Kreuz auf einem Wörterbuch mit dem Wort Missbrauch.

AUDIO: Landessynode: Betroffene reden erstmals vor dem Kirchenparlament (1 Min)

Stand: 25.11.2025 22:07 Uhr

Erstmals werden am Mittwoch mehrere von sexualisierter Gewalt Betroffene der hannoverschen Landeskirche vor dem Kirchenparlament sprechen. Das direkte Rederecht haben sie seit langem gefordert. Am geplanten Ablauf gibt es aber auch Kritik.

von Florian Breitmeier

Neun betroffene Personen wollen direkt zu den Synodalen sprechen. Das teilte die Landeskirche am Dienstag auf NDR Anfrage mit. Insgesamt seien 13 Beiträge geplant. Im Vorfeld der Synodentagung hatte es eine Videokonferenz zwischen dem Präsidium der Landessynode und Betroffenen gegeben. Danach setzte die Kirche ihrerseits den Rahmen fest: Ein Redebeitrag dauert demnach zehn Minuten. Dieser könne direkt im Saal vorgetragen werden oder aber als aufgezeichneter Ton- oder Videobeitrag präsentiert werden. Auch könne ein Text durch eine bevollmächtigte Person verlesen werden, wenn etwa eine Anreise nach Hannover nicht möglich ist

Ohne Öffentlichkeit: Schutz für Betroffene oder Schutz für die Kirche?

Dieser Teil der Synodensitzung ist nicht öffentlich. Laut Landeskirche soll so für die Betroffenen ein geschützter Raum geschaffen werden, für einen konzentrierten Austausch mit den Synodalen. Doch der geplante Ablauf stößt auf Kritik bei Betroffenen, die in Hannover sprechen werden. Von der Betroffenenvertretung der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommission (URAK) Niedersachsen und Bremen heißt es, aus der Chance für einen offenen Austausch auf Augenhöhe scheine sich „eine Machtdemonstration der Synode abzuzeichnen“. Kritisch äußert sich im Vorfeld auch die Betroffeneninitiative „Vertuschung beenden“. Der generelle Ausschluss der Öffentlichkeit sei nicht nur untypisch für Synodensitzungen, auch entstehe so bei Betroffenen möglicherweise wieder das Gefühl, mit der Institution Kirche allein zu sein. „Das Gefühl von Sicherheit, das Öffentlichkeit auch geben kann, wird so verunmöglicht“, so die Betroffeneninitiative.

Florian Breitmeier

Das Verhalten der hannoverschen Landeskirche im Aufarbeitungsprozess zu sexuellem Missbrauch verstört, findet Florian Breitmeier.

Dialograum für Betroffene für den Austausch

Von der Landeskirche heißt es, die Vortragenden könnten eine Person ihres Vertrauens als Begleitperson in den Saal mitbringen. Auch gebe es einen Dialograum außerhalb des Sitzungssaals, in dem sich Betroffene nach ihren Vorträgen treffen und austauschen könnten. Die Initiative „Vertuschung beenden“ sieht den von der Kirche vorgegebenen Rahmen dennoch kritisch: „Viele Betroffene wünschen sich für ihre Rede die Anwesenheit von anderen Betroffenen im Saal. Wieder einmal wurde der Schutz der Kirche und des Synodenpräsidiums in den Vordergrund gestellt.“ Ein Betroffener der hannoverschen Landeskirche, der für den Tag mehrere Hundert Kilometer anreist, teilte dem NDR mit, er fühle sich durch den Tagungsablauf stark eingeengt. Dabei sei es technisch kein großes Problem, Öffentlichkeit zu ermöglichen, wo dies ausdrücklich gewünscht sei.

Kein Rederecht für Betroffene aus Heimen der Diakonie

Auf Unverständnis stößt bei Betroffenen auch die Entscheidung des Präsidiums der Landessynode, das Rederecht für Betroffene im Heim-Kontext der Diakonie einzuschränken. Ein Sprecher der Landeskirche begründete dies auf NDR Anfrage mit fehlenden rechtlichen Einflussmöglichkeiten der Landessynode bei Fällen, die sich in Heimen der Diakonie ereignet hätten.

Unverständnis bei der Betroffenenvertretung

Die Betroffenenvertretung der URAK Niedersachsen und Bremen zitiert in einer Pressemitteilung aus einem Antwortschreiben des Synodenpräsidiums auf einen zuvor verschickten Fragenkatalog. Demnach heißt es in der Antwort seitens der Synode: „Es ist uns wichtig, transparent zu machen, für welche Bereiche die Landessynode Verantwortung übernimmt und wo unser Zuständigkeitsbereich endet. Wir möchten im Sinne der betroffenen Personen nicht, dass Anliegen an uns gerichtet werden und wir dann antworten müssen, hier nicht zuständig zu sein.“ Die Betroffenenvertretung der URAK reagiert darauf mit Unverständnis, gerade weil Kirche und Diakonie auf vielen Ebenen verstärkt zusammenarbeiteten, zum Beispiel auch im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt in der EKD und Diakonie.

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Betroffene fordert Beteiligung „Ohne Ausschlüsse und Alibi-Rituale“

Die Stimmung unter vielen Betroffenen ist vor der Synodensitzung durchaus angespannt. Andere haben bewusst entschieden, gar nicht nach Hannover zu fahren. Eine Betroffene hatte ihr Interesse an einem Redebeitrag bekundet: Zehn Tage nach dem Verstreichen einer Frist zur Rückmeldung, dafür mehr als zwei Wochen vor der Synodentagung. Sie habe bis zum Montag keine Rückmeldung erhalten, ob sie doch noch sprechen könne oder nicht. Allein das sei „Ausdruck tiefster Missachtung gegenüber einer Betroffenen“, die das Wort ergreifen wolle, teilte sie der Kirche und dem NDR mit. Ihre Anfrage vom 9. November auf das Rederecht habe sie an diesem Montag zurückgezogen. Für sie müssten Betroffene „wirklich an der Aufarbeitung beteiligt werden und zwar ohne Vorbehalte, ohne Ausschlüsse und Alibi-Rituale.“

Teil der Sitzung öffentlich

Nach der nichtöffentlichen Plenarsitzung am Vormittag mit den Redebeiträgen der Betroffenen wird am Nachmittag der Präsident des hannoverschen Landeskirchenamtes, Jens Lehmann zu den Synodalen sprechen zum Stand der Prävention, Intervention und Aufarbeitung sexualisierter Gewalt. Dieser Teil der Sitzung ist dann wieder öffentlich.

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