Eine neue Regenbogen-Bank ziert seit Montag Stuttgarts Innenstadt. Doch welche Maßnahmen gegen Queerfeindlichkeit ergreifen Stadt, Polizei und andere Akteure abseits dieser Symbolik?

In bunten Regenbogenfarben erstrahlt die frisch gestaltete Bank in der Stuttgarter Innenstadt. Im Beisein von Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann, Ute Leidig, Staatssekretärin im baden-württembergischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration und Marion Römmele vom Frauenberatungs- und Therapiezentrum Stuttgart e.V. (Fetz) sowie zahlreichen Vertretenden der queeren Community wurde die Bank am Montagnachmittag an der Ecke Nadler-/Hirschstraße eingeweiht.

„Wir sind eine vielfältige Stadt und diese Vielfalt feiern wir“, sagte Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann zur Begrüßung. „Mit der Bank wollen wir das auch im Stadtraum symbolisch hervorheben. In dieser Stadt ist kein Raum für Anfeindungen aller Art, nicht für Rassismus oder Ausgrenzung.“ Man müsse diese innere Haltung auch nach außen tragen, pflichtet Staatssekretärin Ute Leidig in ihrer Ansprache bei.

Von links: Marion Römmele (Fetz), Politikerin und LSBTIQA+-Aktivistin Laura Halding-Hoppenheit, Beatrice Olgun-Lichtenberg, stellvertretende Leitung der Abteilung für Chancengleichheit der Stadt Stuttgart, Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann, Leiterin Abteilung für Chancengleichheit, Barbara Straub (re.). Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Regenbogen-Bank in unmittelbarer Nähe zum Rathaus sei ein Willkommenssignal an alle queeren Einwohnerinnen und Einwohner sowie Besucherinnen und Besucher der Landeshauptstadt, sagte Marion Römmele vom Fetz. Sie solle zudem zeigen, dass Stadt und Land sich auch in Zeiten knapper Kassen ihrer Verantwortung bewusst sein müssten, sich für alle Bürgerinnen und Bürger einzusetzen. „Queere Menschen machen zehn Prozent der Bevölkerung aus. Sie benötigen adäquate und nicht stigmatisierte Beratung und Hilfe“, so Römmele. Die Sitzbank solle mitten in der Innenstadt ein sichtbares Zeichen setzen für die hiesige LSBTIQA+-Community sowie für Vielfalt, Akzeptanz und Zusammenhalt.

Ein Symbol, das wichtig ist. Realität ist aber auch: Die Zahl der queerfeindlich motivierten Straftaten in Deutschland steigt.

Zahl der queerfeindlich motivierten Straftaten steigt

Tatsächlich wurden im Jahr 2024 laut Statista bundesweit rund 1770 Straftaten gegen die sexuelle Orientierung polizeilich erfasst. Damit ist ihre Zahl das siebte Jahr in Folge auf einem deutlichen Höchststand. Bereits 2023 hatte das Bundeskriminalamt mit 1785 Straftaten gegen Mitglieder der LSBTIQA+-Community im Bereich Hasskriminalität einen Anstieg der Fälle registriert. Im Jahr 2022 waren es noch 1188 registrierte Taten. Insgesamt 212 Menschen waren im Jahr 2023 Opfer von queerfeindlichen Gewalttaten, 2022 waren es noch 197.

Auch in Stuttgart sind Fälle bekannt. Erst im Herbst wurde ein jugendlicher Tiktok-Star homophob angegangen. Auf der Königstraße gab es einen Angriff auf einen Stuttgarter Barkeeper und das Stuttgarter Kulturzentrum Prisma in Bad Cannstatt wurde im Frühjahr 2025 gleich zweimal Zielscheibe rechter Gewalt – Unbekannte hatten eine Regenbogenflagge vom Balkon des dortigen Sunny High Clubs entwendet und angezündet.

Häufig kommt es nicht zur Anzeige

Das Polizeipräsidium Stuttgart schreibt auf Anfrage, in den vergangenen Jahren seien nur Einzelfälle angezeigt worden. Zu berücksichtigen sei jedoch „dass Straftaten zum Nachteil von Menschen mit LSBTIQ-Zugehörigkeit, die aufgrund der sexuellen Orientierung begangen wurden, nicht immer als solche erkannt und zur Anzeige gebracht werden“, so eine Sprecherin.

Die neue Regenbogen-Bank in der Innennstadt ist also zwar ein wichtiges Zeichen. Doch noch wichtiger sind konkrete Maßnahmen. Welche ergreifen die Stadt Stuttgart, die Polizei sowie Beratungsstellen und weitere Akteure in der Stadt, um gegen Queerfeindlichkeit und dementsprechend motivierte Gewalt vorzugehen?

Was unternimmt die Stadt Stuttgart gegen Queerfeindlichkeit?

