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Spezielle Gammastrahlen enthüllen möglicherweise Dunkle Materie – nach langer Unsichtbarkeit könnte sie erstmals direkt von Forschern beobachtet worden sein.

Tokio – Seit fast 100 Jahren ist Dunkle Materie eines der größten Rätsel des Universums – unsichtbar, nur indirekt nachweisbar, aber unverzichtbar für den Zusammenhalt von Galaxien. Jetzt könnte ein japanischer Wissenschaftler geschafft haben, was Generationen von Forschenden vor ihm nicht gelang: die mysteriöse Materie erstmals direkt zu „sehen“.

Im Universum muss es dunkle Materie geben, die Galaxien zusammenhält. Nur gesehen hat sie bisher niemand. (Archivbild)Im Universum muss es dunkle Materie geben, die Galaxien zusammenhält. Nur gesehen hat sie bisher niemand. (Archivbild) © IMAGO/Christian Grube

Professor Tomonori Totani von der Universität Tokio hat mit Daten des Fermi-Gammastrahlen-Weltraumteleskops der NASA spezifische Gammastrahlen entdeckt, die genau den theoretischen Vorhersagen für Dunkle Materie entsprechen. „Wir haben Gammastrahlen mit einer Photonenenergie von 20 Gigaelektronenvolt entdeckt, die sich in einer haloartigen Struktur zum Zentrum der Milchstraße hin erstrecken“, erklärt Totani in einer Pressemitteilung der Universität Tokio. Die Gammastrahlen-Emission passe „genau zu der Form, die von einem Dunkle-Materie-Halo erwartet wird“.

Dunkle Materie interagiert nicht mit elektromagnetischer Strahlung

Das Problem mit Dunkler Materie war bisher, dass sie mit elektromagnetischer Strahlung nicht interagiert – sie absorbiert, reflektiert oder emittiert kein Licht. Erstmals beobachtet hatte das Phänomen der Schweizer Astronom Fritz Zwicky in den frühen 1930er Jahren: Galaxien im All bewegten sich schneller, als ihre sichtbare Masse erlauben sollte. Zwicky folgerte, dass es eine Art unsichtbares Gerüst geben müsse – Dunkle Materie –, das die Galaxien zusammenhält.

Viele Forscher vermuten, dass Dunkle Materie aus sogenannten WIMPs besteht – „weakly interacting massive particles“, also schwach wechselwirkenden massiven Teilchen, die schwerer als Protonen sind. Die Theorie besagt: Wenn zwei WIMPs kollidieren, vernichten sie sich gegenseitig und setzen dabei unter anderem Gammastrahlen-Photonen frei. Genau nach diesen Gammastrahlen haben Forschende jahrelang in Regionen gesucht, wo Dunkle Materie konzentriert sein müsste – etwa im Zentrum der Milchstraße.

Blick in die Tiefen des Universums – So sieht „Hubble“ das WeltallDiese Aufnahme der elliptischen Radiogalaxie Hercules A stammt ebenfalls vom „Hubble“-Weltraumteleskop der Nasa. Die Galaxie ist 2,1 Milliarden Lichtjahre entfernt und befindet sich im Sternbild Herkules. Zu sehen sind riesige Plasma-Jets, die vermutlich von einem supermassereichen schwarzen Loch im Innern der Galaxie angetrieben werden.Fotostrecke ansehenGammastrahlen passen zum vorhergesagten Verhalten der Dunklen Materie

Totanis Messungen zeigen Gammastrahlen mit einem Energiespektrum, das exakt zur vorhergesagten Vernichtung von hypothetischen WIMPs passt – mit einer Masse von etwa 500-mal der eines Protons. Auch die Häufigkeit der WIMP-Vernichtung, abgeleitet aus der gemessenen Gammastrahlen-Intensität, liegt im Bereich der theoretischen Vorhersagen. Ein sehr wichtiger Aspekt ist auch, dass diese Gammastrahlen-Messungen sich nicht einfach durch andere astronomische Phänomene erklären lassen.

Gammastrahlen-Aufnahme des Milchstraßen-Halo. Der horizontale graue Balken im mittleren Bereich entspricht dem Bereich der galaktischen Ebene, der aus der Analyse ausgeschlossen wurde, um starke astrophysikalische Strahlung zu vermeiden.Gammastrahlen-Aufnahme des Milchstraßen-Halo. Der horizontale graue Balken im mittleren Bereich entspricht dem Bereich der galaktischen Ebene, der aus der Analyse ausgeschlossen wurde, um starke astrophysikalische Strahlung zu vermeiden. © Tomonori Totani, The University of Tokyo

„Wenn das korrekt ist, wäre es nach meinem Wissen das erste Mal, dass die Menschheit Dunkle Materie ‚gesehen‘ hat“, sagt Totani. „Und es stellt sich heraus, dass Dunkle Materie ein neues Teilchen ist, das nicht im aktuellen Standardmodell der Teilchenphysik enthalten ist. Das bedeutet eine große Entwicklung für Astronomie und Physik.“ Die Studie wurde im Journal of Cosmology and Astroparticle Physics veröffentlicht.

Zur Bestätigung Dunkler Materie sind noch zusätzliche Beweise nötig

Dennoch ist Vorsicht geboten: Totanis Ergebnisse müssen durch unabhängige Analysen anderer Forscherinnen und Forscher bestätigt werden. Zusätzliche Beweise wären nötig – etwa der Nachweis derselben Gammastrahlen-Emissionen in Zwerggalaxien innerhalb des Milchstraßen-Halos, wo ebenfalls hohe Konzentrationen Dunkler Materie vermutet werden. „Das könnte erreicht werden, sobald mehr Daten gesammelt sind“, so Totani. „Und wenn ja, würde es noch stärkere Beweise liefern, dass die Gammastrahlen von Dunkler Materie stammen.“ (Quellen: Pressemitteilung, Studie) (tab)