Im Ringen um einen Friedensplan für die Ukraine gibt es Fortschritte: Die USA und die Ukraine haben in Genf einen überarbeiteten Entwurf erstellt und wollen die Arbeit daran in den kommenden Tagen mit europäischen Partnern fortsetzen.
US-Außenminister Marco Rubio sprach von „enormen Fortschritten“ und fügte an, dass die noch offenen Punkte „nicht unüberwindbar“ seien. Es brauche nur mehr Zeit. „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir es schaffen werden.“ Zwar wünsche er sich einen Abschluss bis Donnerstag – doch „ob Donnerstag, Freitag, Mittwoch oder Montag kommende Woche“ sei nachrangig. „Wir wollen, dass es bald passiert“, sagte Rubio und weichte damit eine ursprünglich von US-Präsident Trump gesetzte Frist wieder auf.
Auch Deutschlands Außenminister Johann Wadephul sieht Fortschritte. Aus dem ursprünglichen Friedensplan seien alle Fragen, die Europa und die Nato betreffen, entfernt worden. „Das ist ein entscheidender Erfolg, den wir gestern erzielt haben“, sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk. Der derzeitige Frontverlauf müsse Ausgangspunkt für Verhandlungen und nicht deren Endpunkt sein.
Sicherheitsgarantien, Schutz der Infrastruktur, Zukunftsperspektiven
Zu den offenen Fragen zähle die künftige Rolle der EU und der Nato und die Sicherheitsgarantien. Das Ergebnis müsse nun der russischen Seite vorgelegt werden, die dem Plan zustimmen müsse. Bislang hat sich Moskau zu keinen Zugeständnissen bereiterklärt.
In einer Erklärung aus dem Weißen Haus hieß es, dass die Ukraine mit der gemeinsam überarbeiteten Version des Friedensplans zufrieden sei und die wichtigsten Interessen des Landes darin widergespiegelt sehe. Der Entwurf umfasse den Vertretern aus Kiew zufolge „kurz- und langfristige, glaubwürdige und durchsetzbare Mechanismen zum Schutz der ukrainischen Sicherheit“, teilte die US-Regierung im Namen von US-Präsident Donald Trump am Sonntagabend (Ortszeit) mit.
Alle Hauptanliegen der Ukraine seien während des Treffens umfassend behandelt worden, hieß es in der Mitteilung weiter. Diese umfassen demnach:
- Langfristige wirtschaftliche Zukunftsperspektiven
- Politische Souveränität
Kiew äußerte sich zunächst nicht dazu. In einer kurz zuvor veröffentlichten gemeinsamen Erklärung der beiden Länder waren die Formulierungen zu den Ergebnissen der Gespräche in Genf zurückhaltender gewesen.
Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Rubio hatte der ukrainische Verhandlungsführer Andrij Jermak von einem „sehr produktiven“ ersten Treffen gesprochen, bei dem gute Fortschritte erzielt worden seien. Man bewege sich auf einen gerechten und dauerhaften Frieden zu. Endgültige Entscheidungen würden aber „unsere Präsidenten“ treffen. Jermak bedankte sich bei den USA und Präsident Trump, der laut Rubio sein Einverständnis für den neuen Plan geben werde.
28 Punkte ganz im Sinne Russlands Wenn Dilettantismus und Desinteresse brandgefährlich werden Intrigen, „Schattenoperation“ und Machtkampf innerhalb der US-Regierung
Das ursprüngliche 28-Punkte-Papier kommt Moskau in zentralen Forderungen weit entgegen und überschreitet von Kiew seit langem formulierte rote Linien. So verlangt er von der Ukraine schmerzhafte Zugeständnisse wie die Abtretung großer Gebiete in der Ostukraine an Russland, eine Begrenzung der Truppenstärke und den Verzicht auf einen Nato-Beitritt. Es gibt Hinweise, dass das Papier im Wesentlichen vom Kreml selbst formuliert wurde, auch wenn dies von der US-Regierung nach zunächst widersprüchlichen Aussagen dementiert wurde.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Externen Inhalt anzeigen
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
Laut eines Berichts von „Kyiv Independent“ gibt es innerhalb der Trump-Regierung dabei Intrigen, Machtkämpfe und zerstrittene Fraktionen. So stehe insbesondere Unterhändler Steve Witkoff Russland nahe, führe eine „Schattenoperation“ durch und arbeite dabei mit Vizepräsident JD Vance an Außenminister Rubio und anderen eher Ukraine-freundlichen Offiziellen vorbei. „Das Weiße Haus ist ein Gewirr rivalisierender Fraktionen, von denen jede versucht, ihre Version der Ereignisse als offizielle Regierungslinie darzustellen“, zitiert das Medium einen Insider.
