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Nach dem tödlichen Unfall bleibt die Eisbachwelle bis auf Weiteres gesperrt. Die Surf- Community hofft auf eine baldige Wiedereröffnung und schlägt dafür strengere Sicherheitsregeln vor.
Es ist ein Freitagmittag im April, das Wochenende lugt schon um die Ecke, und normalerweise würde jetzt reger Betrieb herrschen auf der weltberühmten Eisbachwelle am Haus der Kunst. Aber was ist schon normal, seit hier vergangene Woche eine 33-jährige Surferin verunglückt und einige Tage später im Krankenhaus gestorben ist?
Statt Menschen in Neoprenanzügen, die auf Brettern übers Wasser gleiten, sowie Schaulustigen, die das Spektakel von der Eisbachbrücke aus verfolgen, sieht man nun also Bauzäune, die den Weg zur Welle großräumig versperren. Daran hängen Schilder mit der Aufschrift: „Betreten verboten! Achtung Lebensgefahr!“
Genau dort, wo bis vor Kurzem noch Surferinnen und Surfer ins Wasser gesprungen sind, liegt jetzt ein Strauß weißer Tulpen. Einige Schritte uferaufwärts stehen zwischen weiteren Blumen ein Dutzend Grabkerzen rund um ein Schild, an dem wiederum eine Finne baumelt, wie man sie als Spurhalter ans Surfbrett montiert. Auf ihr ist mit schwarzem Filzstift geschrieben: „Herzliches Beileid…“
„Die Todesmeldung ist von der ganzen Surf-Community mit großer Bestürzung aufgenommen worden“, sagt Franz Fasel, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Surfen in München (IGSM). „Alle können mitfühlen, was der Frau passiert ist. Denn dieser Unfall hätte jedem passieren können. Mit Können hatte das nichts zu tun.“
Nach bisherigen Erkenntnissen verhedderte sich die Sicherungsleine am Brett der Frau, die sogenannte Leash, beim nächtlichen Surfen am Grund des Eisbachs. Angaben der Münchner Feuerwehr zufolge konnte sich die 33-Jährige nicht selbst befreien, sodass sie von der an ihrem Knöchel befestigten Schnur unter Wasser gezogen wurde.
Ein Begleiter habe noch versucht, die Surferin von ihrem Brett zu trennen, was ihm aufgrund der starken Strömung aber nicht gelang. Fast eine halbe Stunde kämpfte die Frau in dem zwölf Grad kalten Wasser um ihr Leben. Erst die herbeigerufenen Rettungskräfte konnten sie von ihrem Brett trennen und ans Ufer bringen. Eine Woche nach dem Unfall verstarb die 33-Jährige im Beisein ihrer Familie und enger Freunde am Mittwochabend im Krankenhaus.
„Es ist eigentlich ein Wunder, dass so was nicht schon früher passiert ist“, sagt eine Passantin, die an diesem Nachmittag mit ihrem Hund an der Unglücksstelle vorbeikommt. „So viel, wie da immer los ist.“ Tatsächlich ist der IGSM ein vergleichbarer Fall nicht bekannt, obwohl dem Verein zufolge bereits seit mehr als 40 Jahren an der Eisbachwelle gesurft wird.
Seit 2010 ist dies auch offiziell erlaubt. Damals übernahm die Stadt München jenen Abschnitt des Eisbachs vom Freistaat, der das Wellenreiten als Eigentümer des Englischen Gartens bis dahin verboten hatte. Derweil avancierte die Eisbachwelle am Haus der Kunst zu einer weltbekannten Attraktion, die in keinem München-Reiseführer fehlen durfte. Auch im Rathaus war man durchaus stolz auf den Ruf als Surf-Hauptstadt Deutschlands. So postete etwa Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), als es unlängst Ärger wegen der Dianabadschwelle gab, eine zweite und kleinere Welle einige Hundert Meter bachabwärts, bei Instagram: „München ohne Surfen? Schwer vorstellbar!“
Der tödliche Unfall hat nun erst mal alles verändert. Nachdem die Feuerwehr die Eisbachwelle mit Zäunen abgesperrt hatte, erließ die Stadt kurz darauf eine Allgemeinverfügung: „Das Befahren des Eisbachs mit kleinen Fahrzeugen ohne eigene Triebkraft (insbesondere Surfbretter) im Bereich der Eisbachwelle am Haus der Kunst ist bis auf Weiteres verboten.“ Bei Verstößen drohen Bußgelder von bis zu 50.000 Euro.
Ob die Stadt das Surfen auf der Eisbachwelle überhaupt noch mal erlauben wird? Diese Frage treibt nun viele der geschätzten 3.000 bis 4.000 Wellenreiter in München um. „Man muss jetzt erst mal die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft abwarten, davon wird vieles abhängen“, sagt Franz Fasel. Derweil habe die IGSM der Stadt bereits „Denkanstöße mitgeteilt, wie man die Sicherheit erhöhen kann“.