Marjorie Taylor Greene und Thomas Massie.

analyse

Stand: 26.11.2025 12:58 Uhr

Ob es um die Epstein-Akten geht, um den Haushalt oder den Freihandel: Die Kritik an Präsident Trump in den Reihen der US-Republikaner nimmt zu – und die Kritiker bringen sich in Position.


Samuel Jackisch

Früher war sie Donald Trumps Verbündete, dann kämpfte die republikanische Abgeordnete Marjorie Taylor Greene um die Freigabe der Ermittlungsakten im Fall Jeffrey Epstein – gegen den Willen des US-Präsidenten. Eine „Verräterin“ hat Trump sie dafür genannt.

Am Ende setzte Greene den von ihr mitunterzeichneten Gesetzentwurf durch und holte auf den Stufen des Kapitols zum rhetorischen Gegenschlag aus: Ein Verräter, das sei ein Amerikaner, „der sich nur um andere Länder kümmert – und um sich selbst“. Den Namen des Präsidenten musste Greene nicht nennen, um verstanden zu werden.

Ruf nach traditionellen Parteipositionen

Die Rebellen in den Reihen der US-Republikaner kritisieren Trumps Entfremdung von traditionellen Parteipositionen wie Freihandel, Haushaltsdisziplin und staatlicher Zurückhaltung.

Während sich Greene auf Trumps Außenpolitik konzentriert, beklagt Thomas Massie, Abgeordneter im Repräsentantenhaus aus Kentucky, die Folgen der US-Zölle für die heimische Industrie und Landwirtschaft.

Die Abgeordnete Lauren Boebert aus Colorado schimpft auf die hohen Staatsausgaben. Und alle gemeinsam forderten die Veröffentlichung der staatsanwaltlichen Unterlagen im Fall Epstein.

Kritiker bringen sich in Position

Noch im Sommer wäre offene Opposition aus der eigenen Partei gegen die Politik des Präsidenten mindestens ungewöhnlich gewesen. Nun bringen sich die Kritiker selbst in Position – für eine USA und für eine Partei nach Trump.

Im Interview mit dem Sender ABC fordert Thomas Massie seine Parteikollegen direkt auf, sich nicht länger auf den Schutz durch Donald Trump zu verlassen. Dieser könne zwar bei den kommenden Abgeordnetenhauswahlen noch das eine oder andere Mandat für die Republikaner sichern.

Doch spätestens 2030 werde Trump verschwunden sein – während die Erinnerung der Wähler an gebrochene Wahlversprechen der Republikaner Bestand haben würden.

Begrenzte Gefahr für Trump

Wirklich gefährlich werden können Greene, Massie oder Boebert dem Einfluss Trumps auf seine Partei nicht. Doch selbst wenige Abweichler in den eigenen Reihen kann sich der Präsident mit Blick auf seine dünne Mehrheit im Abgeordnetenhaus kaum leisten.

Zumal auch im Senat Gegenstimmen innerhalb der Partei laut werden: etwa von den republikanischen US-Senatoren Ted Cruz, Rand Paul, Thom Tillis oder Susan Collins – und auf der Gouverneursebene der Bundesstaaten sowieso.

Trump selbst zeigt sich von den Profilierungsbemühungen seiner Parteikollegen genervt: Massie, Greene und Co. würden nur Zeit verschwenden, und „manchen dümmeren Republikanern“ gefalle das auch noch, formuliert Trump Mitte November.

Wer Trump widerspricht, wird im anstehenden Parlamentswahlkampf fallen gelassen, so die kaum verhohlene Drohung aus dem Weißen Haus.

Rückzug – und ein Neuanlauf?

Marjorie Taylor Greene kam Trump am vergangenen Wochenende zuvor und verkündete selbst ihren baldigen Rückzug aus dem Parlament – aber nicht aus der Politik. Ihre Republikanische Partei, so Greene, wolle sie für ihre Wahlversprechen zur Rechenschaft ziehen.

In einem zehnminütigen Online-Video schimpft Greene über das Verhalten Trumps, über große Pharma- und Tech-Konzerne, die gemeinsam mit dem „militärisch-industriellen Komplex“ die Abgeordneten beider Parteien sowie die Regierung in Washington im Griff hätten.

Mit ihrem Rückzug aus dem Parlament und der Positionierung als Outsider und Trump-Kritikerin, so vermuten Beobachter und Politikwissenschaftler in den USA, könnte Greene schon bald neuen Anlauf nehmen. Zum Beispiel für eine Wahl zur Gouverneurin oder Senatorin für ihren Bundesstaat Georgia.

Kritik an Trump à la Trump

Wer Trump beerben will, der muss auffallen – und noch mehr Trump und MAGA sein als das Original, analysiert der Politikwissenschaftler Grant Reeher von der Syracuse University im ARD-Interview. Wer immer Trump als Parteichef oder Präsidentschaftskandidat nachfolgen werde, werde „viel von seinem Stil übernehmen müssen, weil das die Basis so erwartet“, so Reeher.

Unter dieser Prämisse erscheint es strategisch vielversprechend, sich durch offene Kritik an Trump bei dessen Basis hervorzutun, anstatt durch möglichst hingebungsvolle Loyalität.

Der Wettstreit um die Nachfolge des allmächtigen Trump ist eröffnet. Dass sie die Veröffentlichung der Epstein Files erzwingen konnten, ist der bislang größte Erfolg seiner Kontrahenten aus der eigenen Partei. Und sie wollen weiterkämpfen – mit Trumps eigenen Mitteln.