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Prison Vendin le Vieil voisinage PHOTOPQR VOIX DU NORD SEBASTIEN COURDJI 21 07 2025 Vendin le Vieil, 21 07 2025, exterior view of the Vendin le Vieil high security prison Frances biggest drug traffickers will be incarcerated in a high security section of this prison a mall center ocated next to the prison Northern France, july 21st 2025 Exterior view of the Vendin le Vieil high security prison France s biggest drug traffickers will be incarcerated in a high security section of this prison a mall center ocated next to the prison 1 Hauts de France France PUBLICATIONxNOTxINxFRAxBELxSUIxUK Copyright: xPHOTOPQR/VOIXxDUxNORD/MAXPPPxSEBASTIENxCOURDJIx 20250721VDN4916 20250721VDN4924Das Gefängnis in Vendin-le-Vieil. © Imago/sebastien Courdji/IMAGO / MAXPPP

Der Freigang eines Drogenbarons aus einem französischen Hochsicherheits-Gefängnis löst eine Debatte aus

Kommt er wieder zurück? Einen Tag lang beschäftigte ganz Frankreich diese Frage, nachdem ein Strafvollzugsrichter einem berüchtigten Drogenbaron einen eintägigen Freigang zur Jobsuche zugestanden hatte. Ouaihid Ben F. (52) konnte seine Haftanstalt in Vendin-le-Vieil in Nordfrankreich am Montagmorgen verlassen, um nach Lyon zu einem Bewerbungsgespräch bei einem Industrieunternehmen zu fahren. Die mehrstündige Fahrt im Hochgeschwindigkeitszug TGV absolvierte er ohne Polizeiaufsicht. Dabei war er bereits 2014 bei einem Arztbesuch mit Komplizen und Waffengewalt entwichen. Dafür hatte er zusätzliche acht Jahre Haft erhalten.

Großes Staunen herrscht in Frankreich vor allem, weil der mehrfach rückfällige Chef eines Dealernetzes im Pariser Vorort La Courneuve kein kleiner Fisch ist – und auch nicht in einer beliebigen Haftanstalt sitzt. Seine Zelle befindet sich im brandneuen Hochsicherheitsflügel der Anstalt Vendin-le-Vieil. Dort sind seit vier Monaten auf Betreiben von Justizminister Gérald Darmanin 100 der gefährlichsten Drogenbosse inhaftiert.

Eine doppelte Mauer von zehn Metern Höhe umgibt den Trakt, dazu kommen vier hohe Kontrolltürme und 450 Kameras. Störsender und Netze sollen verhindern, dass Handys von außen in die Zellen gelangen. Mit Besuchenden kann nur über eine Gegensprechanlage kommuniziert werden. Die 250 Wärterinnen und Wärter arbeiten im Turnus, damit sie nicht „gekauft“ werden können. Vendin-le-Vieil sei so sicher wie die italienischen Gefängnisse für Mafiosi, hatte sich Darmanin bei der Einweihung im Juli gefreut.

Der unkontrollierte Ausgang für den als hochgefährlich eingestuften Häftling F. wirkt daher wie Hohn für den Hardliner Darmanin. Pariser Medien spekulieren, ob der zuständige Richter bewusst von jeder Kontrolle absah, um den in der Richterzunft verhassten Minister lächerlich zu machen.

Proteste gegen Gewalt

Für Darmanin kommt die Affäre jedenfalls zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Vergangene Woche erreichte der Volkszorn über die Straflosigkeit vieler Dealerbanden einen neuen Höhepunkt: Zwei Vermummte erschossen in Marseille von einem Motorrad aus den Bruder des bekannten Anti-Narco-Aktivisten Amine Kessaci. Vermutlich ein Einschüchterungsversuch des lokalen Drogenkartells DZ Mafia. Dessen Boss soll die Killer aus dem Gefängnis angeheuert haben. Am Samstag gingen in Marseille 6000 Menschen auf die Straße, um gegen die zunehmende Gewalt der „Narcos“ zu protestieren.

Kurz darauf wurde der freie Tag des Wiederholungstäters F. in Nordfrankreich bekannt. Am Montag warteten die Pariser Livesender frühmorgens vor der Hochsicherheitsanstalt in Vendin-le-Vieil, als der Drogenhändler an die frische Luft trat. Bevor er noch um ein Interview gebeten werden konnte, holte ihn seine Frau im Auto ab. Darmanins Team steckte der Presse, der territoriale Nachrichtendienst DNRT beschatte F. diskret. Der an sich freie, aber plötzlich landesweit bekannte und von allen Seiten überwachte Supernarco konnte gar nicht anders, als sich nach seinem Vorstellungsgepräch in Lyon wieder nach Vendin-le-Vieil zu begeben. Um 21 Uhr meldete er sich vor laufenden TV-Kameras im Knast zurück.

Die Geschichte endete zur allgemeinen Zufriedenheit. F.s Anwältin betonte beim Sender BFM, ihr Klient habe seinen guten Willen bewiesen, nachdem er schon in Haft durch gutes Benehmen aufgefallen sei. Sie hoffe, dass F. bald eine bedingte Freilassung erwirke, um in Lyon bei dem Hydraulik-Unternehmen starten zu können.

Weniger erfreulich sind die Statistiken zur Gewalt im Drogenmilieu. In französischen Gefängnissen sitzen rund 10.000 Personen wegen Drogendelikten. 2024 gab es 367 Morde oder Mordversuche. Einen pro Tag.