Die ukrainischen Antikorruptionsbehörden haben das Büro von Andrij Jermak, dem Stabschef von Präsident Wolodymyr Selenskyj, durchsucht. „Nabu und Sap führen Ermittlungsmaßnahmen (Durchsuchungen) beim Leiter des Büros des Präsidenten der Ukraine durch“, teilte die auf Korruptionsfälle spezialisierte Staatsanwaltschaft Sap mit. „Die Ermittlungsmaßnahmen sind genehmigt und werden im Rahmen laufender Ermittlungen durchgeführt. Details folgen später.“

Kurz zuvor hatte das Nachrichtenportal Ukrajinska Prawda von der Durchsuchung berichtet. Demnach sollen zehn Mitarbeiter von Sap und der Antikorruptionsbehörde Nabu das Regierungsviertel in Kyjiw betreten haben. 

Jermak ist Selenskyjs engster Vertrauter

Einen konkreten Verdacht gegen Jermak nannten die Behörden zunächst nicht. Hintergrund dürfte aber der Korruptionsskandal im ukrainischen Energiesektor sein. Vor wenigen Wochen hatten die Antikorruptionsbehörden einen Ring aus teils hochrangigen Beamten aufgedeckt, die sich an Aufträgen des staatlichen AKW-Betreibers Enerhoatom bereichert haben sollen. Einer der Beschuldigten, Tymur Minditsch, ist ein ehemaliger Geschäftspartner Selenskyjs. 

Jermak war in Berichten immer wieder als mögliches Ziel weiterer Ermittlungen genannt worden – was die Ermittler bislang nicht offiziell bestätigt haben. Selenskyjs Stabschef gilt als sein mit Abstand engster Mitarbeiter, steht wegen seines Einflusses auf viele Bereiche der ukrainischen Politik aber seit Jahren unter Kritik. Im Zuge des Korruptionsskandals haben erstmals auch Abgeordnete von Selenskyjs Partei Diener des Volkes Jermaks Rücktritt gefordert, was der Präsident aber abwies.

Antikorruptionsbehörden im Konflikt mit dem Präsidenten

Der Korruptionsskandal bei Enerhoatom hatte nicht nur wegen der Nähe einiger Beschuldigter zu Jermak und Selenskyj für Empörung gesorgt. Sondern auch wegen des Vorgehens des Präsidenten gegen die beiden unabhängigen Antikorruptionsbehörden im Juli. Damals hatte das ukrainische Parlament ein Gesetz verabschiedet, das Nabu und Sap dem Generalstaatsanwalt unterstellte, welcher wiederum vom Präsidenten ernannt wird. Die beiden Behörden wurden damit faktisch entmachtet. 

Selenskyjs Vorgehen gegen die Korruptionswächter führte zu den ersten größeren Protesten in der Ukraine seit Kriegsbeginn und harter Kritik aus der EU, die den Kampf gegen die Korruption als eine zentrale Bedingung für einen künftigen EU-Beitritt des Landes nennt. Als Reaktion auf die Kritik ließ Selenskyj das Parlament die Unabhängigkeit der Behörden mit einem neuen Gesetz wiederherstellen. Jetzt werfen Kritiker des Präsidenten ihm vor, schon im Sommer von den Ermittlungen der Korruptionswächter gegen Personen in seinem Umfeld gewusst und deswegen den letztlich gescheiterten Versuch, die Behörden unter Kontrolle zu bringen, unternommen zu haben.

© Lea Dohle

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