Stand: 26.11.2025 15:32 Uhr

Die Deutsche Bahn zeigt in Animationen, wie eine neue Bahnstrecke zwischen Hamburg und Hannover aussehen könnte. Auch der Regionalverkehr könne die Gleise nutzen. Angedacht sind sogar neue Bahnhöfe. Doch ist das realistisch?

von Marlene Kukral

Die Felder von Dirk Zobel und Rolf Müller liegen zwischen den Orten Garlstorf und Gödenstorf (Landkreis Harburg). Zobel hat einen Pferdehof, Müller einen Milchviehbetrieb. Über ihre Felder soll sie laufen, die neue Bahntrasse zwischen Hamburg und Hannover. Das geht zumindest aus den aktuellen Plänen der Bahn hervor. „Unsere Existenz steht auf dem Spiel“, sagt Zobel. Wenn die Züge direkt an ihren Weiden vorbeifahren sollten, könnte er seinen Betrieb nicht mehr wie bisher weiterführen. Da helfe es auch nicht, dass die Region einen eigenen Bahnhalt bekommen könnte. Die Betonung liegt auf könnte. In Garlstorf und Gödenstorf hält man diese Pläne der Bahn für unrealistisch.

Ein Bahnhalt auf dem Damm

Die Bahn hat den möglichen Streckenverlauf mittlerweile animiert. Die Videos zeigen auch, wie mögliche Bahnhalte aussehen könnten. In Garlstorf wäre der Halt auf einem Damm, der Zugang für Reisende über Treppen oder einen Aufzug möglich. Sechs Gleise könnte es hier geben. So könnte ein Regionalzug hier halten, während ein ICE überholt. Jörg Kraus (parteilos), Bürgermeister der Gemeinde Gödenstorf, hält die schönen Bilder für eine Werbemaßnahme der Bahn. „Man versucht ja alle Kritiker der Bahntrasse irgendwo auf ihre Seite zu kriegen. Und deswegen werden auf einmal diese Nahverkehrshalte ins Spiel gebracht, die überhaupt nicht finanziell abgesichert sind“, sagt Kraus. Mit dieser Meinung ist er nicht allein.

Eine Karte zeigt den Verlauf einer Neubaustrecke und wo Bahnhalte möglich sind.

So könnte die neue Bahnstrecke nach Angaben der Bahn verlaufen. Ein Regionalzug könnte in Garlstorf, Soltau und Bergen halten.

Wer soll das bezahlen?

Bahnhöfe werden in Niedersachsen von den Kommunen finanziert. Zwei Bahnhöfe und ein Nahverkehrshalt sind in den Animationen zu sehen. Der Bahnhof „Soltauer Heide“ (Landkreis Heidekreis) wird mit einem großen Parkhaus dargestellt. Der Bahnhof in Bergen (Landkreis Celle) mit einem P+R Parkplatz. Beides müssten die Städte jeweils selbst bezahlen. Die Neubaustrecke soll westlich an Bergen vorbeiführen, entsprechend ist auch der Bahnhalt dort geplant. Eigentlich will die Stadt dort eine Umgehungsstraße bauen, sagt Claudia Dettmar-Müller (parteilos), die Bürgermeisterin der Stadt Bergen. „Dass dieser Bahnhof westlich der Stadt Bergen dargestellt wird, halte ich insofern auch für schwierig, weil mit uns als Stadt noch niemand darüber gesprochen hat, wie denn dann die Verkehrsströme laufen sollen.“ Anfahrtswege müssten auch von der Stadt bezahlt werden. Doch aktuell könne sich die Stadt weder einen Bahnhof, noch die Straßen dorthin leisten.

Angst vor falschen Hoffnungen

Für Dettmar-Müller ist es ärgerlich, dass durch die Animationen der Bahn den Bürgern falsche Hoffnungen gemacht werden. Die Stadt Bergen hat aktuell keinen Bahnhof. Dass hier wieder ein Regionalzug hält, würde auch der Bürgermeisterin gefallen. Doch dazu brauche es keine Neubaustrecke. Die alte Strecke zwischen Celle und Soltau könnte vielmehr reaktiviert werden, sagt sie. Doch die Pläne würden nicht umgesetzt, weil das Fahrgastpotenzial fehle. „Nun frage ich mich, wo kommen denn die Fahrgäste her für diesen neuen Haltepunkt?“, so Dettmar-Müller.

