Damit ist der Ulmer Abgeordnete Marcel Emmerich nicht zufrieden: Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) habe am Mittwochmorgen bei einer von den Grünen beantragten Sondersitzung des Innenausschusses Fragen ignoriert und sei „konkrete Antworten schuldig“ geblieben, teilt der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion auf Anfrage mit. „Noch immer existiert kein belastbarer Plan zur Evakuierung der Menschen mit Aufnahmezusage – lediglich vage Versprechen und die Aussicht auf mögliche Flüge bis Jahresende“, kritisiert Emmerich.

Knapp 1900 Afghanen warten in Pakistan auf Ausreise

Es geht um Afghaninnen und Afghanen, die für die Bundesregierung als sogenannte Ortskräfte tätig waren oder sich auf andere Weise gegen die Taliban gestellt haben. Insgesamt warten knapp 1900 Menschen aus verschiedenen Aufnahmeprogrammen auf eine Aufnahme in Deutschland. Derzeit halten sie sich in Gästehäusern in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad auf. Das Problem dabei ist: Die pakistanische Regierung will die Afghanen loswerden – und die Bundesregierung will sie nicht aufnehmen. Im Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD darauf verständigt, alle freiwilligen Aufnahmeprogramme möglichst zu beenden.

Dobrindt hält spätere Ausreisen für möglich

Pakistan hat angekündigt, die Menschen im kommenden Jahr nach Afghanistan abzuschieben, sollte die Bundesregierung die Aufnahmeverfahren nicht bis zum Jahresende abgeschlossen haben. Dobrindt sieht bei der Frist aber offensichtlich Spielraum. In der nicht öffentlichen Sitzung des Innenausschusses hat er nach Teilnehmerangaben davon gesprochen, dass Ausreisen auch im Januar und Februar möglich seien. Er sei aber eine Antwort auf die Frage schuldig geblieben, „wie dies praktisch umgesetzt werden soll“, sagt Emmerich.

Bundesregierung bewertet Ansprüche unterschiedlich

Seit der Regierungsübernahme durch die schwarz-rote Koalition kamen zwar durchaus Afghanen mit Aufnahmezusage in Deutschland an, sie mussten aber teilweise klagen, um ihre Einreise durchzusetzen. Die Bundesregierung bewertet zudem ihren Rechtsanspruch unterschiedlich. Menschen, die ihre Aufnahme über die Menschenrechtsliste oder das Überbrückungsprogramm erhalten haben, könnten – anders als die Ortskräfte – ausgeschlossen werden. „Ein klarer Widerspruch, der zeigt, dass es nicht um rechtsstaatliche Prinzipien, sondern um Symbolpolitik auf dem Rücken der Feinde der Taliban geht“, so Emmerich.

Geldangebot bei Nichteinreise

Auch das kreiden die Grünen dem Bundesinnenminister an: Im November war bekannt geworden, dass afghanischen Flüchtlingen in Pakistan Geld und Sachleistungen angeboten wurden, wenn sie auf eine Einreise nach Deutschland verzichten. Das Bundesinnenministerium verschickte laut verschiedenen Medienberichten entsprechende E-Mails an die betroffenen Afghanen. Emmerich hält dieses Angebot nicht nur für „respektlos und unmenschlich“, er kritisiert auch, dass das Geld sozusagen zweckentfremdet wurde, da es aus einem Haushaltstitel stamme, der für andere Dinge vorgesehen sei. „Die Verwendung der Gelder zur Abwehr der Einreise von Menschen wurde zweckwidrig und am Parlament vorbei für ein vergiftetes Angebot genutzt“, kritisiert der Innenpolitiker.

Bislang insgesamt rund 36.300 Menschen aufgenommen

Seit Mai 2021 sind etwa 21.000 afghanische Ortskräfte und ihre Familien nach Deutschland eingereist, insgesamt wurden über die verschiedenen Aufnahmeprogramme rund 36.300 Menschen aufgenommen. Eine Zusage bekamen beispielsweise auch Richter, Menschenrechtler, Künstler oder Journalisten, die durch die Taliban gefährdet sind. In der vergangenen Woche waren 52 Afghanen angekommen.