Konstantin Wecker singt über Mädchen, die wie Äpfel aussehen, über Liebe, Genuss und Überschwang. Kein Wunder, dass sich so einer nicht bremst, wenn er eine 15-Jährige begehrt. Was den Fall so typisch macht, ist noch etwas anderes
Konstantin Wecker im Jahr 1989
Foto: United Archives/Imago Images
Die neuesten Enthüllungen über Konstantin Wecker aus dem Jahr 2011 sind verstörend, doch bleibt die Verwunderung eher aus. Das hat Gründe: „Genug ist nicht genug“, hat er gesungen – Der Liedermacher hat schon immer mit der naturgewaltig bourgeoisiesprengenden Macht des Genusses gespielt. Ist es da nicht konsequent, dass er sich auch im Alter von 63 nicht bremsen wird, wenn sich die Gelegenheit eines 15-jährigen Fangirls bietet? Er hat gewartet, bis sie 16 war, aber er wollte sofort mit ihr ins Bett. Er wusste also genau, was er tat.
Verwunderlich ist dieser neue Eintrag im endlosen Register der Promi-Machtmissbräuche also nicht, weh tut er trotzdem. Die frühen Lieder von Konstantin Wecker, die aus den 1970ern, waren so gut und haben etwas versprochen – Wildheit, Wagnis, eine ungebremste Lust, die aber für Frauen auch immer ein bisschen gefährlich klang: „Heit schaugn die Madln wia Äpfel aus“, sang er. Und in einem Liebeslied: „Und dann breit ich mich einfach aus in dir“.
Konstantin Wecker lässt „sein tiefstes Bedauern“ ausdrücken
Im Rückblick bekommt das alles einen schalen Beigeschmack, und alles ist so bekannt: Boys will be boys. Der linke Machismo ist nicht besser als der rechte, und solange das fatale Dreieck von Macht, Männlichkeit und Begehren besteht, wird sich nichts ändern. Solange das Patriarchat das Begehren strukturiert, werden Machtmissbrauch und sexuelle Gewalt nicht aufhören, werden Fangirls und Fanboys mit und ohne Zustimmung im Rachen ihrer männlichen (und auch weiblichen) Idole landen. Nichts wird sich ändern, bevor sich diese Strukturen nicht radikal verflüssigen und voneinander lösen.
Viel ist geschehen seit den 70ern. Wecker poltert nicht in Altherrenmanier, sondern lässt über einen Anwalt „sein tiefstes Bedauern ausdrücken“. Es handle sich um „unter moralischen Maßstäben (…) gänzlich unangemessenes Verhalten“ und es tue ihm leid. Wirklich erschütternd an dem Schreiben ist aber die hinzugefügte Erklärung, Wecker habe 2011 mit seiner Alkoholsucht zu kämpfen gehabt und könne sich daher „an die damalige Zeit kaum erinnern“.
Aus der Traum von der wilden Lust eines Konstantin Wecker
Welch brutaler Schlag, und was für ein Bild geschlechtlicher Ungleichheit. Die Verliebtheit in den Star und deren fatale Erfüllung bestimmen traumatisch das Leben einer jungen Frau, während es für den Star noch nicht einmal eine Episode ist. Ihre Lebensgeschichte ist nichts weiter als ein Kollateralschaden seiner Alkoholkrankheit. Nichts weiter als ein böser Unfall auf den gut geteerten Schnellstraßen der Frauenverachtung und der rücksichtslosen sexuellen Ausbeutung romantischer Wünsche, nicht nur durch Konstantin Wecker: Ach, wir dachten, das sei einvernehmlich, und sorry, Babes, in Wahrheit seid ihr nichts als Fickmasse.
Brutal ist dieses „Ich kann mich nicht erinnern“ und trostlos. Denn wie sehr ist die wilde Sehnsucht eines Konstantin Wecker auf den Hund gekommen! Pervertiert zur Sucht durch deren süßes Versprechen, sie könne Träume eins zu eins wahr machen. Den Traum von der romantischen Liebe bei „Johanna“, wie die Frau in der Recherche der Süddeutschen Zeitung heißt, den Traum von der Lust bei Wecker. Den Traum einer linken Avantgarde, die glaubte, über Begehren und Genuss ein bürgerliches Korsett sprengen zu können, und dabei unversehens zum Schmiermittel spätkapitalistischer Selbst- und Weltausbeutung wurde. Party, Sex, Drogen, Cash. Was bitte ist daran anarchistisch?
