München/Berlin – Deutschland verliert seine Industrie – und das im Rekordtempo! Die neue Ausgabe des sogenannten Supply Chain Pulse Check (Lieferkettenanalyse) von Deloitte und dem Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) schlägt Alarm: Nahezu jedes fünfte Unternehmen produziert nicht mehr in Deutschland (19 %). Vor zwei Jahren waren es noch deutlich weniger. Jetzt beschleunigt die Zollpolitik den Exodus.
Und es bleibt nicht bei der Produktion. Auch andere Kernbereiche verabschieden sich aus der Bundesrepublik:
► 17 % verlagern ihre Entwicklung (2023: 12 %)
► 13 % ihre Forschung (2023: 10 %)
► 18 % die Endmontage (2023: 11 %)
Ein Trend, der sich dramatisch zuspitzen wird: 43 Prozent der Firmen planen in den nächsten zwei bis drei Jahren, ihre Produktion zu verlagern – vor zwei Jahren waren es nur 33 Prozent. Bei Entwicklung (30 %), Forschung (35 %) sowie Einkauf, Vertrieb und Marketing zieht es immer mehr Unternehmen ins Ausland.
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Wohin wandern die Firmen ab? DAS sind die Top-Ziele:
► Andere europäische Länder: 30 %
► USA: 26 %
► Asien (ohne China): 19 %
► China: 16 %
► Indien: 14 %
Doch der Schritt ist riskant, warnt Deloitte-Experte Dr. Jürgen Sandau: „Kurzfristig können die Unternehmen anderswo zwar kostengünstiger produzieren, aber dadurch werden sie nicht unbedingt resilienter.“ Und weiter: „Wenn sich der neue Standort nicht als sicherer Hafen erweist, macht ein Lieferstillstand sehr schnell alle Einsparungseffekte zunichte.“
Rückverlagerungen? Nur bei 9 % (aus China) und 7 % (aus den USA). Ein Tropfen auf den heißen Stein. Gleichzeitig steigen die Kosten im Inland rasant: 66 % kämpfen mit höheren Beschaffungskosten, 52 % mit steigenden Verwaltungsausgaben und 53 % mit sinkenden Margen. Die Sicherung globaler Lieferketten wird immer aufwendiger. Bei 39 % der Firmen sind die Ausgaben dafür stark oder sehr stark gestiegen.
KI könnte helfen – doch kaum jemand nutzt sie
Zwar sehen viele Unternehmen enormes Potenzial in künstlicher Intelligenz: 54 % glauben, dass KI die Lieferkette stark optimieren kann, 58 % erwarten eine deutliche Effizienzsteigerung, 65 % sehen Vorteile im Bestandsmanagement und 46 % bei der Entscheidungsfindung.
► Doch die Realität sieht anders aus: Nur 41 % setzen moderne Technologien zur Früherkennung von Lieferrisiken ein – und gerade einmal 34 % nutzen KI zur Planung ihrer Supply Chain.
Deloitte-Experte Sandau mahnt: „Umfassend digitalisierte und diversifizierte Lieferketten können helfen, Produktionsstopps und Lieferengpässe zu vermeiden. Für die Resilienz der Unternehmen ist das eine wesentliche Voraussetzung.“
Hintergrund
Für die aktuelle Ausgabe des Supply Chain Pulse Check wurden im September und Oktober dieses Jahres 148 Lieferketten-Verantwortliche des produzierenden Gewerbes befragt, insbesondere in den Branchen Automobil, Technologie, Maschinenbau, Energie und Chemie.