Dani Suara hat Dieter Bohlen beeindruckt. Was führt ihn nun von der RTL-Show „das Supertalent“ zum Tanztee nach Stuttgart-Giebel?

Der Kontrast könnte kaum größer sein. Es nieselt, es ist dunkel. Und wer über den Ernst-Reuter-Platz in Giebel geht, der fragt sich, was der früherer Bürgermeister von Berlin und Vater von Edzard Reuter angestellt hat, damit dieser triste Ort nach ihm benannt wurde. Vielleicht liegt es aber auch einfach an diesem trüben Novemberabend, dass sich der Charme des Platzes nicht sofort erschließt. Dann Treppen runter, an der Salvatorkirche vorbei, hinein ins Gemeindezentrum. Und plötzlich wird es warm, hell und licht.

Supertalent Suara macht auf Geburtstagsparty Musik

Sofort fühlt man sich wohl in dem Sechseck mit Zeltdach, das 1988 eingeweiht wurde und zum Zentrum des Stadtteils geworden ist. So ging es auch Dani Suara (43). Damals war er noch kein „Supertalent“, hatte noch nicht im Fernsehen Dieter Bohlen und Bruce Darnell sowie Boris Beckers Tochter Anna Ermakova vorgesungen. Damals lebte er noch nicht von der Musik alleine; schaffte noch gemeinsam mit Birgit Feurer bei der Postbank. Die Kirchengemeinderätin feierte ihren Geburtstag in dem Gemeindezentrum, und der Zuffenhäuser Suara sorgte für die Musik. Es machte allen so sehr Spaß, dass Suara und Feurer beim Kehraus sagten, man müsse unbedingt mal was machen. Ein Konzert oder womöglich eine Disco.

Heraus kam ein Tanztee. Am Samstag, 29. November, legt Suara im Gemeindezentrum auf; im Prinzip alles, was tanzbar ist. Elvis, Abba, Discofox, Jive, der DJ ist da ganz offen, sagt er und grinst. Weil er an den Geburtstag denkt und erzählt, wie da eine ältere Dame an einer Krücke nach vorne auf die Tanzfläche kam und schwofte. „Das war sensationell“, sagt Suara, „das feiere ich.“ Wenn die Dame ihm ansonsten begegne, ihn im Kapuzenpulli sehe und da drauf guckt, „da erschrickt sie wahrscheinlich“. Er streckt seine Hände vor, tätowiert. Aber wenn er mit diesen Händen Musik macht, dann kommen wir zusammen. „Das ist mein Ziel, Menschen zusammenbringen!“

Die Salvatorkirche in Giebel Foto: Leonie Schüler

Wer will das nicht? Was bei anderen wohlfeil klingt, nimmt man ihm ab. Weil er ein Leben gelebt hat, das ihm viel abverlangt hat Aufgewachsen in schwierigen Verhältnissen, wie man das nennt und was viel zu harmlos klingt. Sucht, Schläge, überforderte Eltern, seine drei Brüder und er hatten viel mehr zu ertragen als für Kinder gut ist. Mit seinem jüngeren Bruder Robin war er im Heim, im betreuten Wohnen. Doch mit 17 starb Robin an einer Viruserkrankung.

Dank an Oma und Opa von Supertalent Dani Suara

Musik war Suaras Weg raus dem Schlamassel. Musik war sein Weg, um mit dem Verlust umzugehen. Beim „Supertalent“ hat er „Wenn ich an Dich denk“ gesungen. Im Gedenken an Robin. „Ich lass’ die Gedanken fliegen, doch sie hol’n mich immer wieder ein. Ich kann diesen Kampf nicht gewinnen, alleine gegen die Dunkelheit!“ Ganz alleine war er aber nicht in der Dunkelheit. Seine Großeltern standen ihm bei. Opa und Oma waren in Backnang in der Gemeinde engagiert. „Ich bin tatsächlich über den Kirchenchor zur Musik gekommen. “

Kirchengemeinde in Giebel muss Räume abgeben

Ein Tanztee also. Bei Verena Lambrecht rannten sie offene Türen ein. Denn die Vorsitzende des Kirchengemeinderats will das Gemeindezentrum beleben. Dabei geht es auch um Gemeinschaft, aber auch um so Profanes wie Geld. Die Kirche muss sparen. Was bedeutet: Die Gemeinden müssen 30 Prozent der nichtsakralen, beheizbaren kirchensteuerfinanzierten Räume abgeben. Fraglos ein Einschnitt. Und mühsam. „Wir haben Ideen und sind in Gesprächen“, sagt Lambrecht. Da kann es nicht schaden, die Einnahmen zu erhöhen – und zu zeigen, wie wichtig solche Räume sind.

