Die Chemie stimmte zwischen Katja Kullmann (links) und Elisabeth Maier. Foto: Roberto Bulgrin
Mit gesellschaftspolitischen Sachbüchern wie „Generation Ally“ hat sich Katja Kullmann einen Namen gemacht. In Esslingen stellte sie nun ihren ersten Roman „Stars“ vor.
Mit der Astrologie ist das so eine Sache: Manche lassen ihren Lebensweg nur zu gerne von den Gestirnen beeinflussen – andere finden den Gedanken eher befremdlich, dass Sterne und Planeten Einfluss auf das Leben und das Schicksal von Menschen haben könnten. Doch wie man es auch dreht und wendet: Astrologie kann ein ziemlich einträgliches Geschäft sein. Davon erzählt die Autorin Katja Kullmann in ihrem neuen Roman „Stars“, den sie nun bei den Esslinger Literaturtagen Lesart vorstellte. Gemeinsam mit der Journalistin Elisabeth Maier, die die Lesung moderierte, bescherte sie dem Publikum einen unterhaltsamen Abend.
Die einen studieren Horoskope in Zeitungen und Zeitschriften, andere bevorzugen Astro-Shows im Fernsehen und wieder andere holen sich gegen oft stattliche Honorare Vorhersagen bei professionellen Sternendeutern. Darüber, was das Geheimnis der Astrologie ist, lässt sich trefflich streiten. Vielleicht liegt es ja daran, dass viele Horoskope genügend Interpretationsspielraum lassen, damit sich jeder das, was ihm in den Kram passt, herauspicken kann.
Das Spiel mit Motiven aus der Astrologie macht Katja Kullmann sichtlich Spaß. Foto: Roberto Bulgrin Horoskope erheitern das Esslinger Publikum
Wie unterschiedlich die Vorhersagen ausfallen können, zeigte Elisabeth Maier in einem vergnüglichen Streifzug durch verschiedene Horoskope, die in ein und demselben Zeitraum teils recht unterschiedliche Vorhersagen für Katja Kullmann boten. Über einen Ratschlag eines Sterndeuters konnten sich die Autorin und ihr Publikum köstlich juxen: Sie möge ihrem Leben doch mal eine neue Wendung geben und es mit Basteln oder Schreiben versuchen …
Das muss der erfolgreichen Autorin freilich schon lange keiner mehr raten. Mit gesellschaftspolitischen Sachbüchern wie „Generation Ally. Warum es heute so kompliziert ist, eine Frau zu sein“, hat sie sich einen Namen gemacht – mit „Stars“ (Hanser Berlin, 24 Euro) hat Katja Kullmann nun ihren Debütroman vorgelegt. Und der hat auf Anhieb große Beachtung gefunden. Ich-Erzählerin ist eine gewisse Carla Mittmann – einst eine hoffnungsvolle Philosophiestudentin, die irgendwann im Kundenservice eines Möbelunternehmens gestrandet ist. Mit Online-Horoskopen, die sie unter dem Pseudonym Cosmic Charly verhökert, verdient sie sich ein kleines Zubrot – sie selbst glaubt kein bisschen daran, dass ihr die Sterne Verlässliches über ihr Leben und ihre Zukunft vorhersagen könnten.
Das Romanende macht Lust aufs Selberlesen
Das Geschäft plätschert mehr schlecht als recht vor sich hin, bis Carla eines Tages einen Schuhkarton mit 10 000 Dollar in kleinen gebrauchten Scheinen findet. Ein Zeichen des Universums? Jedenfalls packt sie die Gelegenheit beim Schopf, setzt alles auf eine Karte, steigt in großem Stil ins Astro-Geschäft ein und macht als „Astrophilosophin“ Karriere. Doch je mehr sie sich in der Sterndeuterei verliert, desto unsicherer wird Carla: Haben die Gestirne vielleicht doch mehr Einfluss auf ihr Leben, als sie es bislang wahrhaben wollte … ?
Katja Kullmann hält es wie ihre Protagonistin mit dem Philosophen Theodor W. Adorno, der nach einer Studie über Zeitungshoroskope in der Los Angeles Times zu dem Schluss kam, dass der Glaube an Horoskope ein Symptom der Ohnmacht des Individuums in der Gesellschaft sei. Dazu passt Kullmanns Zeitdiagnose, dass sich diese These spätestens seit der Coronazeit immer deutlicher bestätigt. Doch trotz ihrer Distanz gegenüber der Astrologie nähert sich die Autorin ihrer Protagonistin nicht von oben herab, sondern mit nachsichtiger Sympathie – so, wie es auch Carla mit ihren Klienten gut meint und ihnen sogar ein Stück Lebenshilfe bieten möchte.
Das Ende ihres Romans lässt Katja Kullmann bei der Lesart offen. Foto: Roberto Bulgrin
„Mich hat die Verführung interessiert, der sich Carla hingibt“, verriet Kullmann, die in ihrem Buch virtuos mit Worten spielt. Die Autorin verhehlt nicht: „Es hat mir Spaß gemacht, mit Motiven aus der Astrologie zu spielen.“ Wie die Geschichte endet, blieb im Kutschersaal offen. Elisabeth Maier verriet nur: „Das Ende der Geschichte ist eines der stärksten, das ich je gelesen habe. Der Leser erfährt in diesem Buch viel über die Menschen und über die Zeit, in der wir leben.“