Das Entree auf der Website der Parfümeriekette Pieper klingt unverdächtig: „Wir sind die größte inhabergeführte Parfümerie in Deutschland. Durch unsere Unternehmenskultur setzen wir uns seit mehr als 90 Jahren das Ziel, die Welt ein bisschen schöner zu machen. Wir wollen unsere Kunden jeden Tag begeistern, indem wir unsere Leidenschaft und Expertise mit ihnen teilen und sie inspirieren.“ Etwas später der Hinweis, dass das Unternehmen online und an weit mehr als 100 Standorten mit Niederlassungen unterwegs sei und 500 internationale Marken anbiete.
Eine normale Werbebotschaft, wie man sie bei der Präsentation erwartet. Nur dass bei Pieper gerade nicht Normalität herrscht. Das Unternehmen aus Herne hat einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt, das heißt: Die Geschäftsführung bleibt im Amt, sie bekommt die Sachwalterin Sarah Wolf zur Seite gestellt, dazu den Experten Philipp Grub als Generalbevollmächtigten mitsamt seinem Team aus der Stuttgarter Kanzlei Grub Brugger und den Sanierungsexperten Sven Pursche. Mit denen zusammen will Pieper aus eigener Kraft den Kopf aus der Schlinge ziehen. „Die Sanierung in Eigenverwaltung gibt uns die Möglichkeit, unser Unternehmen bei voller operativer Kontrolle zu stabilisieren und strategisch weiterzuentwickeln“, erklärte Geschäftsführer Oliver Pieper. Ziel sei es, die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu sichern, Arbeitsplätze zu erhalten sowie für die Kunden weiter da zu sein. Was sollte er auch anderes sagen? Womöglich hilft die Jahreszeit: Auch Pieper dürfte, was den Umsatz angeht, große Hoffnungen auf das Weihnachtsfest richten. Die Zeit der großen Geschenke im November und Dezember sorgt im Einzelhandel einschließlich verschenkter Gutscheine mitunter für 60 bis 80 Prozent des Jahresumsatzes. Piepers Produkt-Portfolio: Parfüm, Pflege, Make-up, Haarpflege, Naturkosmetik, Accessoires.
Der Geschäftsbetrieb bei Pieper soll „möglichst normal“ weiterlaufen. Was das bedeuten soll? „Kundinnen und Kunden können weiterhin wie gewohnt einkaufen. Der stationäre Handel und der Online-Shop bleiben uneingeschränkt geöffnet“, heißt es in einer Pressemitteilung des Unternehmens. Die Löhne und Gehälter werden für drei Monate von der Bundesagentur für Arbeit gezahlt. Kunden haben für bereits gekaufte Ware ein Rückgaberecht bis Ende Januar des kommenden Jahres.
Wieder eine Insolvenz im Einzelhandel, wieder steckt ein Traditionsunternehmen im Überlebenskampf. Diesmal trifft es Deutschlands größte inhabergeführte Parfümeriekette, die laut Website noch 128 Filialen in vier Bundesländern betreibt, allein 115 davon in Nordrhein-Westfalen, den Rest in Niedersachsen, Bremen und Hamburg. In der Region ist Pieper in vielen Innenstädten zu finden, unter anderem in Aachen, Bocholt, Borken, Dinslaken, Duisburg, Düsseldorf, Emmerich, Geldern, Kamp-Lintfort, Kempen, Krefeld, Köln, Leverkusen, Moers, Mönchengladbach Münster und Remscheid. Wie viele und welche davon dauerhaft überleben werden, ist derzeit noch offen. Werden Unternehmen aus dem Einzelhandel saniert, geht das in der Regel nicht ohne Filialschließungen und Jobabbau über die Bühne. Fast 1000 Beschäftigte müssen also zunächst um ihren Job bangen.
Die Konsumzurückhaltung der Kunden auf der einen sowie gestiegene Kosten beispielsweise für Energie haben große Teile der Wirtschaft in der Corona-Krise in Not gebracht. Das galt auch für Pieper. Doch schon im Abschluss für das Geschäftsjahr 2021/22 – dem bislang letzten, der im Bundesanzeiger zu finden ist – hatte Pieper den Umsatz gegenüber dem Vorjahr wieder um mehr als 30 Prozent auf etwa 114 Millionen Euro gesteigert und einen Gewinn von etwa 200.000 Euro erzielt. Wenig, aber immerhin. Im Geschäftsjahr 2023/24 lagen de Erlöse bei knapp 124 Millionen Euro.