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Die Bundeswehr bereitet sich auf einen möglichen Angriff Russlands vor. Für den Ernstfall wurde bereits ein detaillierter Geheimplan ausgearbeitet.

Berlin – Während die USA, die EU und Kiew erstmals seit längerer Zeit wieder von Fortschritten im Friedensprozess des Ukraine-Kriegs sprechen, laufen in Deutschland die Vorbereitungen für einen folgenden Konflikt bereits auf Hochtouren. Hochrangige Beamte gehen davon aus, dass Russland ab 2029 für einen ernstzunehmenden Angriff auf die NATO bereits sei – ein Frieden in der Ukraine könnte das Zeitfenster noch weiter nach vorne schieben. Das Verteidigungsministerium hat deswegen wohl schon einen Plan für Ernstfall entwickelt.

Bundeswehrsoldaten bereiten sich im Rahmen der Bundeswehrübung Red Storm Bravo auf eine Kolonnenfahrt durch das Hamburger Stadtgebiet vor.Bundeswehrsoldaten bereiten sich im Rahmen der Bundeswehrübung Red Storm Bravo auf eine Kolonnenfahrt durch das Hamburger Stadtgebiet vor. © Bodo Marks/dpa

Wie das Wall Street Journal berichtet, haben sich deutschen Offiziere nach der russischen Vollinvasion im Februar 2022 in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin zusammengesetzt, um an einem „Geheimplan“ für einen russischen Angriff auf die NATO zu arbeiten. „Das Ziel ist es, einen Krieg zu verhindern, indem wir unseren Feinden klarmachen, dass sie keinen Erfolg haben werden, wenn sie uns angreifen“, zitiert das Portal einen der Autoren des Papiers unter dem Namen OPLAN DEU. Zentrales Thema des Plans: die zentrale Rolle Deutschlands bei einem Angriff auf die Nato.

Pläne für Angriff durch Russland – Deutschland als Knotenpunkt der NATO

Denn wegen der geografischen Lage der Bundesrepublik, wird Deutschland zwangsläufig zum logistischen Dreh- und Angelpunkt der NATO – unabhängig davon, wo ein russischer Angriff tatsächlich stattfinden könnte. Der 1200 Seiten lange Plan, legt deshalb detailliert fest, wie im Ernstfall bis zu 800.000 NATO-Soldaten durch Deutschland hindurch in die Nähe einer möglichen Frontlinie verlegt werden könnten. Die Ausführungen enthalten dabei Häfen, Flüsse, Bahnstrecken und Straßen, die für eine schnelle Mobilisierung genutzt werden könnten – und wie man diese vor feindlichen Angriffen beschützen könnte.

Denn auch wenn ein direkter Konflikt zwischen Russland und der NATO aktuell nur ein drohendes, theoretisch mögliches Zukunftsszenario ist, dürfte klar sein, dass auch Deutschland im Ernstfall in das Visier von Präsident Wladimir Putin geraten würde. Die Bundesrepublik würde zum Aufmarschgebiet der NATO werden, was strategische Knotenpunkte wie den Hamburger Hafen zwangsläufig zum Ziel feindlicher Angriffe machen würde.

Deutschland nicht in den Top 3: Die Nato-Länder mit den größten Truppenstärken Pistorius-Besuch in LitauenFotostrecke ansehenWachsende Bedrohung durch Russland: Bundeswehr bereitet sich auf den Ernstfall vor

„Flüchtlinge und Verstärkung würden aus entgegengesetzten Richtungen hereinströmen. Die Ströme müssten kanalisiert werden, was die Bundeswehr allein nicht leisten kann, insbesondere während sie kämpft“, fasst die Militärexpertin Claudia Major das vielschichtige Problem gegenüber dem Wall Street Journal zusammen. Einen kleinen Einblick in die Pläne von Bundeswehr und Verteidigungsministerium erhielten die Bürgerinnen und Bürger von Hamburg bereits im Sommer.

