27.11.2025 – War es anfangs das EU-Parlament, das mehrheitlich strengere Richtlinien für ein Gesetz zu entwaldungsfreien Lieferketten durchsetzte, hat sich der Wind seit der vergangenen EU-Wahl im Sommer 2024 gedreht. Konservative und rechte Parteien haben seitdem ein Übergewicht im Straßburger Parlament und nutzen dies aus. Leidtragend vor allem: Gesetzesvorhaben für Umwelt- und Klimaschutz.

2021 hatte die EU-Kommission einen Verordnungsvorschlag für entwaldungsfreie Lieferketten vorgelegt. Holz, Kaffee, Kakao, Palmöl, Rindfleisch und Soja sowie daraus gewonnene Produkte sollen strengeren Importregularien unterliegen und nicht mehr in der EU vertrieben werden, wenn deren Herstellung unter bestimmten Umständen Entwaldung verursacht hat. Eine Mehrheit im EU-Parlament drängte daraufhin auf eine noch weitreichendere Fassung. Auch Kautschuk, Holzkohle und bedrucktes Papier sollten demnach den strengen Importregularien unterliegen. Zudem sollten mögliche Menschenrechtsverletzungen stärker kontrolliert und der Zugang geschädigter zur Justiz erleichtert werden.

Teile der strengeren Regularien setzte das Parlament auch in den sogenannten Trilogverhandlungen mit Rat und EU-Kommission durch, sodass das Gesetz im Juni 2023 formal in Kraft trat, jedoch mit Übergangsfristen – für große Unternehmen bis Dezember 2024 und für kleine Unternehmen bis Juni 2025. Nach einem Aufschrei von Unternehmen, die die Verordnung als zeitlich nicht umsetzbar sahen, schlug die EU-Kommission Ende 2024 eine Verschiebung der Anwendungsfrist um ein Jahr vor. Eine Verschiebung, der fast alle EU-Parlamentarier:innen folgen konnten.

Die EVP aber – die bürgerlich-konservative Partei, der auch CDU und CSU angehören – brachte einen Änderungsantrag im Europäischen Parlament ein, wonach unter anderem eine Kategorie von sogenannten Nicht-Risiko-Ländern eingeführt werden soll. Für Produkte aus diesen Ländern würden dann deutlich laxere Regeln bei den Lieferketten und dem Schutz des Waldes gelten. Die Fraktionen von Grünen, Linken, Sozialdemokraten und Liberalen sprachen sich gegen Änderungen aus. Doch mit der Europawahl im Juni hatten EVP, die im politischen Spektrum rechts von ihr stehende Fraktion EKR – die Europäischen Konservativen und Reformer, sowie die rechte Fraktion Identität und Demokratie und weitere rechte Parteien eine Mehrheit und drückten die Änderungsanträge zunächst durch.

„Das ist kein Ausrutscher, das ist eine Strategie“

Am Ende konnten sich Fraktionen der Mitte und Konservative doch noch einigen und es wurde lediglich eine Verschiebung beschlossen. Knapp ein Jahr später aber beginnt das gleiche Spiel von vorn. Die EU-Kommission hatte eine weitere Verschiebung sowie Vereinfachung aufgrund von IT-Problemen vorgeschlagen. Das vorgesehene System zur Aufnahme der Anträge im Zuge des Gesetzes sei noch nicht voll einsatzbereit. Zudem sollen nachgelagerte Betreiber und Händler nicht mehr verpflichtet sein, Sorgfaltserklärungen vorzulegen. Auch sollen kleine und Kleinst-Primärerzeuger künftig nur noch eine einmalige vereinfachte Erklärung abgeben müssen.

Für viele Abgeordnete aus den Fraktionen von Linken, Grünen und Sozialdemokraten ein unverständlicher Vorgang. Doch konservative und rechte Fraktionen griffen die Vorschläge der EU-Kommission dankbar auf und stimmten am gestrigen Mittwoch mehrheitlich dafür. Anna Cavazzini, Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, kommentiert: „Die Konservativen verbünden sich wieder mit der extremen Rechten. Das ist kein Ausrutscher, das ist eine Strategie. Die Weltklimakonferenz ist erst wenige Tage vorbei, da haben es Konservative und extreme Rechte auf die Wälder abgesehen.“ Die Verschiebung bedeute die Vernichtung von bis zu 150.000 Hektar Wald.

Laut Cavazzini würden Unternehmen und Handelspartner die erneute Verschiebung und Veränderung des Gesetzes vor allem als regulatorische Unsicherheit empfinden. Sie hätten teilweise schon Millionen investiert, um die Anforderungen des Gesetzes bis Ende dieses Jahres erfüllen zu können. „Das Hin und Her schadet den Wäldern, schafft Planungsunsicherheit und bestraft all die vielen Unternehmen, die sich auf die neuen Regeln vorbereitet hatten. Es liegt nun in der Hand der EU-Kommission. Ich fordere die EU-Kommission nachdrücklich auf, ihren Änderungsvorschlag zurückzuziehen und sich schützend vor die Wälder zu stellen.“

Erst Mitte November hatten Konservative und Rechte im Parlament eine Abschwächung des EU-Lieferkettengesetzes durchgebracht. Ein Gesetz, das Unternehmen dazu verpflichtet Maßnahmen zu ergreifen, wenn die Wertschöpfung in Teilen ihrer Lieferkette Menschenrechte, Klima und Umwelt gefährdet. Mit der durchgebrachten Abschwächung wird die Pflicht für Unternehmen Klimatransitionspläne zu erstellen aus dem Lieferkettengesetz gestrichen. Sie müssen lediglich angeben, ob sie dies freiwillig tun.

Diese Änderungen reihen sich in eine ganze Reihe von Vorhaben ein, vermeintlich Bürokratie abzubauen, um die Wirtschaft zu stärken – die sogenannten Omnibus-Initiativen. Doch es zeigt sich, dass damit auch Umwelt- und Klimastandards abgebaut werden. mg