Der Wahlkampf beginnt mit Puderzucker: Während die Politik den Schmalzkuchen rettet, bleibt die City-Krise ungelöst. Das sind die falschen Prioritäten.

Es liegt ein neuer, eigentümlicher Duft über der hannoverschen Innenstadt. Er setzt sich zusammen aus der süßen Schwere von heißem Schmalzgebäck, der klirrenden Kälte des Novembers und – für die feine politische Nase unverkennbar – dem scharfen Aroma eines beginnenden Wahlkampfs.

Wer Ende vergangener Woche vor dem hölzernen Stand von Michael Groß stehen blieb, erlebte eine ungewöhnliche Inszenierung: Die Traditionsbäckerei sollte aufgrund eines Vertrags aus dem Jahr 1951 verschwinden. An der Kündigung waren neben dem Eigentümer auch die Stadt Hannover beteiligt. Die Frage nach der Rettung ist längst keine bloße Verwaltungssache mehr – sie hat sich zur Ouvertüre im Rennen um das Rathaus 2026 entwickelt.

Dass der Stand bleiben darf, ist richtig und ein Sieg des gesunden Menschenverstands. Doch die politische Choreografie der vergangenen Woche entlarvt den Stil der kommenden Monate. Wenn Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) und sein Erster Stadtrat und Herausforderer Axel von der Ohe (SPD) nacheinander zum Ortstermin eilen, um einen Fehler ihrer eigenen Behörden per Machtwort und Instagram-Post zu korrigieren, wird Politik zum Schauspiel.

Das Narrativ ist verlockend: Hier der gerührte Bürger, da die tatkräftige „Chefsache“, dazwischen der Applaus der sozialen Netzwerke.

Dieser Schmalzkuchen-Sieg ist eine klassische „Low Hanging Fruit“ – eine tief hängende Frucht, die man im Vorbeigehen pflückt, um sich als Macher zu inszenieren. Das eigentliche Drama spielt sich unscharf im Hintergrund ab: Die riesige, leer stehende Karstadt-Immobilie ragt wie ein Mahnmal der Ratlosigkeit hinter und über der kleinen Holzhütte auf.

Das Missverhältnis ist bezeichnend: Für die Rettung von vier Quadratmetern Verkaufsfläche reicht ein Anruf des OB. Für die 16.000 Quadratmeter Leerstand dahinter fehlen die wirksamen Antworten. Es ist politisch bequemer, einen eigenen Fehler emotional wegzulächeln, als die strukturelle Krise der City zu lösen. Der politische Ertrag pro Quadratmeter ist beim Schmalzkuchen maximal, bei der Betonwüste dahinter minimal.

Man mag einwenden: Ist es in Zeiten urbaner Tristesse nicht ein wichtiges Signal der Menschlichkeit, wenn die Spitze sich auch um die Kleinen kümmert? Sicherlich. Doch diese Romantik ist gefährlich. Denn ein Symbol, das nur durch den Zufall eines viralen Hypes entsteht, ist kein politischer Erfolg – es ist ein Glücksspiel. Wenn Gnade vor Recht nur dann ergeht, wenn ein Meme-Account „Feuer“ ruft, wird Verwaltungshandeln zur Casting-Show degradiert. Wer heute keine Reichweite hat, hat morgen Pech gehabt.

Wenn dieser Fall die Blaupause für den Wahlkampf wird, droht Hannover eine Zeit der Symbolpolitik. Die Stadt braucht aber keine Politiker, die Feuerwehr spielen, wo es nur nach angebranntem Zucker riecht. Hannover braucht braucht Strategen, die verhindern, dass die Innenstadt zur Geisterstadt wird.