Das Sein bestimmt das Bewusstsein – jedenfalls an der Oberfläche. Hatte Donald Trump den frischgebackenen Bürgermeister von New York vor wenigen Tagen noch als personifizierte Kommunismus-Plage für seine Heimat-Metropole abgestempelt, so zeigte der US-Präsident bei der ersten Visite Zohran Mamdanis im Weißen Haus ein ganz anderes Gesicht. „Er hat etwas ausgefallene Ansichten, aber wer weiß“, sagte der Gastgeber (sitzend) über seinen über 40 Jahre jüngeren Gast (stehend), und fügte hinzu: „Ich glaube, er wird einige konservative Leute tatsächlich überraschen. Ich bin zuversichtlich, das er einen guten Job machen wird. Wir sind uns in viel mehr Punkten einig, als ich gedacht hätte“, sagte der Präsident nach einem gut 40-minütigen Gespräch, um das Mamdanie gebeten hatten.

„Wir sind uns in viel mehr Punkten einig, als ich gedacht hätte“
Mamdani, wenn er denn über das präsidiale, fast väterliche Lob überrascht gewesen sein sollte, ließ sich nichts anmerken und gab die Nettigkeiten zurück: „Wir hatten ein produktives Meeting. Wir sind klar über unsere Ansichten. Aber wir haben uns nicht auf die vielen Meinungverschiedenheiten konzentriert.”
Trump warnt nach Sieg Mamdanis in New York vor Kommunismus in den USA
Gesprochen habe man über gemeinsame Ziele wie den Bau von Wohnungen und die Senkung der Lebensmittelpreise. Dass Mamdani Trump noch in der Wahlnacht einen Despoten nannte, steckt Trump anscheinend locker weg. „Ich wurde schon viel schlimmer als Despot bezeichnet, daher ist das nicht besonders beleidigend.“
Auch vitriolhaltige Kommentare über das Weltbild des demokratischen Sozialisten versagte sich der 79-Jährige, dem er einen „unglaublichen Wahlkampf” und einen großen Sieg bescheinigte. Trumps Fazit für den Augenblick: „Je besser er arbeitet, desto glücklicher bin ich. Ich gehe davon aus, dass ich ihm helfen, nicht schaden werde.“
„Je besser er arbeitet, desto glücklicher bin ich“
Mamdani, der mit gefaltenen Händen den Worten des Hausherrn lauschte und gütig auf ihn herabsah, hatte das Konfliktpotenzial rechtzeitig mit staatstragenden, politisch überall anschlussfähigen Sätzen heruntergespielt: „Ich weiß, dass dieses Treffen für Zehntausende New Yorker ein Treffen zwischen zwei sehr unterschiedlichen Kandidaten ist, die sie aus dem gleichen Grund gewählt haben“, sagte Mamdani am Vortag. „Sie wollten einen Führer, der sich der Krise der Lebenshaltungskosten annimmt, die es arbeitenden Menschen unmöglich macht, sich das Leben in der Stadt zu leisten.“

Wo er ist, ist die nächste Menschenmenge nicht weit: Zohran Mamdani hat in New York große Erwartungen ausgelöst.
© Getty Images via AFP | Michael M. Santiago
Kurz vor der Visite hat auch Trump einmal mehr die Farbe gewechselt. Man werde „gut miteinander auskommen”, sagte der Präsident plötzlich, schließlich wolle man „dasselbe”. „Wir wollen New York stark machen, und wissen Sie, es gibt einfach so unterschiedliche Philosophien.”
Das hörte sich kurz vor und nach der historischen Wahl in New York, die Mamdani mit 50,4 Prozent der Stimmen und der gewaltigsten Wahlbeteiligung seit über 50 Jahren ins Amt spülte, noch ganz anders an. „Ich bin fest davon überzeugt, dass New York City eine vollständige wirtschaftliche und soziale Katastrophe erleben wird, sollte Mamdani gewinnen“, schrieb der Präsident Anfang November in sozialen Medien und flehte die Wähler im „Big Apple” förmlich an, nur ja dem ehemaligen demokratischen Gouverneur des Bundesstaates New York, Andrew M. Cuomo, den Vorzug zu geben. Ein Fehlinvestition. Cuomo blieb chancenlos.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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Viele Wähler sagten nach der Stimmabgabe, dass Trumps Einmischungsversuche eine Rolle für sie gespielt hätten. Der Präsident, der am Freitag geradezu handzahm war, würdigte den links-progressiven Jungstar der Demokraten damals mehrfach als Kommunisten herab, drohte indirekt mit seiner Verhaftung und widersprach Rechtsextremen in seiner Maga-Gemeinde nicht, die sogar die Abschiebung des 34-Jährigen gefordert hatten, der in Uganda geboren ist.

Ex-Gouverneur Andrew Cuomo war Trumps Liebling in New York, als er noch hoffte, Mamdani verhindern zu können. Am Freitag war keine Rede mehr von dem Demokraten
© AFP | TIMOTHY A.CLARY
Mamdani, im Wahlkampf als emphatischer Zuhörer bekannt geworden, der unstillbare Fröhlichkeit verströmt, reagierte deutlich auf die Invektiven des gebürtigen New Yorkers. „Donald Trump, da ich weiß, dass Sie zuschauen, habe ich vier Worte für Sie“, sagte er am Abend seines Wahlsieges. „Drehen Sie die Lautstärke (am Fernseher – d. Red.) auf.“ Mamdani sagte, Trump sei die Verkörperung dessen, was New York City plagt; die Oberhoheit der Eliten und Reichen „Wenn jemand einer von Donald Trump betrogenen Nation zeigen kann, wie man ihn besiegt, dann ist es die Stadt, die ihn hervorgebracht hat“, sagte Mamdani unter dem Jubel seiner Anhänger.
Von dieser latenten Militanz war am Freitagnachmittag nichts mehr zu spüren. Mamdani ließ seinen Charme spielen, mit dem er oft selbst härteste Kritiker für sich einzunehmen versteht. Trump wollte den Anschein vermeiden, seiner Heimatstadt aktiv schaden zu wollen, in dem er weiter den Eindruck erweckt, New York von den Finanzströmen der Bundesebene abkoppeln zu wollen.