
AUDIO: Małgorzata Mirga-Tas stellt im Kunstmuseum Wolfsburg aus (4 Min)
Stand: 22.11.2025 12:36 Uhr
Die polnische Künstlerin Małgorzata Mirga-Tas hat bereits auf der Biennale in Venedig für Aufsehen gesorgt. Jetzt wird im Wolfsburger Kunstmuseum – und damit erstmals in Deutschland – eine umfangreiche Ausstellung mit ihren Arbeiten gezeigt.
In der Ausstellung „Małgorzata Mirga-Tas. Eine alternative Geschichte“ im Kunstmuseum Wolfsburg schaut eine ältere Frau von einem riesigen Textilbild, das von der Decke hängt. Es ist ein Porträt der mazedonischen Roma-Sängerin Esma Redžepova, die von Roma in ganz Europa verehrt wird. Vor die Lippen hält sie einen Zeigefinger.
Zweites Leben für gebrauchte Textilien
Während die Gesichtszüge, Hände und Arme der Sängerin auf Stoff gezeichnet sind, bestehen das seidig-glänzende Kleid und der Hintergrund aus bunten Stoffbahnen. „Sämtliche Textilien, die ich nutze, sind gebraucht. Ich verleihe ihnen in meinen Arbeiten quasi ein zweites Leben“, erzählt Mirga-Tas. „Manche stammen von Familienmitgliedern, andere von Freunden, wieder andere habe ich aus dem Second-Hand-Laden. Ich bekomme Gardinen, Bettwäsche, Kleidungsstücke – alles Mögliche.“ Auf diesem Bild ist der Himmel ein bunt-geblümter Bettbezug. Das wallende Kleid ist aus Satin-Bettwäsche. Die hügelige Landschaft im Hintergrund könnte ein Tischtuch sein.

Małgorzata Mirga-Tas ist davon überzeugt, dass die Stoffe, aus denen ihre Bilder sind, noch Energien der früheren Besitzerinnen tragen.
Die künstlerische Technik von Małgorzata Mirga-Tas ist stets die textile Collage. Die Patchwork-Nähereien ihrer Serie „Her-Story“ zeigen laut Mirga-Tas Porträts berühmter Roma-Frauen, aber auch Romnia aus ihrem direkten Umfeld – Großmütter, Tanten und Freundinnen. „Ich weiß ganz genau, von wem welches Stoffteil in den Bildern stammt. Sie sind gleichsam aufgeladen mit der Persönlichkeit und dem Geist der Frauen, die sie einst besaßen“, betont die 47-Jährige.
Dinge in einem Heilungsprozess zusammenbringen
Die Technik des Nähens ist gelebte Praxis vieler Frauen in den Roma-Communities, sagt Andreas Beitin, Direktor des Kunstmuseums Wolfsburg. Mit den Patchwork-Bildern verfolge die Künstlerin eine höhere Idee, erklärt er. Sie wolle Dinge in einem Heilungsprozess zusammenbringen. „Daraus entstehen dann diese großformatigen Bilder, die eben in einer unglaublichen Intensität und Farbenpracht hier auf einen einwirken. Letztendlich geht es darum, durch dieses Solidarische die Gemeinschaft zu stärken“, so Beitin.

Die Sozialpädagogin engagiert sich seit Jahren mit Projekten für gesellschaftliche Teilhabe von Sinti und Roma. Ein Gespräch.
Italienisches Fresko als Vorbild
Zuerst setzt Mirga-Tas die Stücke per Hand zusammen und fixiert sie mit Stecknadeln. Dann lässt sie sie von drei Frauen aus ihrem Heimatort in der polnischen Tatra zusammennähen. So hat sie auch im Bilder-Zyklus „Re-enchanting the World“ gearbeitet. Ein großer Teil des Zyklus ist jetzt in Wolfsburg zu sehen. 2022 vertrat Mirga-Tas damit Polen auf der 59. Biennale von Venedig – als erste Roma-Künstlerin überhaupt, die ein Land auf der weltweit wichtigsten Kunstausstellung repräsentierte.

Im Bilderzyklus „Re-enchanting the World“ entzaubert Małgorzata Mirga-Tas gängige Klischees über Roma.
Die Installation basiert auf einem Fresko im Palazzo Schifanoia im norditalienischen Ferrara, das olympische Götter, Tierkreiszeichen und Hofszenen darstellt. Małgorzata Mirga-Tas interpretiert die historischen Motive auf unglaublich detailreiche Weise neu. Sie hinterfragt in der opulenten Textil-Collage stereotype Vorstellungen über die Roma und entzaubert gängige Klischees.
Frischer Blick auf Unbekanntes
Die Künstlerin präsentiert so ihre eigene Sicht auf die jahrhundertelange Geschichte der Verfolgung, Ausgrenzung und Diskriminierung von Roma, erzählt der Direktor. „Eine komplexe, ganz wunderbare Verwebung von historischen Elementen, Sternzeichen und Menschen, die ihr wichtig sind. Aber auch das alltägliche Leben wird von ihr wunderschön mit den Stoff-Collagen dargestellt“, sagt Beitin.
Małgorzata Mirga-Tas verbindet in ihren textilen Werken spielerisch Vergangenheit und Gegenwart, indem sie Geschichten über Familie, Gemeinschaft, Solidarität und Selbstermächtigung erzählt. Es ist, wie der Titel der Schau bereits andeutet, eine alternative Geschichte, die einen ganz anderen, frischen Blick auf eine für viele Menschen unbekannte Kultur eröffnet.

Der 8. April ist der Internationale Tag der Roma. Ihre Darstellung in der Literatur war lange eindimensional und von Vorurteilen behaftet.

Ein Gespräch mit der Schauspielerin Taisiya Schumacher, die den ersten Podcast von und mit jungen Sinti und Roma realisiert.

Im Mittelpunkt dieser Doku steht der elfjährige Santino, dessen Famile seit Generationen durch Deutschland tingelt.

Minimal Art, Concept Art und Arte Povera markieren den zeitlichen Beginn der Sammlung im Wolfsburger Kunstmuseum.

„Wiederverzauberte“ Welt von Małgorzata Mirga-Tas in Wolfsburg
Das Kunstmuseum zeigt farbenprächtige Textilkunst über Roma-Geschichte und Identität. Die Ausstellung ist erstmals in Deutschland zu sehen.
- Datum:
- 22.11.2025, 11:00 Uhr
- Ende:
- 15.03.2026
- Ort:
-
Kunstmuseum Wolfsburg
Hollerplatz 1
38440
Wolfsburg