Die Afrikanische Union (AU) und die Europäische Union wollen stärker zusammenarbeiten. Aus diesem Grund versammeln sich vom 24. bis zum 25. November etwa 47 Staats- und Regierungsoberhäupter in Angolas Hauptstadt Luanda zum siebten AU-EU-Gipfeltreffen.

Erst vor wenigen Wochen hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Angola besucht, um sich über neue Investitionsmöglichkeiten zu informieren. Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine versucht Deutschland, sich von russischem Öl und Gas unabhängig zu machen und möchte seine Partnerschaften in Afrika ausbauen.

Angola ist nicht nur ein logistischer Knotenpunkt, sondern auch ein Energieriese, mit dem Deutschland gerne engere Beziehungen knüpfen würde. Dies machte Steinmeier bei seinem Besuch deutlich: „Angola ist nicht nur interessant für die Welt als Lieferant von Öl und Gas, sondern hat gerade in den letzten Jahren signalisiert, dass es seine eigene Wirtschaft diversifizieren will.“

Steinmeier war nicht der einzige hochrangige Besucher. Kurz darauf trafen weitere Würdenträger aus aller Welt ein, um am 11. November an den Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Unabhängigkeit Angolas teilzunehmen.

Antonio Costa, Präsident des Europäischen Rats, und Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, werden am EU-AU-Gipfel in Luanda teilnehmen<span class="copyright">HENRY NICHOLLS/AP/ via Getty Images</span>

Antonio Costa, Präsident des Europäischen Rats, und Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, werden am EU-AU-Gipfel in Luanda teilnehmenHENRY NICHOLLS/AP/ via Getty Images

„Zu den wichtigsten Prioritäten von Präsident Joao Lourenco in seiner Rolle als amtierender Vorsitzender der Afrikanischen Union zählt die Infrastrukturfinanzierung. Sie ist von entscheidender Bedeutung“, sagt Angolas Verkehrsminister Ricardo Viegas D’Abreu. Dafür erhofft sich Angola finanzielle Mittel von seinen Partnern, die eine Gegenleistung erwarten werden.

Hauptverkehrsader Lobito-Korridor

Beim Thema Infrastruktur dreht sich in Angola derzeit alles um das Flaggschiff-Infrastrukturprojekt, den Lobito-Korridor. Das Herzstück dieses Transportkorridors bildet eine 1300 Kilometer lange Bahnstrecke zwischen Angola und der Demokratischen Republik Kongo, die das an Mineralien reiche Landesinnere Afrikas direkt mit der Hafenstadt Lobito an der Atlantikküste verbindet. In Zukunft soll auch Sambia an diesen Korridor angeschlossen werden.

Auf der Bahnstrecke verkehren bereits Züge, die hauptsächlich für Europa und die USA bestimmtes Kupfer aus den Minen der DR Kongo nach Lobito transportieren. Auf der Rückreise in das Innere des Kontinents sind die Güterzüge dann mit Schwefel beladen, das im Kongo für den Bergbau benötigt wird.

Zugverkehr im Schneckentempo

Die Eisenbahnstrecke wirkt wenig beeindruckend. In großen Teilen besteht sie aus nur einem Gleis, das weder durch Zäune noch andere Maßnahmen geschützt wird. Auf diesem Gleis verkehren die Güterzüge mit einer Geschwindigkeit von maximal 45 Stundenkilometern. In manchen Teilabschnitten müssen die Züge ihre Geschwindigkeit sogar auf 30 Kilometer die Stunde reduzieren.

Doch nicht nur die Züge rollen langsam. Auch die Bürokratie sorgt für Verzögerungen, wie ein OECD-Bericht zu dem eine Milliarde US-Dollar teuren Projekt Anfang dieses Jahres feststellte. So verlangsamen Zollabfertigungsverfahren den Transport von Gütern von einem Teil des afrikanischen Kontinents zum anderen erheblich.

Auf seiner gesamten Strecke wirkt der Lobito-Korridor eher unscheinbar, mit kleinen Bahnhöfen, selbst an größeren Orten wie Huambo und dem nahe gelegenen Caala, deren Bevölkerung zusammengenommen nahezu eine Million beträgt.

Trotzdem bietet das ambitionierte Projekt eine Reihe von Wettbewerbsvorteilen, wie Anna Hoffmann-Kwanga, Leiterin des Auslandsbüros Namibia und Angola der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung betont.

„[Die Strecke] befindet sich praktisch in Konkurrenz zu einem Korridor aus der DR Kongo, der nach Süden, nach Durban führt“, sagt Hoffmann-Kwanga. Über diesen Konkurrenzkorridor dauere es jedoch einen ganzen Monat, um Güter von der Demokratischen Republik Kongo in die südafrikanische Hafenstadt zu transportieren.

Gastgeber: Der angolanische Präsident Joao Lourenco ist aktuell Vorsitzender der Afrikanischen Union<span class="copyright">Carlos Costa/AFP</span>

Gastgeber: Der angolanische Präsident Joao Lourenco ist aktuell Vorsitzender der Afrikanischen UnionCarlos Costa/AFP

Über den Lobito-Korridor dauere der Transport dagegen im besten Fall acht Tage. Selbst bei gravierenden Verzögerungen verliefe der Transport über den Lobito-Korridor im Schnitt doppelt so schnell wie über die Alternativroute.