Trumps 28-Punkte-Plan Gabriel warnt vor einem „zweiten Versailles“
Deutschland, Frankreich und Großbritannien hatten am Sonntag Änderungen am US-Friedensplan für die Ukraine vorgelegt. Dabei werden zentrale Punkte des ursprünglichen Plans von Washington abgelehnt.
Die wichtigsten Vorschläge der Europäer:
- Die ukrainische Armee soll in Friedenszeiten auf 800.000 Soldaten begrenzt werden und nicht pauschal auf 600.000.
- Verhandlungen über einen Gebietsaustausch sollen an der derzeitigen militärischen Kontaktlinie beginnen.
- Die Ukraine soll Sicherheitsgarantien der USA in Anlehnung an Artikel 5 der Nato erhalten.
- Die Europäer wollen, dass die russischen Gelder eingefroren bleiben, bis Russland den Schaden in der Ukraine kompensiert hat. Der US-Plan sieht dagegen vor, 100 Milliarden Dollar in einen von den USA geführten Wiederaufbaufonds zu investieren, wobei die USA die Hälfte der Gewinne erhalten würden.
- Ein Nato-Beitritt der Ukraine soll nicht explizit ausgeschlossen werden.
- Es soll keine allgemeine Amnestie für Kriegsverbrechen geben.
- Wahlen in der Ukraine soll es so schnell wie möglich geben, nicht nach „spätestens 100 Tagen“.
So soll die ukrainische Armee in Friedenszeiten auf 800.000 Soldaten begrenzt werden und nicht pauschal auf 600.000, wie es der US-Plan vorsieht. Zudem sollen Verhandlungen über einen Gebietsaustausch an der derzeitigen militärischen Kontaktlinie beginnen. Damit wird die US-Forderung zurückgewiesen, bestimmte Gebiete als „faktisch russisch“ anzuerkennen.
Auch bei der Verwendung der im Westen eingefrorenen russischen Vermögenswerte wurden die ursprünglichen US-Vorschläge deutlich abgeändert. Die Europäer wollen, dass die Gelder eingefroren bleiben, bis Russland den Schaden in der Ukraine kompensiert hat. Der US-Plan sieht dagegen vor, 100 Milliarden Dollar in einen von den USA geführten Wiederaufbaufonds zu investieren, wobei die USA die Hälfte der Gewinne erhalten würden. Die Ukraine soll Sicherheitsgarantien der USA in Anlehnung an Artikel 5 der Nato erhalten.
Norwegens Grenze zu Russland „Wir werden uns verteidigen, und dazu gehört Abschreckung“
Zudem soll ein Nato-Beitritt der Ukraine nicht mehr explizit ausgeschlossen sein und auch keine allgemeine Amnestie für Kriegsverbrechen gewährt werden. Die im US-Plan genannte Frist für Wahlen in der Ukraine innerhalb von 100 Tagen wird ebenfalls nicht genannt. Stattdessen sollen sie nur so „schnell wie möglich“ organisiert werden.
Russland soll allerdings weiterhin wie im US-Plan eine Wiederbelebung der G8-Gruppe der großen Industrienationen in Aussicht gestellt worden. Aus ihr war das Land 2014 nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim verbannt worden.
Streitpunkt: Russische Zentralbankgelder
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hoffte am Sonntagnachmittag auf eine neue Dynamik in den Bemühungen um eine Beendigung des Ukraine-Kriegs.
