Kiel. Die Kieler SPD bleibt zur Stichwahl um das Oberbürgermeister-Amt am 7. Dezember neutral. Das hat der Kreisvorstand am Mittwoch mitgeteilt. Demnach unterstützen die Sozialdemokraten weder Samet Yilmaz (Grüne) noch den von CDU und FDP aufgestellten Kandidaten Gerrit Derkowski. Die Entscheidung fiel nach einem internen Mitgliederabend am Dienstag, auf dem äußerst kontrovers diskutiert wurde, wie sich die SPD im weiteren OB-Wahlkampf verhalten soll.
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Damit bleibt das von den Grünen als Kooperationspartner in der Ratsversammlung erhoffte Signal für einen gemeinsamen Wahlkampf aus. Die beiden SPD-Kreisvorsitzenden Bianca Wöller und Enrico Tokar begründen den Entschluss des Vorstands mit der Lage ihrer Partei – und machen ihn nicht an der Person Samet Yilmaz fest. Dessen Namen nahmen sie gar nicht in den Mund.
SPD Kiel: Automatische Wahlempfehlung der falsche Weg
„Dieses Wahlergebnis ist ein Einschnitt“, sagte Enrico Tokar. Die SPD war bei der Oberbürgermeister-Wahl nur auf den dritten Platz gekommen. Damit ist klar, dass der nächste Kieler OB nach 17 Jahren erstmals kein Sozialdemokrat ist. „Wir haben lange Verantwortung getragen, aber politisch weiter Unterstützung verloren. Eine automatische Wahlempfehlung war daher für uns der falsche Weg.“
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Co-Vorsitzende Bianca Wöller betonte, die Kielerinnen und Kieler brauchten „keine Anleitung, um eine Entscheidung zu treffen“. Sowohl in der Stadt als auch in der Partei gebe es vielfältige Sichtweisen auf die Frage nach einer Wahlempfehlung, das habe der Mitgliederabend am Dienstag im Kulturzentrum Pumpe gezeigt. Tatsächlich war dort heiß diskutiert worden, wie Genossen berichten. Das Interesse war groß, rund 100 Genossen gekommen.

Die mögliche Verbindung von Samet Yilmaz zu den Grauen Wölfen soll die Debatte geprägt haben, berichtet ein Mitglied aus der Versammlung. Genossen mit Migrationshintergrund sollen Bedenken geäußert haben, in die Nähe der Grauen Wölfe gerückt zu werden, sollten sich die Sozialdemokraten für Samet Yilmaz aussprechen. Im Anschluss an den Parteiabend hatten sich die Kieler Jusos aus diesem Grund bereits öffentlich gegen eine Wahlempfehlung ausgesprochen.
„Niemand hält Samet Yilmaz für einen Grauen Wolf“
Grund sind die Vorwürfe, die im Oktober gegen den grünen OB-Kandidaten in Kiel aufgekommen waren. Samet Yilmaz hatte zuvor seinen Posten als Referatsleiter im Verfassungsschutz verloren und wurde ins Olympia-Referat versetzt. Er hatte im Juni 2025 die Bitte der Veranstalter des Frühlingsfests „Türkischer Tag“ in Kiel-Gaarden an die Stadt weitergeleitet, die Veranstaltung um einen Tag zu verlängern. Allerdings steht das Fest laut Verfassungsschutz in Verbindung zu den türkischen Rechtsextremen der Grauen Wölfe.
Nach den Vorwürfen hatte sich Samet Yilmaz von allen Arten des Rechtsextremismus distanziert. „Ich verabscheue türkischen Nationalismus“, so Yilmaz damals. Anfang November nahm die damalige Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) Samet Yilmaz öffentlich in Schutz. Yilmaz habe seine Arbeit immer verlässlich gemacht und sei ein geschätzter Mitarbeiter.
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SPD-Ratsherr Nesimi Temel, der am Dienstagabend vor Ort war, erklärte die Vorbehalte am Mittwoch genauer: „Niemand hält Samet Yilmaz für einen Grauen Wolf, aber für viele in der SPD ist der Fall noch nicht ausreichend aufgearbeitet.“ Allerdings sei die Meinung zur Wahlempfehlung gespalten gewesen. Viele Genossen haben sich demnach für die Unterstützung von Yilmaz ausgesprochen, viele aber auch dagegen. „Dass keine eindeutige Meinung abzulesen war, ist ein Argument mehr, neutral zu bleiben“, sagte er. Das sei jedoch nicht als Entscheidung gegen Yilmaz zu verstehen. „Es geht um die SPD, nicht um den grünen OB-Kandidaten.“
Grüne wünschten sich mehr Unterstützung von der SPD
So begründen es auch die Parteivorsitzenden. Der Schritt sei „Teil einer notwendigen Neuorientierung der SPD Kiel“. Enrico Tokar: „Unsere Grundrichtung steht, aber wir müssen eindeutiger werden.“ Die Debatten um die Wahlempfehlung der unterlegenen Sozialdemokraten hatte bereits nach der OB-Wahl am 16. November begonnen. Während etwa der Ortsverein Suchsdorf zur Unterstützung von Samet Yilmaz aufrief, sprach sich Alt-Oberbürgermeister und SPD-Grande Norbert Gansel (85) für Gerrit Derkowski aus.
Wir hätten uns mehr Unterstützung von der SPD gewünscht, die wir selber im umgekehrten Fall vorbehaltlos gegeben hätten.
Anke Oetken
Fraktionsvorsitzende der Grünen
„Nach all dem Gezerre war es zu erwarten, dass die Kieler SPD keine Unterstützung aussprechen wird“, sagte Grünen-Fraktionsvorsitzende Anke Oetken am Mittwochabend. Sie sei zuversichtlich, dass Samet Yilmaz für viele SPD-Wähler „ein gutes Angebot ist. Gleichwohl hätten wir uns mehr Unterstützung von der SPD gewünscht, die wir selber im umgekehrten Fall vorbehaltlos gegeben hätten“, stellte Oetken klar. Finn Pridat, Co-Vorsitzender der Kieler Grünen, zeigte sich enttäuscht. Die Grünen hätten „stets für ein sozial-ökologisches Kiel gekämpft“, sagte er. „Dass die SPD lieber mit sich selbst beschäftigt ist, als einen Kandidaten mit einem breiten sozialpolitischen Profil zu unterstützen, ist bedauerlich.“
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Was das für Grün-Rot im Rat bedeutet, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. „Diese Entscheidung stellt unsere Zusammenarbeit in der Kooperation mit den Grünen in der Ratsversammlung nicht infrage“, heißt es zumindest von der SPD.
KN