Berlin – Wie hält es die Wirtschaft mit der AfD?
Riesen-Wirbel um einen Vorstoß des Verbands „Die Familienunternehmer“. Die Interessengemeinschaft (rund 6500 Mitglieder) möchte nun auch mit Vertretern der Rechtsaußen-Partei in den Dialog gehen – und steht dafür in der Kritik.
Nun ziehen erste Mitglieder Konsequenzen: Die „Lebensmittelzeitung“ meldet, dass die Drogeriemarktkette Rossmann seine Mitgliedschaft im Verband der Familienunternehmer gekündigt hat. Zuvor hatte bereits die Deutsche Bank dem Verband die Nutzung ihrer Räume in Berlin für eine Veranstaltung untersagt.
Foto: Alicia Windzio/dpa
So schimpft CSU-Generalsekretär Martin Huber (48) gegenüber BILD: „Wer als Vertreter der Wirtschaft die AfD als Partner sieht, spielt mit dem Feuer und legt die Axt an das Fundament unserer sozialen Marktwirtschaft.“
▶︎ „Familienunternehmer“-Chefin Marie-Christine Ostermann begründete den Schritt in der „Wirtschaftswoche“ damit, dass die Ausgrenzung der AfD „nicht von Erfolg gekrönt war“. Deshalb „haben wir gemeinsam entschieden, dass wir diese Brandmauer im Sinne eines totalen Kontaktverbotes mit der Partei aufheben“. Aus dem Verband sei die „große Zahl der Rückmeldungen positiv und unterstützend“.
„Es gebietet der Respekt vor dem Abgeordnetenamt, mit der AfD zu sprechen“
Wie steht es um die „Brandmauer“ zur AfD in der Wirtschaft? Auf BILD-Anfrage zu möglichen AfD-Kontakten reagierten die meisten Verbände äußerst skeptisch. ABER: Zwei zeigen sich offen für Gespräche.
Die Präsidentin des Verbands der Familienunternehmer, Marie-Christine Ostermann (47), steht massiv in der Kritik
Foto: Kay Nietfeld/dpa
► Dr. Friedemann Berg (54) vom „Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks“ sagte zu BILD, man gehe nicht aktiv auf die AfD zu, signalisierte jedoch Offenheit: „Die Haltung der AfD zur Europäischen Union, zur russischen Diktatur und zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie zum Thema Remigration erschweren den Dialog mit der AfD. Wenn die AfD aber anfragt oder um ein Gespräch bittet, gebietet der Respekt vor dem Abgeordnetenamt, mit der AfD zu sprechen.“
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▶︎ Max von Elverfeldt (61), Präsident der „Familienbetriebe Land und Forst (FaBLF)“ und damit Chef familiengeführter Land- und Forstbetriebe, plädiert für einen Austausch mit der AfD. Elverfeldt zu BILD: „Interessenverbände sind ihren Mitgliedern verpflichtet und entsprechend unparteiisch. Sie müssen daher mit allen demokratisch gewählten Parteien in Austausch treten können, auch wenn deren Positionen von den eigenen Interessen oder Überzeugungen abweichen. Nur so können sie ihre Aufgaben erfüllen und die Anliegen ihrer Mitglieder wirksam vertreten.“
Wie der „Spiegel“ berichtet, haben die Lobbyisten in Baden-Württemberg gemeinsam mit ihrem Tochterverband „Die Jungen Unternehmer“ und dem „Verband der Unternehmerinnen (VDU)“ den AfD-Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier zu einer Veranstaltung gebeten. Man habe sich gemeinsam dazu entschieden, alle Spitzenpolitiker einzuladen, so der VDU-Landesverband Württemberg. Eine Zusammenarbeit mit der AfD werde aber ausgeschlossen.
Andere Verbände kritisch: „Keine Schnittmenge“ mit der AfD
► Patrick Kammerer (61), Hauptgeschäftsführer des „Markenverbands e.V.“, zu BILD, man bleibe bei der Haltung, „nicht mit Parteien mit extremistischen Positionen in den Austausch zu gehen“.
► Laut „Welt“ (gehört wie BILD zu Axel Springer) sagt der „Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI)“: „Der Erfolg der deutschen Industrie basiert auf stabilen gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, welche die AfD mit ihren populistischen Positionen zu erschüttern versucht.“
Peter Leibinger (58), Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI)
Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa
► Der „Verband der Chemischen Industrie (VCI)“, sieht gegenüber der „Welt“ laut Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup „keine Schnittmengen“ mit der AfD, weder politisch noch wirtschaftlich oder gesellschaftlich.
Handwerker gegen „demokratiefeindliche Positionen“
► Im „Handelsblatt“ führt der „Bundesverband Mittelständische Wirtschaft (BVMW)“ die hohen Umfrage- und Wahlergebnisse der AfD an. Bundesgeschäftsführer Christoph Ahlhaus sagt, die „sprechen derzeit nicht dafür, dass die Strategie der Brandmauer erfolgreich funktioniert hat“.
Christoph Ahlhaus (56); Bundesgeschäftsführer des Bundesverbands Mittelständische Wirtschaft
Foto: picture alliance / Eventpress
Gegenüber BILD stellt ein Sprecher klar, dies sei eine rein politische Analyse und „keinesfalls eine Abkehr von unserer Haltung oder ein Signal der Öffnung gegenüber extremistischen Kräften“. Dabei verweist er auf eine Verbandsposition: Extremistischer Parteien gefährdeten das Erfolgsmodell Mittelstand in Deutschland. Damit sei auch die AfD gemeint.
► Der „Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH)“ antwortet auf eine BILD-Anfrage AfD-kritisch: „Unsere Interessenvertretung orientiert sich an den Prinzipien der demokratischen Grundordnung und der sozialen Marktwirtschaft, weshalb wir wirtschafts- und demokratiefeindliche Positionen jedweder politischen Richtung zurückweisen.“
► Der „Bundesverband der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW)“ zur „Welt“: „Die Brandmauer zu extremistischen Kräften ist alles andere als ein parteipolitisches Symbol, sondern Ausdruck unseres demokratischen Selbstverständnisses.“
► Stefan Genth, der Hauptgeschäftsführer des „Handelsverbands Deutschland (HDE)“ sagte der Zeitung: „Die gesellschaftlichen Spielregeln mit einer Unterstützung der AfD in Richtung Ausgrenzung und Hass zu verschieben, führt in eine Sackgasse und zerstört unsere Demokratie.“