Deutschland und andere führende Unterstützer der Ukraine lehnen den US-Plan für ein Ende des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine in der derzeitigen Form ab. Zwar stelle der aktuelle Entwurf eine Grundlage dar, jedoch müsse weiter an dem Plan gearbeitet werden, heißt es in einer nach einem Krisentreffen am Rande des G20-Gipfels in Johannesburg veröffentlichten Erklärung. Man sei bereit, sich einzubringen, um sicherzustellen, dass ein zukünftiger Frieden nachhaltig sei.

In der Erklärung heißt es, Grenzen dürften nicht mit Gewalt verändert werden. Man sei zudem besorgt über die vorgeschlagenen Beschränkungen für die ukrainischen Streitkräfte, die die Ukraine anfällig für zukünftige Angriffe machen würden.

Kurz darauf äußerte sich US-Präsident Donald Trump zur Kritik an seinem Friedensvorschlag. „Der Krieg muss auf die eine oder andere Weise enden“, sagte er vor Journalisten. Auf die Frage, ob dies sein letztes Angebot sei, antwortet er: „Nein.“

Neuer Friedensvorstoß von Trump Das ist der 28-Punkte-Plan für die Ukraine im Wortlaut

Die zuvor bekannt gewordene Erklärung unterzeichneten neben Merz die Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Italien und Großbritannien sowie von Irland, den Niederlanden, Spanien, Finnland und Norwegen. Für die EU waren Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident António Costa dabei. Als Nicht-Europäer unterstützen zudem die politischen Spitzenvertreter Kanadas und Japans die Erklärung.

Ziel der Unterzeichner ist es, aus ihrer Sicht inakzeptable Zugeständnisse an Russland aus dem 28-Punkte-Plan der Amerikaner herauszuverhandeln. Der US-Vorschlag sieht zum Beispiel vor, dass die Ukraine auch bislang noch verteidigte Gebiete an Russland abtritt, ihr militärischen Fähigkeiten beschränkt und die Nato einen Verzicht auf jegliche Erweiterung erklärt.

Russland müsste dagegen nur vergleichsweise geringe Zugeständnisse machen und unter anderem auf in der EU eingefrorenes Staatsvermögen verzichten. Dieses würde für den Wiederaufbau der Ukraine genutzt werden.

Merz: Keine Einigung über Ukraine-Krieg ohne Europäer

Bundeskanzler Friedrich Merz mahnte US-Präsident Donald Trump, kein Kriegsende über die Ukraine ohne Zustimmung Kiews oder der Europäer anzustreben. „Kriege können nicht beendet werden durch Großmächte über die Köpfe der betroffenen Länder im Krieg“, sagte Merz am Samstag am Rande des G20-Gipfels. Es bedürfe sowohl der Zustimmung der Ukraine als auch der Europäer. „Denn es ist ein Krieg auf dem europäischen Kontinent. Und je nachdem, wie dieser Krieg ausgeht, wird es Auswirkungen auf die Sicherheit Europas haben“, betonte Merz.

Er bestätigte, dass sich am Sonntag in Genf die sicherheitspolitischen Berater Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und weiterer europäischer Länder mit den Kollegen aus der Ukraine und den USA treffen würden. Den USA sei eine stark überarbeitete Version des umstrittenen 28-Punkte-Plans geschickt worden, hieß es in Regierungskreisen.

Ukraine soll dem US-Plan bis Donnerstag zustimmen

US-Präsident Donald Trump will, dass die Ukraine den Plan bis kommenden Donnerstag im Wesentlichen akzeptiert. „Wenn alles gut läuft, neigt man dazu, die Fristen zu verlängern“, sagte Trump am Freitag in einem Gespräch mit Fox News Radio zwar auf die Frage, ob die USA der Ukraine eine „lockere Frist“ gesetzt hätten, um dem Plan zuzustimmen. „Aber Donnerstag ist unserer Meinung nach ein geeigneter Zeitpunkt.“ Am kommenden Donnerstag feiern die Menschen in den Vereinigten Staaten Thanksgiving – das amerikanische Erntedankfest.

