Präsident Trump erwartet bis Donnerstag die Zustimmung der Ukraine zu seinem Friedensplan. Kiew hofft, am Sonntag in der Schweiz bessere Bedingungen aushandeln zu können, und setzt dabei auch auf die Hilfe der Europäer.

22.11.2025, 16.52 UhrAktualisiertDonald Trump und Wolodimir Selenski im Weissen Haus. (18. August 2025)Donald Trump und Wolodimir Selenski im Weissen Haus. (18. August 2025)

Aaron Schwartz / Imago

Eine amerikanische Delegation wird am Sonntag in Genf mit ukrainischen Vertretern über den 28-Punkte-Plan von Präsident Donald Trump verhandeln. Das bestätigte ein US-Beamter, der namentlich nicht genannt werden wollte, gegenüber der NZZ. Die Ukraine werde mit den amerikanischen Verhandlungsführern die letzten Details ausarbeiten. Bereits am Montag wollen die Amerikaner Genf wieder verlassen.

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Geleitet wird die amerikanische Delegation vom Heeresminister und neuen Ukraine-Beauftragten Dan Driscoll, der am Samstag in Genf landete. Driscoll hatte am Donnerstag den Friedensplan dem ukrainischen Präsidenten Selenski offiziell übergeben. In Genf dazustossen sollen am Sonntag noch Aussenminister Marco Rubio und Trumps Sondergesandter Steve Witkoff.

Dann soll laut dem US-Beamten alles schnell gehen: Nach den Genfer Gesprächen wollen die Amerikaner in den kommenden Tagen russische Verhandler treffen. Danach wiederum wolle Trump mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski eine Vereinbarung unterzeichnen. Dabei solle Russland nicht anwesend sein, aber der Vereinbarung ebenfalls zugestimmt haben.

«Diese Shuttle-Diplomatie ist bizarr», sagte der Schweizer Diplomat Thomas Greminger auf Anfrage. Irgendwann müssten im Verhandlungsprozess möglichst alle Parteien an einem Tisch sitzen. Greminger leitet das Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik und vermittelt im Ukraine-Krieg hinter den Kulissen. Immerhin werde nun ernsthaft verhandelt, sagte er.

Trump setzt Ukraine Frist

Der Druck auf Kiew ist gross. Präsident Trump hat der ukrainischen Führung bis kommenden Donnerstag Zeit gegeben, dem Friedensplan, der unter anderem die faktische Abtretung eines Fünftels des ukrainischen Territoriums vorsieht, zuzustimmen. Andernfalls würden die USA unter anderem die Militärhilfe für das Land einstellen.

Am Samstag relativierte Trump allerdings ein wenig die Endgültigkeit der Frist: Die Deadline könnte verlängert werden, «wenn die Dinge gut laufen», sagte der amerikanische Präsident am Samstag gegenüber Journalisten im Weissen Haus.

Der erwähnte US-Vertreter wehrt sich gegen den Vorwurf, die USA wollten der Ukraine einen für diese inakzeptablen Plan aufzwängen. Die Amerikaner würden sehr hart dafür arbeiten, die Ukraine in die bestmögliche Position zu versetzen, sagte er.

Präsident Selenski jedenfalls kann es sich nicht leisten, den Plan zurückzuweisen. Er wolle den Feinden der Ukraine keinen Vorwand für die Behauptung geben, dass sein Land keinen Frieden wolle, sagte er in einer Videoansprache am Freitag. Die Ukraine werde mit den USA über den Plan verhandeln.

Keine offizielle Bestätigung aus Bern

Am Samstagmittag hatte bereits die Ukraine ein Treffen bestätigt. Der Vorsitzende des Sicherheitsrats und frühere Verteidigungsminister Rustem Umerow teilte auf Facebook mit, dass in den kommenden Tagen hochrangige Delegationen aus der Ukraine und den USA in der Schweiz über den Friedensplan verhandeln würden. Die Ukraine werde weiterhin verantwortungsvoll, professionell und kohärent handeln – wie es die nationale Sicherheit erfordere, schrieb Umerow.

Davor hatte das Präsidialbüro die Zusammensetzung einer Delegation bekanntgegeben, die mit den USA, anderen Partnern der Ukraine sowie Vertretern der Russischen Föderation Friedensverhandlungen führen soll.

Geleitet wird das ukrainische Verhandlungsteam von Stabschef Andri Jermak. Bei allen anderen Mitgliedern handelt es sich um hochrangige Vertreter aus den Sicherheitsdiensten und dem Verteidigungsbereich. Neben Umerow ist etwa auch der Chef des Militärgeheimdiensts, Kirilo Budanow, Teil der Delegation.