„In Stuttgart setzen wir auf ein starkes Schutz- und Präventionskonzept gegen queerfeindliche Gewalt“, erklärt Beatrice Olgun-Lichtenberg, stellvertretende Leitung der Abteilung für Chancengleichheit der Stadt Stuttgart. Die städtische Abteilung mit ihrer Koordinierungsstelle LSBTIQ+ vernetzt unter anderem Verwaltung, Politik und Communities vor Ort. „Im Arbeitskreis LSBTIQ+ entwickeln wir alle Maßnahmen gemeinsam weiter und begleiten ihre Umsetzung“, so Olgun-Lichtenberg.

Zum Präventionskonzept gehörten etwa Beratungs- und Anlaufstellen für LSBTIQ+-Menschen, ihre Familien und ihr Umfeld. „Wir bieten altersunabhängige psychosoziale Unterstützung und spezifische Beratung für queere Menschen.“ Auf den Sitzbänken in der Innenstadt finden Passantinnen und Passanten passend dazu kleine Plaketten mit QR-Codes, die, nachdem sie mit dem Smartphone gescannt wurden, zu den jeweiligen Webseiten der Angebote führen.

An der Bank ist eine Plakette mit QR-Code angebracht. Dieser verweist auf Beratungsangebote. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Auch Bildungs- und Sensibilisierungsformate speziell für Schulen sowie Fachkräfte stehen auf der Agenda der Beratungsstellen. „Sie sollen helfen Vorurteile abzubauen und Räume zu öffnen, aber auch sicherer zu machen“, so Olgun-Lichtenberg. Gleichzeitig bestehe eine enge Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Akteuren in der Stadt – darunter die städtische Abteilung Kommunale Kriminalprävention, das Amt für öffentliche Ordnung, Vertretungen der Polizei, Fachstellen des Gewalthilfesystems sowie Organisationen und Initiativen aus der queeren Community. 

Landesaktionsplan zum Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt

Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann und Staatssekretärin Ute Leidig verweisen bei der Einweihung der Bank am Montagnachmittag zudem auf das „TIN-Schutz-Projekt“, eine Infokampagne des Queeren Netzwerks Baden-Württemberg, die in Bussen und Bahnen im Land im Rahmen des Landesaktionsplans zum Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt gestartet wurde.

Die Kampagne soll trans, intergeschlechtlichen und nicht-binären Personen nach geschlechtsspezifischer und sexualisierter Gewalterfahrung Unterstützung bieten. Dabei informiert ein kurzer Spot mit QR-Code über Unterstützungsangebote und hilft Betroffenen dabei, Zugang zu passenden Hilfen zu finden – von der psychosozialen Beratung bis zur Begleitung zu Behörden oder Fachstellen. Bislang gibt es die Kampagne in Ulm, Mannheim und Heidelberg. In den kommenden Wochen soll sie auch in weiteren Städten Baden-Württembergs zu sehen sein.

Polizei denkt über Präventionsveranstaltungen nach

Die Polizei Stuttgart verweist auf Anfrage auf Infostände beim jährlich stattfindenden Christopher Street Day (CSD) in Stuttgart, bei denen Beamte Standbesucherinnen und -besucher über verschiedene Straftaten aufklären und Schutzmaßnahmen vorstellen.

Gemeinsam mit der Stabsstelle Sicherheitspartnerschaft in der Kommunalen Kriminalprävention der Landeshauptstadt Stuttgart (KKP) habe es zudem bereits Überlegungen gegeben, Präventionsveranstaltungen zur Sicherheit im öffentlichen Raum für Mitglieder der queeren Community durchzuführen, so eine Sprecherin der Polizei. „Es fanden hierzu auch Besprechungen mit Vertretungen der queeren Community statt.“

Sicherheitskurse für Frauen

Die Kommunale Kriminalprävention der Stadt bietet darüber hinaus einen Sicherheitskurs für Frauen zur Sicherheit im öffentlichen Raum an, der durch eine Beamtin des Polizeipräsidiums Stuttgarts und einen externen Konflikttrainer durchgeführt wird. Dieser Kurs sei in der Vergangenheit auch schon durch weiblich gelesene Transpersonen in Anspruch genommen worden, so die Sprecherin.

Eventreihe richtet Blick auf verschiedene Formen von Gewalt

Die Einweihung der Regenbogen-Bank in der Stuttgarter Innenstadt fand im Rahmen der Veranstaltungsreihe „21 Tage gegen Gewalt“ statt, zu der die Abteilung für Chancengleichheit der Stadt Stuttgart jedes Jahr öffentlich einlädt. 20 lokale Organisationen und Einrichtungen klären in ihren Veranstaltungen über unterschiedliche Formen von Gewalt auf und zeigen, welche Hilfen es in Stuttgart gibt.

In Workshops, Vorträgen, Diskussionen und Filmen wollen die Veranstaltenden deutlich machen, wie allgegenwärtig Gewalt gegen Frauen und Mädchen sowie gegen queere Menschen ist – und was wir ihr entgegensetzen können. Noch bis zum 10. Dezember 2025 ist eine Teilnahme am Veranstaltungsprogramm möglich.

Regenbogen-Bank Nadlerstraße/Ecke Hirschstraße, Stuttgart-Mitte

21 Tage gegen Gewalt bis 10. Dezember, eine Übersicht aller Veranstaltungen finden Sie hier >>>