Bahn sieht Vorteile durch Express-Nahverkehr

„Wir sehen ein hohes Fahrgastpotenzial für den Regionalverkehr. Die Strecke verläuft da, wo wir aktuell noch keine haben“, sagte ein Bahnsprecher dem NDR Niedersachsen. Die Bahn stellt die Vorteile für die Region klar dar. Demnach könnte ein neuer Express-Nahverkehr entstehen. Die Bahnhöfe in Soltau und Bergen seien konzeptionell mitgedacht und geplant. Weitere Halte seien technisch möglich, so der Bahnsprecher. Fahrgäste könnten beispielsweise komfortabel mit dem Zug binnen 30 Minuten von Bergen in Hannover sein, wo Umstiege in den Fernverkehr die Weiterfahrt ermöglichen. So lange dauere aktuell bereits die Busfahrt von Bergen zum Bahnhof nach Celle, so die Bahn. Doch auch hier ist die Frage: Wer soll den Express-Nahverkehr bezahlen? Die Antwort: das Land Niedersachsen.

Land müsste neue Züge beschaffen

Den regionalen Nahverkehr müsste das Land finanzieren. Doch das will aktuell noch nicht über die Finanzierung eines Regionalverkehrs auf der Strecke nachdenken. „Wir reden über das Jahr 2050“, sagte Verkehrsminister Grant Hendrik Tonne (SPD) dem NDR Niedersachsen. Dann könnten vielleicht die ersten Regionalzüge auf der Strecke fahren. „Wir sind die letzten, die sich nicht wünschen würden, das so etwas möglich ist. Aber wir müssen uns die Rahmenbedingungen angucken“, so Tonne. Um den von der Bahn beworbenen Express-Nahverkehr auf die Schiene zu bringen, müsste das Land Züge beschaffen, die so schnell wie ICE-Züge seien und stark beschleunigen könnten. Nur so könnte der von der Bahn anvisierte Deutschlandtakt eingehalten werden. Man dürfe auch nicht den Eindruck erwecken, dass auf der Neubaustrecke beliebig viele Regionalzüge fahren könnten.

Bahn: Animationen sollen informieren, nicht überzeugen

Die Bahn sagt selbst, dass die Animationen der Strecke Ideen zeigen. „Mit den Animationen machen wir transparent, wie nahe wir an Ortschaften herankommen. Das ist aber weiterhin ein Entwurf“, so der Bahnsprecher. Die Videos sollen informieren, nicht überzeugen. Dennoch vermitteln sie vielen Menschen in der betroffenen Region den Eindruck, dass die Neubaustrecke bereits durchgeplant ist. Das sei psychisch belastend, sagt Landwirt Rolf Müller aus Gödenstorf. „Man hat das Gefühl, das wird in den großen Städten entschieden, in Bonn und Berlin und überall. Aber hier vor Ort, hier pflügt man durch und verkauft es als eine Wundertrasse.“ Noch ist weiter nicht entschieden, ob es eine Neubaustrecke geben wird. Der Bundestag befasst sich voraussichtlich im Frühjahr mit den Plänen. Sollten die politischen Entscheider in Berlin sich für eine Neubaustrecke aussprechen, kommen wohl auch die Ideen der Regionalbahnhöfe neu ins Spiel. Ob sie aber auch umgesetzt werden könnten, scheint aktuell eher unrealistisch.

Informationen aus der Region

Die NDR Reporterinnen und Reporter im Regionalstudio Lüneburg sind direkt vor Ort und berichten über das, was wichtig ist. Mit Leidenschaft und sorgfältiger Recherche bringen sie spannende Geschichten, inspirierende Menschen und aktuelle Ereignisse ins Programm – immer nah dran an dem, was Sie bewegt.

Der bisherige Streckenverlauf und die von der DB bevorzugte Neubauroute (links).

Alpha-E oder Neubau? – Die Zukunft der Bahnstrecke Hamburg-Hannover ist umstritten. Was ist der aktuelle Stand? Die wichtigsten Informationen zu dem Projekt.

Ein Kreuz steht als Protest gegen eine geplante Neubaustrecke der Bahn auf einem Hof beim «Heidegipfel» zu dem die Bürgerinitiativen Pro-Alpha-E und der Projektbeirat Alpha-E eingeladen haben.

Die Trasse zwischen den Städten ist überlastet. Wie die Situation entlastet werden soll, wird seit 1962 diskutiert. Ende in Sicht?

Ein ICE fährt auf der Bahntrasse zwischen Hannover und Hamburg.

Was ist Alpha-E? Um welche Bahnstrecke dreht sich der Streit? Was spricht für und gegen einen Neubau? Ein FAQ.

Das NDR Landesfunkhaus Niedersachsen in Hannover.

Ganz nah an den Menschen: Sechs Studios und sieben Korrespondentenbüros sind über ganz Niedersachsen verteilt.