Im Rahmen der Übung „Red Storm Bravo“ probten Angehörige von Bundeswehr, Polizei, Feuerwehr und Zivilschutz die Verlegung von Soldaten vom Hafen aus durch die Stadt in Richtung Osten. Geübt wurde die Fortbewegung in Konvois, die Verteidigung gegen Drohnen-Attacken und der Umgang mit Demonstranten.

„Veränderte sicherheitspolitische Lage“: Luftwaffe übt wieder Tiefflüge

Am Donnerstag kündigte die Luftwaffe an, künftig auch wieder Tiefflüge mit Kampfjets bis gut 75 Meter über dem Boden durchzuführen. In sieben extra dafür ausgewiesenen Gebieten in Deutschland könnten strahlgetriebene Kampfflugzeuge seit Donnerstag zur Übung von Zielanflügen „für maximal zwei Minuten auf die Mindestflughöhe von 250 Fuß (ca. 76 m) über Grund sinken“, teilte die Luftwaffe mit. Die damit unvermeidlich einhergehende zusätzliche Lärmbelästigung versuchten die Streitkräfte so gering wie möglich zu halten.

Die Luftwaffe verwies als Grund für die Wiedereinführung der Niedrigflüge auf die „veränderte sicherheitspolitische Lage in Europa“. Diese erfordere bei Kampfjetpiloten Ausbildung und Erhalt grundlegender Einsatzfähigkeiten und das Training „für Luft/Boden-Einsätze in allen Höhenbereichen, so auch im Tiefflug“.

Zeitenwende in Deutschland: Bundeswehr soll deutlich aufgestockt werden

Diese Maßnahmen sind ebenso wie der OPLAN DEU und Übungen wie „Red Storm Bravo“ weitere Zeichen für die von Ex-Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigte Zeitenwende in der deutschen Sicherheitspolitik. Die Vorbereitung des Ernstfalls geht dabei Hand in Hand mit weiteren Maßnahmen wie die Ausnahme der Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse und der Einführung eines neuen Wehrdienstes, die von der schwarz-roten Koalition unter Friedrich Merz beschlossen wurden.

Letzterer umfasst neben dem auf Freiwilligkeit basierendem Wehrdienst auch eine Wiederaufnahme der Wehrerfassung. „Für den Spannungs- und Verteidigungsfall müssen wir uns vorbereiten, wir müssen wissen, wo die Wehrpflichtigen wohnen und wo sie erreichbar sind – so wie es früher in Zeiten der verpflichtenden Einberufung zum Grundwehrdienst war“, begründete eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums die Maßnahme auf Anfrage des Münchner Merkurs.

Russlands „Schattenkrieg“ gegen die NATO – Vorbereitungen auf den Ernstfall

Russlands zunehmende Aggressionen gegen die NATO zeigten sich zuletzt vor allem in Polen. Ministerpräsident Donald Tusk sprach nach einer Explosion an einer Bahnstrecke im Land von einem „beispielloser Sabotageakt“. Der Thinktank Center for European Policy Analysis (CEPA) bezeichnete das Vorgehen Russlands als einen „Schattenkrieg“. In Deutschland, wie in anderen NATO-Ländern laufen die Vorbereitungen für den Fall, dass der Krieg aus dem Schatten ins Licht tritt, deswegen bereits auf Hochtouren.

Putin erklärte erst am Donnerstag auf einer Pressekonferenz, Russland beabsichtige nicht, Europa anzugreifen. Das würde der Kreml-Chef auch schriftlich festhalten. Es sei eine „Lüge“ und „völliger Blödsinn“ zu behaupten, dass Russland vorhabe, Europa zu überfallen, sagte Putin. Die Beteuerungen des Kremls-Chefs werden aber vor allem seit dem Überfall auf die Ukraine immer wieder in Zweifel gezogen. Auch da hatte er behauptet, dass Russland das nicht vorhabe. (Quellen: Wall Street Journal, dpa, Center for European Policy Analysis, eigene Recherche) (fdu)