Angolas Abhängigkeit von China

Viele der Verzögerungen auf der Strecke sind darauf zurückzuführen, dass diese bereits Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, zu Zeiten der portugiesischen Kolonialherrschaft, erbaut wurde. Während des Unabhängigkeitskrieges und des darauffolgenden Bürgerkrieges, einer Zeit des Konflikts und der Instabilität, die Anfang der 1960er begann und mehr als 40 Jahre anhielt, trug der Lobito-Korridor schwere Schäden davon.

China half mit dem Wiederaufbau zerstörter Streckenabschnitte. Als Sicherheit für die Finanzierung diente Angolas Öl.

Nach dem offiziellen Ende des Konflikts im Jahr 2002 unterstützte China demselben Muster folgend viele weitere Infrastrukturprojekte. Angola wurde so schließlich zu Chinas größtem Schuldner in Afrika, mit Schulden, die sich Schätzungen der Boston University zufolge in Höhe von 46 Milliarden US-Dollar bewegen.

Angola zwischen China, den USA und Europa

Mittlerweile versucht Angola, ein Gegengewicht zu seiner übergroßen Abhängigkeit von China zu schaffen und andere Partner zu finden. Seit Präsident Joao Lourenco 2017 sein Amt antrat, bemüht er sich mit beachtlichem Erfolg um Partner im Westen.

Kobalt und Kupfer aus der Demokratischen Republik Kongo sind unerlässlich für die weltweite Umstellung auf erneuerbare Energien<span class="copyright">EMMET LIVINGSTONE/AFP/Getty Images</span>

Kobalt und Kupfer aus der Demokratischen Republik Kongo sind unerlässlich für die weltweite Umstellung auf erneuerbare EnergienEMMET LIVINGSTONE/AFP/Getty Images

Sowohl die Europäische Union als auch die Vereinigten Staaten haben Milliarden für den Lobito-Korridor in Aussicht gestellt. Betrieben wird die Bahn nun von einem europäischen Konsortium. An die Stelle einer wirtschaftlichen Abhängigkeit nach Pekinger Vorbild sei eine echte „Partnerschaft“ getreten, betonen beide Partner.

Das Angebot, das Europa mache, unterscheide sich stark von dem chinesischen, sagt Anna Hoffmann-Kwanga von der Konrad-Adenauer-Stiftung: „Es bricht mit dieser extraktiven Logik ehemaliger kolonialer aber auch aktueller Korridore“, meint sie mit Verweis auf die aktuelle Politik Chinas. Das Lobito-Korridor-Projekt, erklärt sie, werde die Lebensbedingungen sämtlicher Gemeinschaften entlang des Korridors verbessern.

Luanda orientiert sich gen Westen

Von dieser Vision ist die Realität aber noch immer weit entfernt. Die Menschen, die entlang des Korridors leben, haben nichts von den Zügen, die an ihnen vorbeituckern, bemängelt der angolanische Volkswirtschaftler Heitor de Carvalho.

In der Region fehlt es an Infrastruktur, die den Bauern helfen würde, den Lobito-Korridor zu nutzen, um ihre Produkte an anderen Orten zu verkaufen, betont de Carvalho: Die Straßen müssten verbessert werden, neben den Bahnhöfen müssten Lagerhäuser errichtet werden, Geschäftsstrategien müssten entwickelt und die Produktion erheblich gesteigert werden.

„Ich spreche über eine exponentielle Steigerung der Produktion, nicht drei sondern 300 Prozent“, konkretisiert de Carvalho.

Die Anwohner und Gemeinden entlang des Lobito-Korridors haben keinen wirtschaftlichen Nutzen durch die Bahnstrecke, sagen Kritiker<span class="copyright">Borralho Ndomba/DW</span>

Die Anwohner und Gemeinden entlang des Lobito-Korridors haben keinen wirtschaftlichen Nutzen durch die Bahnstrecke, sagen KritikerBorralho Ndomba/DW

Doch auch wenn es lange dauern wird, bis sich positive Auswirkungen für die Landwirte entlang der Route bemerkbar machen, begrüßt de Carvalho den Wettbewerb zwischen europäischen und US-amerikanischen staatlichen Investoren.

„Deren Interesse hat viel damit zu tun, dass Angolas politische Führungsriege nun auf einen pro-westlichen Ansatz setzt anstelle der alten Beziehungen zu Russland und China“, erläutert er.

Was bringt so ein Gipfel?

Doch Angola ist weiterhin stark vom Ölsektor abhängig. Der angolanische Agrarunternehmer Amílcar Armando erhofft sich daher nicht viel von dem zweitägigen EU-AU-Gipfel.

„Bei diesen Gipfeln hat man oft das Gefühl, dass um Geld für bestimmte Projekte gebettelt wird, mit dem Risiko, dass die Korruption steigt. Wir sollten uns darauf konzentrieren, unsere eigene Infrastruktur zu bauen.“

Das Land, meint er, sollte seine Hausaufgaben machen und die unmittelbaren Bedürfnisse der Menschen an erste Stelle setzen, anstatt aufwändige Gipfel auszurichten.

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.