
AUDIO: Smartphone oder Rassel: „Kinder, Kinder“ im Bucerius Kunst Forum (3 Min)
Stand: 27.11.2025 10:30 Uhr
Kinder gelten seit jeher als Statussymbol – auch in der Kunst. Das Bucerius Kunst Forum in Hamburg zeigt mehr als 150 Darstellungen vom 16. Jahrhundert bis heute – sehr erheiternd, manchmal traurig und immer faszinierend.
In steifem Gewand mit Halskrause ist ein Säugling zu sehen, sechs Monate alt ist er – und er steht. Ernsthaft ist der Blick und die metallene Rassel, die er in der Hand hält, scheint viel zu schwer zu sein für das Baby. Es ist ein niederländisches Bildnis aus dem Jahr 1626, Teil der Ausstellung „Kinder, Kinder – Zwischen Repräsentation und Wirklichkeit“ im Hamburger Bucerius Kunst Forum.
„Es gab in dieser Zeit eine Massenproduktion in Werkstätten, die Bilder vorgefertigt haben. Die Figur samt Kleidung wurde schon angelegt“, erklärt Kuratorin Katrin Dyballa. Dann habe es einen spezialisierten Maler gegeben, der nur noch den Kopf nachträglich eingesetzt hat.
Am Anfang stehen religiöse Mutter-Kind-Bilder

Katrin Dyballa hat eine wunderbare Ausstellung zusammengestellt.
Katrin Dyballa hat diese großartige Ausstellung zusammengestellt. Mehr als 150 teilweise sehr großformatige Werke sind hier thematisch in sechs Kapitel unterteilt – von Mutter, Vater, Kind über den gesellschaftlichen Status bis hin zu Kindsein zwischen Spiel und Schule. Das ist teilweise sehr erheiternd, manchmal traurig und immer faszinierend.
Am Anfang stehen Mutter-Kind-Bilder. Es sind religiöse Madonnen-Darstellungen. „Überspitzt könnte man sagen, das Christuskind ist vielleicht die Ur- oder Keimzelle, Kinder darzustellen im Bild“, sagt Dyballa.
Väter und gesellschaftlicher Status in der Bildkunst
Die Väter in diesen frühen Werken des 16. und 17. Jahrhunderts hingegen tauchen eher sporadisch auf. „Wenn die Väter ins Bild kommen, dann ist es nicht immer, aber primär ein repräsentativer Charakter, dass der Vater stolz den Nachwuchs – in der Regel den Sohn – vorstellt, der Stammhalter der Familie ist“, so die Kuratorin. Zu sehen ist hier auch Willy Brandt 1963, damals Bürgermeister Berlins, auf einem Spaziergang mit seinen Söhnen.
Spiel und Freiheit: Wandel ab dem 17. Jahrhundert
Ende des 17. Jahrhunderts findet ein sichtbarer Wandel statt: Durch die Reformpädagogik von John Locke und Jean-Jacques Rousseau toben Kinder jetzt in freier Natur und sind nicht immer nur in enge Erwachsenenanzüge gezwungen.
Auf dem „Bildnis der Kinder des Lord Cavendish“ von 1790 etwa sieht man einen der Söhne in einem blauen, lässig sitzenden einteiligen Spielanzug. „Der war da kurz vorher erfunden worden, der sogenannte skeleton suit, weil er für mehr Bewegungsfreiheit beim Spiel sorgte“, sagt Dyballa.
Realität und Ideal: Kinder außerhalb wohlhabender Kreise
Bilder armer Bauerskinder sind eher einer Genremalerei zuzurechnen statt realistischen Darstellungen. Und das aus gutem Grund, wie Dyballa erklärt: „Sie haben dann ein Lächeln ins Gesicht geschrieben, sie schauen nicht krank aus. Das ist sicher deshalb so gemalt worden, damit die Werke verkauft werden konnten.“ Fotos ärmlicher Kinder aus den 1960er-Jahren zeigen diese nicht mehr beschönigend in üppigen Gärten, sondern auf Straßen oder Feldern spielend.
Eines zieht sich durch die Jahrhunderte: Spielzeug. Während eine kleine Bürgerstochter um 1800 ihre Puppe im Arm hält, starrt die Teenagerin Julia auf einem Foto von Rineke Dijkstra aus dem Jahr 2022 in ihr Smartphone.
Man geht beseelt aus dieser Ausstellung heraus – und angesichts des letzten Bildes auch schmunzelnd: Da steht ein kleines Mädchen 1997 am Strand, die Hände in die Hüften gestemmt blickt es den Betrachtenden frech über die Schulter an – wunderbar!
Zu sehen ist „Kinder, Kinder!“ vom 28. November 2025 bis zum 6. April 2026 im Bucerius Kunst Forum.