Zeit auditiert werden, warnen Wirtschaftsverbände vor einem Mangel an akkreditierten Prüfern.

„Viele Exporteure verfügen noch nicht über akkreditierte Prüfer oder verlässliche Systeme zur Emissionsdatenerfassung”, erklärte ein europäischer Stahlhändler diese Woche gegenüber Branchenmedien. Die Sorge ist real: Logistische Versäumnisse – nicht mangelnde Compliance – könnten Lieferungen blockieren oder die Zollabfertigung verzögern.

Der Preismechanismus versetzt Händler zusätzlich in Alarmbereitschaft. Die Preise für CBAM-Zertifikate orientieren sich am wöchentlichen Durchschnitt der EU-ETS-Auktionen. Bei EU-Zertifikatspreisen von derzeit 70 bis 85 Euro pro Tonne steht Importeuren eine erhebliche neue Kostenbelastung bevor. „Das ist ein gewaltiger Anreiz zur Dekarbonisierung – oder zum Verlust von Marktanteilen. Mögen die Hunger Games beginnen”, bemerkte ein deutscher Händler und verwies auf den erwarteten harten Wettbewerb zwischen saubereren und schmutzigeren Produzenten.

Deutschland und Österreich bereiten Umsetzung vor

Nationale Behörden fahren ihre Vorbereitungen hoch. Die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) veranstaltete am 18. November eine große Informationsveranstaltung und appellierte an Unternehmen, die verbleibenden Wochen des Jahres 2025 zu nutzen, um den Status als „Autorisierter CBAM-Anmelder” zu erlangen – eine zwingende Voraussetzung für Warenimporte ab 2026.

Auch das österreichische Finanzministerium (BMF) aktualisierte Anfang November seine Leitlinien und stellte klar, dass die neue 50-Tonnen-Grenze strikt ab Januar 2026 gilt und Importe aus dem vierten Quartal 2025 nicht rückwirkend von der Berichtspflicht befreit. Zudem wurde betont, dass zwar der Zertifikatsverkauf auf 2027 verschoben wird, die Berechnung der Haftung aber rückwirkend ab dem ersten Import 2026 erfolgt.

Die nächsten sechs Wochen entscheiden

Unternehmen müssen jetzt vom „Berichtsmodus” in den „Compliance-Modus” wechseln. Die unmittelbare To-do-Liste für betroffene Importeure umfasst:

  1. Autorisierung beantragen: Status als „Autorisierter CBAM-Anmelder” bei der zuständigen nationalen Behörde (z.B. DEHSt in Deutschland) sichern.
  2. Lieferketten prüfen: Identifizieren, welche Nicht-EU-Lieferanten auf verpflichtende physische Betriebsprüfungen 2026 vorbereitet sind.
  3. Haftung kalkulieren: Potenzielle Kosten auf Basis des prognostizierten CO₂-Preises von über 70 Euro und aktueller Importvolumen berechnen – unter Berücksichtigung der neuen 50-Tonnen-Befreiung, sofern zutreffend.

Die EU hat mit verschobenen Fristen für die Zertifikatsabgabe etwas Spielraum geschaffen, doch die regulatorische Maschinerie ist nun festgezurrt. Die Regeln für die Schiedsrichter – die Prüfer – stehen. Das Spiel beginnt.

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