„Genug kann nie genügen“, hat Konstantin Wecker gesungen. Was einmal wie ein Befreiungsschlag klang, hat sich als spießiger Kitsch enthüllt, als ewig gleicher Rollback in patriarchale Machtstrukturen. Wir brauchen ein neues Begehren. Wir brauchen andere Träume.
ie frühen Lieder von Konstantin Wecker, die aus den 1970ern, waren so gut und haben etwas versprochen – Wildheit, Wagnis, eine ungebremste Lust, die aber für Frauen auch immer ein bisschen gefährlich klang: „Heit schaugn die Madln wia Äpfel aus“, sang er. Und in einem Liebeslied: „Und dann breit ich mich einfach aus in dir“.Konstantin Wecker lässt „sein tiefstes Bedauern“ ausdrückenIm Rückblick bekommt das alles einen schalen Beigeschmack, und alles ist so bekannt: Boys will be boys. Der linke Machismo ist nicht besser als der rechte, und solange das fatale Dreieck von Macht, Männlichkeit und Begehren besteht, wird sich nichts ändern. Solange das Patriarchat das Begehren strukturiert, werden Machtmissbrauch und sexuelle Gewalt nicht aufhören, werden Fangirls und Fanboys mit und ohne Zustimmung im Rachen ihrer männlichen (und auch weiblichen) Idole landen. Nichts wird sich ändern, bevor sich diese Strukturen nicht radikal verflüssigen und voneinander lösen.Viel ist geschehen seit den 70ern. Wecker poltert nicht in Altherrenmanier, sondern lässt über einen Anwalt „sein tiefstes Bedauern ausdrücken“. Es handle sich um „unter moralischen Maßstäben (…) gänzlich unangemessenes Verhalten“ und es tue ihm leid. Wirklich erschütternd an dem Schreiben ist aber die hinzugefügte Erklärung, Wecker habe 2011 mit seiner Alkoholsucht zu kämpfen gehabt und könne sich daher „an die damalige Zeit kaum erinnern“.Aus der Traum von der wilden Lust eines Konstantin WeckerWelch brutaler Schlag, und was für ein Bild geschlechtlicher Ungleichheit. Die Verliebtheit in den Star und deren fatale Erfüllung bestimmen traumatisch das Leben einer jungen Frau, während es für den Star noch nicht einmal eine Episode ist. Ihre Lebensgeschichte ist nichts weiter als ein Kollateralschaden seiner Alkoholkrankheit. Nichts weiter als ein böser Unfall auf den gut geteerten Schnellstraßen der Frauenverachtung und der rücksichtslosen sexuellen Ausbeutung romantischer Wünsche, nicht nur durch Konstantin Wecker: Ach, wir dachten, das sei einvernehmlich, und sorry, Babes, in Wahrheit seid ihr nichts als Fickmasse.Brutal ist dieses „Ich kann mich nicht erinnern“ und trostlos. Denn wie sehr ist die wilde Sehnsucht eines Konstantin Wecker auf den Hund gekommen! Pervertiert zur Sucht durch deren süßes Versprechen, sie könne Träume eins zu eins wahr machen. Den Traum von der romantischen Liebe bei „Johanna“, wie die Frau in der Recherche der Süddeutschen Zeitung heißt, den Traum von der Lust bei Wecker. Den Traum einer linken Avantgarde, die glaubte, über Begehren und Genuss ein bürgerliches Korsett sprengen zu können, und dabei unversehens zum Schmiermittel spätkapitalistischer Selbst- und Weltausbeutung wurde. Party, Sex, Drogen, Cash. Was bitte ist daran anarchistisch?„Genug kann nie genügen“, hat Konstantin Wecker gesungen. Was einmal wie ein Befreiungsschlag klang, hat sich als spießiger Kitsch enthüllt, als ewig gleicher Rollback in patriarchale Machtstrukturen. Wir brauchen ein neues Begehren. Wir brauchen andere Träume.