Farbenfroh und voller Humor: Sighard Gille
Sighard Gille hat sich fest ins Kulturleben und Stadtbild von Leipzig eingeprägt. Wer vor dem weltberühmten Gewandhaus steht (am besten bei Nacht), kann sein Deckengemälde durch die angeschrägte Glasfassade sehen. Beziehungsweise einen Teil davon, immerhin gilt es als eines der größten Deckengemälde in ganz Europa. Um es in ganzer Pracht betrachten zu können, müssen sich Interessierte durch das halbe Foyer bewegen und mehrere Treppen überwinden.
Unten wird ein Orchester mit zahlreichen Anspielungen an Bach und Masur gezeigt. Dann wird es düster mit gedeckten Farben, Motiven über Tod und Gewalt. Darüber gibt es eine Stadtansicht, ein regelrechtes Wimmelbild, in das sich das sozialistische Ideal lesen lässt, aber durchaus auch Kritik und eine Betonung des persönlichen vor dem kollektiven Glück. Und schließlich gibt es eine Szene aus Arkadien (die man auch von außen sehen kann): Antike Götter, die ganz menschlich wirken, blicken wohlwollend auf die Welt. Das alles ist der „Gesang vom Leben“.
Sighard Gille wurde in Eilenburg geboren. Er absolvierte zunächst eine Ausbildung als Fotograf und übernahm in dieser Tätigkeit verschiedene Auftragsarbeiten. Von 1965 bis 1970 studierte er schließlich Malerei an der Leipziger Kunsthochschule, unter anderem bei Heisig, Mattheuer und Tübke. Somit gehört Gille zur zweiten Generation der Leipziger Schule.
Der Künstler schuf lieber Kunst, als über Kunst zu reden. Zumindest ist wenig über seinen Zugang zu seinen Bildern bekannt. Vielleicht auch, weil er der Doktrin des Staates nur bedingt folgte. Er malte zwar realistisch, in späteren Jahren auch mal expressionistisch, doch seine Figuren wirkten selten heroisch, sondern vielmehr hedonistisch. Seine Bilder sprühten oft vor Farbe, die Motive hatten häufig etwas Bissiges wie das Doppelbild der ausgelassenen Brigadefeier und den gebückt arbeitenden Gerüstbauern.
Auch eine Betonung des Privaten lässt sich immer wieder beobachten, wie bei dem Liebespaar im Gewandhaus-Deckengemälde. Im Zentrum seiner Bilder standen meistens Menschen in recht konkreten Situationen, die zum Sinnbild für die aktuelle Situation wurden. Vor wenigen Jahren erst malte Gille eine Bilderserie, in der Clowns auf der Welt herumtrampeln – die Interpretation bleibt dem Publikum überlassen.
Der Eremit aus Thüringen: Gerhard Altenbourg
Aus der Provinz heraus schuf er Kunst, die in der ganzen Welt auf Interesse stieß: Gerhard Altenbourg wurde eigentlich als Gerhard Ströch in Rödichen-Schnepfenthal bei Gotha geboren. 1929 zog die Predigerfamilie nach Altenburg. Bis zum Ende seines Lebens blieb der Künstler der kleinen Stadt verbunden – wie sich nicht zuletzt an seinem Namen deutlich wird. Anfangs wollte Altenbourg Schriftsteller werden, wendete sich aber dann doch dem Malen zu. In seinem Gesamtwerk verbindet sich beides: Die Titel sind besonders wichtig für seine eher kryptischen Werke und eröffnen einen Gedankenraum. Zu einigen Werken sind auch Texte entstanden, und Altenbourg hat mehrere Künstlerbücher geschaffen.
1944 wurde Altenbourg eingezogen und schwer verwundet. Im Lazarett überlebte er den Zweiten Weltkrieg. Die Erfahrungen sollten sein Künstlerleben prägen. Wichtige Vorbilder waren für ihn die Kunstschaffenden der Zwischenkriegsjahre, beispielsweise Otto Dix. Nach dem Krieg begann er, an der Hochschule für Baukunst und bildende Künste in Weimar zu studieren. Er musste die Institution vorzeitig verlassen, weil er sich zu sehr um die Kunst bemühte und sich zu wenig in die Gesellschaft einbrachte.