„Wir formulieren jetzt im Augenblick eine Verhandlungsposition. Und ich hoffe, dass sie so ausfällt, dass sie nicht nur auf der europäischen Seite mit der Ukraine und Amerika zusammen abgestimmt ist, sondern dass sie vor allem die russische Seite dazu bringt, jetzt an den Verhandlungstisch zu kommen“, sagte Merz am Sonntag im ZDF mit Blick auf die Verhandlungen in Genf.
„Wir versuchen jetzt hier ein gemeinsames Paket zu bekommen, mit dem wir dann auch auf die russische Regierung zugehen können. Es wird nicht einfach“, so Merz. „Entscheidend ist jetzt, dass in der Sache Fortschritte erzielt werden und dass Russland vor allem irgendwann endlich wieder an den Verhandlungstisch kommt.“
Washington Weekly Newsletter
![]()
Donald Trump will die USA umkrempeln. Verpassen Sie keine Neuigkeit mehr. Kostenlos jeden Donnerstag per E-Mail – vom US-Team der Tagesspiegel-Redaktion.
Zuvor kritisierte Merz außerdem zentrale finanzielle Aspekte des US-Plans als „nicht akzeptabel“. Die Amerikaner könnten über das in der EU festgesetzte russische Zentralbankgeld nicht verfügen, sagte der CDU-Politiker in einem ARD-Interview nach dem Ende des G20-Gipfels in Johannesburg. Auch die Forderung, noch einmal 100 Milliarden Dollar (87 Mrd. Euro) aus Europa draufzulegen, sei nichts, was aus deutscher Sicht zustimmungsfähig sei.
Merz verwies zudem darauf, dass die EU derzeit plane, das in der Europäischen Union festgesetzte russische Vermögen für ein Darlehen an die Ukraine zu nutzen, um dieser weitere Waffenkäufe zu ermöglichen. Nach internen Brüsseler Dokumenten wurde in der EU wegen des Ukraine-Kriegs theoretisch nutzbares russisches Staatsvermögen im Wert von etwa 210 Milliarden Euro festgesetzt. In anderen Staaten außerhalb der EU waren es demnach nur rund 42 Milliarden Euro.
Ukraine-Update
Mit unserem Update-Newsletter zum Ukraine-Krieg erhalten Sie aktuelle Nachrichten, wichtige Hintergründe und exklusive Analysen von den Expertinnen und Experten des Tagesspiegels.
Trump unterdessen warf der Ukraine erneut Undankbarkeit vor und gab Europa eine Mitschuld am Fortbestehen des russischen Angriffskrieges gegen das Land. „Die ukrainische ‚Führung‘ hat keinerlei Dankbarkeit für unsere Bemühungen gezeigt, und Europa kauft weiterhin Öl aus Russland“, schrieb er in Großbuchstaben auf seinem Online-Sprachrohr Truth Social.
Für Ungarn und seinem politischen Verbündeten Viktor Orban – einem der größten Bezieher von russischem Öl in Europa – hatte Trump allerdings erst vor wenigen Wochen eine Ausnahme gemacht und das Land von diesbezüglichen Sanktionen für ein Jahr ausgenommen.
Mehr auf Tagesspiegel.de Trump stellt Selenskyj ein Ultimatum Kann sich die Ukraine dem Druck überhaupt noch entziehen? „Im Wesentlichen Wunschliste der Russen“ Hinweise auf massiven Einfluss des Kreml bei Ukraine-Plan verdichten sich Wut in der Ukraine über gestiegene Ausreisen „In zwei Jahren gibt es niemanden mehr, der kämpfen kann“
Bereits in der Vergangenheit hatte der Republikaner behauptet, die Ukraine würde die Unterstützung der Vereinigten Staaten nicht ausreichend anerkennen. So warf er Präsident Selenskyj im Februar bei einem Treffen im Weißen Haus Undankbarkeit vor. Vor laufenden Kameras wiesen Trump und sein Vize JD Vance den ukrainischen Staatschef zurecht. Das Gespräch endete in einem beispiellosen Eklat. Kritik an Russland äußerte Trump am Sonntag dagegen mit keinem Wort. (AFP/Reuters/dpa)