Eines hat Donald Trump im ersten Amtsjahr seiner zweiten Präsidentschaft erreicht: Europa vertraut Washington nicht mehr. In dem neuerlichen Streit um den sogenanntem 28-Punkte-Friedensplan, den die USA vorgeschlagen haben, um den Krieg in der Ukraine zu beenden, steht ein Verdacht im Raum, dass möglicherweise der Kremlchef, Kriegsherr Wladimir Putin, den Friedensplan selbst geschrieben habe oder ihn habe von seinen engsten Vertrauten schreiben lassen. Die inhaltliche Dominanz des Planes an russischen Interessen ist derart eindeutig, dass eine solche Vermutung sich aufdrängt. Würde das durchgesetzt, wäre es ein Diktatfrieden, zur Freude Putins. Vorsicht ist geboten, auch wenn jetzt die Rede davon ist, dass der Plan umgeschrieben werden soll.

Auf Trump ist kein Verlass, es sei denn der, dass man sich auf seine Unzuverlässigkeit verlassen kann. Ich bin kein Merz-Wähler, aber manchmal kann einem der Kanzler schon etwas Leid tun. Dass er mit dem US-Präsidenten telefonierte, um Einspruch einzulegen gegen den Plan, den alle europäischen Demokraten als Aufforderung an Kiew zur Kapitulation auslegten, war sicherlich nicht vergnügungssteuerpflichtig. Ob Merz wirklich etwas erreichen konnte in dem Gespräch, lassen wir mal offen. Zumal man bei Trump nie weiß, ob er nicht schon einen Tag später etwas revidiert, was er zuvor geändert hatte. Der Mann hat keinen politischen Kurs, der irgendwas mit westlichen Werten zu tun hätte. Für ihn zählt der Dollar möglichst auf seinem Konto und unter dem Gesichtspunkt pflegt er seine Deals anzusteuern und abzuschließen.

Amerikaner lehrten uns Demokratie

Als Deutscher, der das Ende des Zweiten Weltkriegs als Kind erlebt hat, kommt einem das Gruseln angesichts dieses Mannes auf dem Stuhl des mächtigsten Politikers der Welt. Als Jugendlicher erfuhr ich, dass die Amerikaner den Deutschen die Demokratie beigebracht hätten. Nach Jahren der Hitler-Diktatur und der mit diesem mörderischen Regime einhergehenden pausenlosen Verachtung der Menschenwürde werden das die Hitler-Gegner, sofern sie das Glück hatten, nicht der gefürchteten Gestapo in die Hände gefallen zu sein, als Erlösung empfunden haben. Und jetzt erleben wir einen US-Präsidenten, der mit Demokratie und den damit zusammenhängenden Werten wie Freiheit und Menschenwürde nicht viel am Hut zu haben scheint. Wie sonst soll man kommentieren, dass dieser Präsident dabei ist, die Demokratie ausgerechnet in Amerika zu schleifen? Die Meinungsfreiheit ist mindestens bedroht, der Unabhängigkeit der Justiz geht er an den Kragen und die Freiheit der Presse, ein hohes Gut, scheint ihm nicht wichtig. So halten es Autokraten und andere Potentaten gern. Willkür im Sinne des Chefs ist ihre Linie, da passen andere Meinungen nicht dazu.

Die Europäer tun sich zusammen, um das Schlimmste für die Ukraine abzuwenden, das wäre, wenn Putin am Ende alles bekommt, nicht nur die Krim, die er sich schon vor Jahren geholt hat und den östlichen Teil des Landes, den russische Truppen mit Bomben, Raketen, Drohnen, Panzer und Soldaten überfallen und besetzt haben. Er will die Ukraine vernichten, koste es, was es wolle. Der Kreml will bestimmen, wie viele Soldaten die Ukraine nach einem Waffenstillstand unter Waffen halten darf. Putin will verhindern, dass das Nachbarland Mitglied der NATO wird, damit er sich eines Tages den Rest der Ukraine holen kann ohne große Gegenwehr.

Der Aggressor wird belohnt, überschreibe ich Trumps Plan, wenn er ihn sich zu eigen macht und dafür sorgt, dass die Ukraine sich Putin unterwirft. Ein völkerrechtswidriger Krieg, das schreiben wir seit dem Überfall der Roten Armee auf die Ukraine, seit Putin Kinder hat entführen und Frauen vergewaltigen lassen, seit seine mörderische Kriegsindustrie die Infrastruktur des früheren Bruderlandes Stück für Stück zerstört, um die Menschen müde und mürbe zu machen. Ohne Wasser, ohne Heizung, immer in der Angst vor den nächsten Bomben und Drohnen.