In Stuttgart-Giebel aus dem Boden gestampft

Gerade in Stadtteilen wie Giebel, die vielerlei Umbrüche erlebt haben. Giebel im Bezirk Weilimdorf entstand vor 70 Jahren auf der grünen Wiese. Man brauchte Häuser, viele Häuser. Die Städte lagen in Trümmern, zwölf Millionen Vertriebene drängten in die Bundesrepublik. Wer eine intakte Wohnung besaß, musste Flüchtlinge aufnehmen; Wohnheime wurden auf die Schnelle gezimmert. Schätzungen zufolge fehlten im Jahr 1946 in Deutschland insgesamt 5,5 Millionen Wohnungen. Es musste gebaut werden. 1953 entstand Giebel, wo bis zum Jahr 1960 rund 7000 Menschen ein neues Zuhause fanden. „Am Anfang war alles wüst und leer“ – dieser Satz steht nicht nur in der Schöpfungsgeschichte, sondern auch unter einem Foto, das Felder zeigt, auf denen der Stadtteil Giebel nach dem Zweiten Weltkrieg wie aus dem Nichts erschaffen wurde. Den Satz hat Pater Gerwich Banz geschrieben. Der Salvatorianer kam Anfang der 50er Jahre nach Weilimdorf, um sich um die Seelsorge der katholischen Bewohner des neuen Stadtteils zu kümmern.

Erste Andachten in Giebel in einer Baracke

Denn anders als die Eingeborenen, die Protestanten waren, waren die Sudetendeutschen, Donauschwaben und Ostpreußen zumeist Katholiken. Die erste Maiandacht fand 1955 unter Bäumen statt, doch wenig später machte Pater Banz eine alte Baracke ausfindig, die mit Hilfe vieler Ehrenamtlicher noch im gleichen Jahr aufgestellt wurde. Schließlich entstand die Salvatorkirche mit ihrem charakteristischen Wellendach.

Das Parkett im Gemeindezentrum lädt zum Tanzen ein. Dania Suara, Verena Lambrecht, Birgit Feurer (von links). Foto: fr

Überfüllt in den Anfangstagen, auch gut besucht von den Gastarbeitern aus Italien, Portugal und Spanien, die in Giebel in den Sechziger Jahren ein neues Zuhause fanden. 8000 Mitglieder hatte die Gemeinde damals, 2500 sind es noch. Sie sind gemeinsam älter geworden.

Ausreden beim Tanztee mit DJ Dani Suara gelten nicht.

Es knirscht und quietscht halt überall. „Ich kann nicht mehr so gut laufen“, heißt es oft, wenn Lambrecht sagt, am Samstag sei Tanztee. Oder: „mein Mann tanzt nicht.“ Oder man tut sich schwer, wieder unter die Leute zu gehen. Genau das wollen sie ändern. Deshalb hat Suara 7500 Flyer auf eigene Kosten drucken lassen und verteilt. Familien mit Kindern, Senioren, vor allem an Menschen, die abends nicht mehr zum Tanzen gehen. Aber nachmittags vielleicht schon. Zum Tanztee. Cha Cha Cha.

Tanztee

Tickets
Die Karten sind für 11 Euro für Einzelpersonen, bzw. 18 Euro pro Paar im Buchladen „Regina“ im Krötenweg 15 oder im Pfarrbüro, Giebelstraße 15, zu haben. Das Pfarrbüro nimmt zudem Anfragen zu Anmietungen des Gemeindezentrums entgegen unter Telefon 0711/86 56 88. An der Abendkasse kosten Einzeltickets 15 Euro, ein Paarticket 25 Euro.