Vor Journalisten sagte Trump später, dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj werde nichts anderes übrig bleiben, als seinen Friedensplan zu akzeptieren. Die Zeit dafür sei angesichts der Notwendigkeit, das Blutvergießen zu beenden, und des nahenden Winters knapp. „Wir haben einen Weg, um Frieden zu schaffen, oder wir glauben, wir haben einen Weg, um Frieden zu schaffen. Er wird ihn billigen müssen.“ Wenn Selenskyj dies nicht wolle, werde er weiterkämpfen müssen. „Irgendwann wird er etwas akzeptieren müssen, was er bisher nicht akzeptiert hat.“

Trump verwies zudem auf den Eklat mit Selenskyj im vergangenen Februar im Weißen Haus: „Sie erinnern sich, direkt im Oval Office, vor nicht allzu langer Zeit, habe ich gesagt: „´Sie haben nicht die Karten in der Hand.’“

Damals war es zu einem offenen Schlagabtausch zwischen beiden Präsidenten gekommen. Er sei der Meinung, Selenskyj hätte bereits vor einem oder zwei Jahren einem Abkommen zustimmen sollen. „Die beste Einigung wäre gewesen, wenn es nie angefangen hätte.“

Frieden wird nicht von gescheiterten Diplomaten oder Politikern erreicht, die in einer Fantasiewelt leben.

US-Vizepräsident JD Vance

Vizepräsident JD Vance warf Kritikern des US-Plans fehlenden Realitätssinn vor. Wer die Friedenslösung kritisiere, an der derzeit gearbeitet werde, habe sie entweder missverstanden oder verleugne die wahre Lage, schrieb Vance in einem Beitrag auf der Online-Plattform X.

„Es gibt diese Fantasie, wenn wir bloß für mehr Geld, mehr Waffen oder mehr Sanktionen sorgten, wäre der Sieg greifbar“, schrieb der Republikaner. Er schob hinterher: „Frieden wird nicht von gescheiterten Diplomaten oder Politikern erreicht, die in einer Fantasiewelt leben. Er kann von klugen Leuten erreicht werden, die in der realen Welt leben.“

Ein Plan zur Beendigung des Kriegs müsse zwingend drei Kriterien erfüllen, schrieb Vance. Erstens müsse er „das Töten beenden und die Souveränität der Ukraine bewahren“. Zweitens „für Russland und die Ukraine annehmbar sein“. Und drittens „die Chance maximieren, dass der Krieg nicht erneut beginnt“. Mehrere dieser Punkte sehen Kritiker im Friedensvorschlag der US-Regierung nicht erfüllt.

Selenskyj: „Einer der schwersten Momente in der Geschichte unseres Landes“

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj schwor in einer Videoansprache seine Landsleute „auf einen der schwersten Momente in der Geschichte unseres Landes“ ein.

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„Gerade könnte die Ukraine vor einer sehr schweren Wahl stehen: Entweder die Würde verlieren oder das Risiko eingehen, den Schlüsselpartner zu verlieren. Entweder die schwierigen 28 Punkte (des US-Friedensplans) oder ein äußerst schwerer Winter“, sagte der Staatschef zum „Tag der Freiheit und Würde“, der an den Beginn der prowestlichen Demonstrationen 2004 und 2013 erinnert. 

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Selenskyj bestätigte später, den Plan in einem knapp einstündigen Gespräch mit US-Vizepräsident JD Vance besprochen zu haben. „Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir gemeinsam mit Amerika und Europa auf Beraterebene arbeiten werden, um einen wirklich arbeitsfähigen Weg zum Frieden zu haben“, schrieb der Staatschef auf sozialen Netzwerken. Gleichzeitig würdigte er erneut das Engagement von Trump.

In seiner Videobotschaft versicherte der Präsident zudem: „Wir werden dem Feind keinen Anlass geben zu sagen, dass die Ukraine keinen Frieden wolle, dass sie den Prozess sabotiere und nicht zu Diplomatie bereit sei.“ Er zähle dabei auf die Unterstützung der „europäischen Freunde“. (dpa/AFP/Reuters)