So weit ist es gekommen, dass Europa, dass Merz, Macron und Starmer an einem entscheidenden Verhandlungspunkt nicht wissen, ob die USA, der langjährige Freund und Partner in der NATO, als Vermittler agieren oder als Sprachrohr des Kreml-Chefs. Der Westen versucht gegenzuhalten, was nicht leicht ist, weil der Westen zu schwach ist- militärisch vor allem. Weil man über Jahrzehnte immer am Rockschoß der Amerikaner hing und sich auf den Freund und Partner im Kampf für Frieden und Freiheit verließ. Das ist vorbei. Trump richtet das Land Richtung Pazifik aus, Europa ist ihm egal. Soll Putin sich doch nehmen, was er will, den Satz habe ich in den letzten Monaten immer mal wieder gehört.

Der Westen, das heißt, was von ihm durch Trumps Desinteresse übrigbleibt, muss sich endlich auf eigene Füße stellen, er muss sich neu aufrichten und aufrüsten, um gegen eine mögliche russische Invasion im Baltikum, Polen oder gar in Deutschland Widerstand leisten zu können. Deutschland muss zum Beispiel zig Milliarden Euro in die Bundeswehr stecken, damit sie wieder verteidigungstüchtig wird und im besten Fall durch ihre Abschreckung dafür sorgt, dass es gar nicht zu einem Krieg kommt.

Roter Teppich für Putin in Alaska

Wenn mir jemand damals Ende der 40er Jahre- ich war ein Kind- gesagt hätte, die Amis werden in 80 Jahren nicht mehr unsere Freunde sein, ich hätte ihm nicht geglaubt. Mein erstes Kaugummi habe ich von einem US-Soldaten geschenkt bekommen, der erste Schwarze, den ich in meinem Leben sah. Er und die anderen waren unheimlich freundlich, auch Schokolade schenkten sie mir, damals war so was unerschwinglich. Ich gebe zu, dass mir die Amis später mehr und mehr befremdlich wurden durch den Vietnam-Krieg, weil ich mich fragte, was die dort zu suchen haben. Aber es gab ja auch die Russen und in der Bundesrepublik wurde die Gefahr vor ihnen und dem Kommunismus beschworen. Das gehörte zu Konrad Adenauers Einbindung der BRD in den Westen. Die Russen standen in Berlin, schauten untätig zu, wie die moskauhörige SED-Diktatur die Mauer bauen ließ, die Walter Ulbricht in seiner merkwürdigen Sprache noch für nicht wünschenswert gehalten hatte: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen“. Die Amis waren für viele die Guten, unsere Freunde, Reisen ins Land der unbeschränkten Möglichkeiten waren begehrt. Wer es sich leisten konnte, flog rüber und staunte über diese andere Welt.

Heute würde ich nicht mehr meinen Urlaub in Amerika verbringen, auch nicht, wenn ich jünger wäre. Einer wie Trump hat mein Bild von Amerika verändert, weil heute nicht mehr die Stärke des Rechts vorrangig ist, sondern das Recht des Stärkeren. Und deshalb ist es eigentlich auch fast natürlich, dass dieser Mann in Washington dem mächtigen Mann im Kreml in Alaska den roten Teppich auslegte, um ihn zu begrüßen. In Europa gilt Putin als Kriegsverbrecher, der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat Haftbefehl gegen ihn erlassen wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen, darunter der rechtswidrigen Deportation ukrainischer Kinder in die russische Föderation. Er müsste, beträte er deutschen oder französischen Boden, verhaftet werden. Trump empfing Putin mit allen Ehren. Was nicht heißt, dass man mit Putin nicht reden, verhandeln muss, aber nicht über die Köpfe der Ukrainer hinweg, sondern mit Kiew und Vertretern des übrigen Europa, das an der Seite von Selenskyj steht.

Den USA unter Trump ist nicht mehr zu trauen. Das belegen Meinungsumfragen. Das deutsch-amerikanische Verhältnis ist mehr als angeschlagen. Dass ein US-Präsident vor Monaten seinen Gast aus der Ukraine aus dem Weißen Haus warf, während Russlands Putin Bomben und Drohnen auf das bedrängte Land werfen ließ, das hätte kaum jemand für möglich gehalten. Die Deutschen gehen auf Distanz zu Amerika, Entfremdung macht sich breit, die USA werden in den Augen der Deutschen nicht mehr als der wichtigste Partner in der Außenpolitik angesehen, das ist jetzt Frankreich. Und nur noch 23 Prozent betrachten sie als Partner Deutschlands beim Einsatz für Demokratie in der Welt. Das ergab eine Forsa-Befragung im Auftrag der renommierten Körber-Stiftung aus Hamburg.

Fazit: Wenn man Freunde hat wie Trump, braucht man keine Feinde.

 

Bildquelle: Pixabay

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