Er zog sich in das Elternhaus zurück, wo er an seinem Werk arbeitete. Mäzene aus der BRD ermöglichten ihm sein eremitisches Künstlerleben, er wurde aber auch von Freunden vor Ort unterstützt, wie dem Chemnitzer Künstler Thomas Ranft. In der DDR selbst wurde Altenbourg lange Zeit nicht beachtet, immerhin passte sein Stil nicht in die Vorstellungen der Partei. Erst Ende der 80er-Jahre wurden seine Werke auch in der DDR gezeigt. 1989 starb der Künstler bei Meißen in Folge eines Autounfalls.
Zentral für das Schaffen von Gerhard Altenbourg ist die Linie. Der Künstler nutzte und kombinierte für seine Bilder verschiedene Techniken: Er arbeitete auf Papier mit Tusche, Kreide, Aquarellfarben und Bleistift, schuf Lithografien und Holzschnitte. In seinen Bildern überlagern sich Linien, aus denen konkretere Formen entstehen. Oft malte Altenbourg Landschaften, doch zahlreiche Bilder zeigen auch menschliche Gestalten, die aber immer etwas Mystisches an sich haben.
Konzeptkunst aus dem Untergrund
Kampf gegen die Enge: Cornelia Schleime
Von Anfang an fühlte Cornelia Schleime eine Enge – und eckte mit ihrer künstlerischen Antwort auf diese Enge immer wieder an: Schleime begann verschiedene Ausbildungen, bevor sie 1975 das Studium an der Dresdner Hochschule für Bildende Künste aufnahm. Das damals vorherrschende Diktat der DDR-Kunstpolitik lehnte sie ab. Stattdessen malte sie Wolken und Himmel, was sie bereits verdächtig machte. Kurz vor Ende ihres Studiums Anfang der 80er-Jahre setzte sie bereits ein erstes starkes Zeichen: In einer Ausstellung baute sie mit alten Türen das Zimmer eines namenlosen Künstlers nach. Die Installation war eindeutig auch eine Anklage auf fehlende Freiheiten. Bald wurde Schleime mit einem Ausstellungsverbot belegt, und 1984 sollte sie aus der DDR ausreisen. Ihre damaligen Arbeiten ließ sie zurück.
Auch formell ließ sich Schleime nicht einengen: Neben Gemälden und Installationen drehte sie Filme auf Super 8, die beispielsweise das Eingesperrtsein thematisierten. Zu Studienzeiten gründete sie die Punkband „Zwitschermaschine“ mit, in der sie sang und für die sie Texte schrieb. 2008 erschien auch ihr literarisches Debüt „Weit fort“ über eine Künstlerin, deren Freund sie ausspähte und an die Stasi berichtete. Das ist auch Schleime selbst widerfahren, wie sich 1990 herausstellte. Diese Entdeckung in den eigenen Stasi-Akten reflektierte Schleime bereits künstlerisch, indem sie auf kopierte Unterlagen Fotos druckte, auf denen sie sich in surrealen Situationen porträtierte.
Kunst und Leben waren für Schleime immer eng verbunden, wie sie selbst erklärte. Ihre künstlerischen Arbeiten können immer auch als Reaktion auf politische oder gesellschaftliche Entwicklungen gelesen werden, die die Künstlerin beschäftigten. Für ihre Bilder nutzt sie Mischtechniken, in denen sie Aquarell- und Acrylfarben mit Schellack kombiniert. So erhalten ihre Arbeiten einen besonderen Farbton. Schleime arbeitet viel mit Modellen und malte immer figurativ. Oft stehen Frauen im Zentrum ihrer Bilder, die sich mit Macht und Körperpolitik auseinandersetzen.