Die Schweiz unterstütze jede Friedensinitiative für die Ukraine, heisst es in einer Stellungnahme aus Bern. Das Aussendepartement sei im Kontakt mit allen Seiten und stehe zur Verfügung, um Gespräche und Treffen zu ermöglichen. Der US-Vertreter dankte der Schweiz ausdrücklich für ihre Rolle als Gastgeber der Genfer Gespräche.

Die Europäer wollen mitreden

Auch Vertreter europäischer Staaten wollen in Genf mit den USA und der Ukraine über den Friedensplan verhandeln.

Die Europäer pochen auf ein Mitspracherecht. Der amerikanische Plan war ohne Rücksprache mit der EU und der Nato ausgearbeitet worden. Allerdings sagte der erwähnte US-Vertreter der NZZ, dass kein Treffen mit europäischen Vertretern geplant sei.

Selenski hatte am Freitag mit dem deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz, Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron und dem britischen Premierminister Keir Starmer telefoniert und um ihre Hilfe gebeten. Selenski hofft, mit europäischer Unterstützung bessere Bedingungen aushandeln zu können.

Die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten europäischen Lander befinden sich zurzeit alle am G-20-Gipfel in Südafrika. Dort fand am Rande am Samstag ein Treffen statt, um mit Blick auf Trumps Friedensplan das weitere Vorgehen zu koordinieren. Neben Deutschland, Frankreich und Grossbritannien nahmen daran auch Japan, Kanada, Italien, Spanien, Norwegen, die Niederlande, Finnland, Irland sowie die Spitzen der EU teil.

In einer gemeinsamen Stellungnahme stellten die Regierungschefs fest, dass der von Trump vorgeschlagene Friedensplan «eine Grundlage darstellt, die weitere Arbeit verlangt». Grenzen dürften nicht durch Waffengewalt verschoben werden. Die Europäer dürften versuchen, die Forderung des neuen Grenzverlaufs zu relativieren. Ein Waffenstillstand könnte basierend auf den derzeitigen Gebietsgewinnen geschehen, aber das wäre nur zum Auftakt der Gespräche und nicht eine finale Einigung, schrieb «Politico» unter Berufung auf EU-Kreise.

Ziel der Erklärung dürfte unter anderem sein, Präsident Selenski Rückhalt zu signalisieren, selbst für den Fall, dass die USA ihm den Rücken zukehren sollten. Die Europäer dürften aber auch verärgert gewesen sein über die Rolle, die die Amerikaner für die EU und die Nato vorsehen. Für solche Pläne benötige es die Zustimmung der jeweiligen Mitgliedsländer, heisst es in der Stellungnahme. «Wenn die Ukraine diesen Krieg verliert und womöglich zusammenbricht, wird das Auswirkungen auf die Gesamteuropäische Politik haben, für den gesamten Kontinent», sagte der deutsche Kanzler Friedrich Merz am Rande des G-20-Gipfels.

Vor den ersten direkten Gesprächen zwischen der Ukraine und Russland im Mai war es den wichtigsten europäischen Partnern Kiews dank einem gemeinsamen Auftreten gelungen, zumindest vorübergehend auf die amerikanische Position einzuwirken. Inwiefern dies auch dieses Mal möglich sein wird, ist allerdings offen.

Korruptionsaffäre wirft ihre Schatten

Präsident Selenski schwor seine Landsleute am Freitag in der Videoansprache auf schwierige Zeiten ein. Das Land befinde sich an einem der kritischsten Punkte seiner Geschichte und könnte bald vor einer sehr schwierigen Entscheidung stehen: entweder seine Würde zu verlieren oder den Verlust eines Schlüsselpartners zu riskieren. Dabei appellierte er an den nationalen Zusammenhalt aller Kräfte.

Selenski ist wegen des jüngsten Korruptionsskandals stark angeschlagen. Viele Stimmen in der Ukraine fordern weitreichende personelle Veränderungen, auch im Umfeld des Präsidenten. Besonders häufig genannt wird dabei der Stabschef Andri Jermak, der nun die Verhandlungsdelegation anführen soll.

Auch der Name Umerows, des Chefs des Sicherheitsrats, tauchte im Zusammenhang mit dem jüngsten Skandal auf. Es gab sogar Gerüchte, Umerow habe für eine Amnestieklausel im Friedensplan geworben, damit ihm allfällige Unregelmässigkeiten bei Rüstungsgeschäften aus der Zeit als Verteidigungsminister nicht angelastet werden könnten. Umerow dementierte dies allerdings.

Die Zusammensetzung der Verhandlungsdelegation ist deshalb auch ein innenpolitisches Signal. Selenski hält an seinen Vertrauten fest. Die Aufarbeitung des Korruptionsskandals muss angesichts der äusseren Gefahr warten.