Die Erleichterung ist mit Händen zu greifen bei allen Beteiligten. Vor knapp einem Jahr, im vergangenen Januar, herrscht große Freude auf einem ehemaligen Parkplatz des Stuttgarter Klinikums. Dort haben sich zahlreiche Vertreter von Polizei, Feuerwehr, Gemeinderat, Landtag, Klinikum und Stadtverwaltung versammelt. Zum symbolischen Spatenstich für die neue Rettungswache 3 in Bad Cannstatt. Bauherr ist der Stuttgarter Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes (DRK).
Der rund 500 Quadratmeter große Funktionsbau in der Martha-Schmidtmann-Straße wird dringend benötigt. Seit das DRK im Jahr 2019 die alten Räume am Bellingweg verlassen musste, müssen Stuttgarts größter Stadtbezirk und die Neckarvororte aus anderen Teilen des Stadtgebiets versorgt werden – und von der Werksambulanz von Mercedes-Benz. Geplant war das so nie. Doch ein Streit mit dem Land um die Finanzierung hat den Neubau immer wieder verzögert.
Jetzt, gut zehn Monate später, ist einiges passiert. Auf der Baustelle geht es zügig voran. „Wir sind deutlich schneller als geplant“, sagt der Stuttgarter DRK-Rettungsdienstleiter Ralph Schuster. Die Inbetriebnahme der neuen Wache könnte womöglich von der Jahresmitte 2026 aufs Frühjahr vorgezogen werden und damit den chronisch am Anschlag arbeitenden Rettungsdienst in Stuttgart entlasten. Könnte. Denn es ist auch möglich, dass der Neubau erst einmal ungenutzt bleibt.
Der Grund dafür mutet grotesk an. Hilfsorganisationen, die in Baden-Württemberg im Auftrag des Landes die Notfallrettung übernehmen, müssen die dafür notwendigen Wachen nicht nur selbst bauen, sondern auch die Förderung dafür in mehreren Schritten beantragen. Das war in der Vergangenheit immer wieder ein landesweites Streitthema. Auch für die gut drei Millionen Euro teure neue Wache in Bad Cannstatt schießt das Land nur 2,22 Millionen zu. Rund 850 000 Euro bleiben bisher schon am Stuttgarter DRK-Kreisverband hängen. Doch das ist nicht alles.
„Wir mussten für die Wache mehrere Förderanträge stellen“, sagt Schuster. Der für die Erschließungskosten und der für den Bau sind genehmigt worden. Der dritte allerdings, nämlich der für die 500 000 Euro teure Erstausstattung der Räume, ist bereits zweimal abgelehnt worden. Damit fehlt das Geld „für alles, was man zum Betrieb einer Wache braucht“, vom Schreibtisch über die Umkleiden bis hin zum Materiallager und dem Desinfektionsraum. Das DRK kann den Antrag zwar erneut stellen, entschieden darüber wird aber erst im nächsten Herbst. Bis dahin ist die Wache längst fertig.
Kein Geld für die Ausstattung
„Ernüchternd“, nennt der Stuttgarter DRK-Präsident Martin Schairer die Situation. Einerseits kämen die Arbeiten gut voran, andererseits drohe die Inbetriebnahme zu scheitern. „Das Land erwartet von uns eine Vorfinanzierung. So sind wir nur mit Schulden und Spenden in der Lage, die Kosten vorzustrecken für eine öffentliche Aufgabe“, sagt er. Und das mit ungewissen Aussichten: Denn ob der Antrag beim nächsten Mal durchgeht, kann niemand sagen. Im schlechtesten Fall bleibt der ohnehin klamme Stuttgarter Kreisverband dauerhaft auf den gesamten Kosten sitzen.
Das wäre für die Hilfsorganisation eine finanzielle Katastrophe. Zumal das Land wohl angedeutet hat, dass ohnehin nur 330 000 der 500 000 Euro grundsätzlich förderfähig wären. Selbst wenn diese reduzierte Summe irgendwann fließen würde, „läge unser Eigenanteil an der gesamten Rettungswache dann bei über einer Million Euro“, rechnet Schuster vor. Dafür, dass die Bevölkerung und das Innenministerium als verantwortliche Behörde für den Rettungsdienst eine zusätzliche Wache in Stuttgart bekommen.
Eigenanteil steigt auf über eine Million Euro
Die Bürgerinnen und Bürger mittels Spenden zur Kasse bitten? Das hat das DRK bereits getan. Denn auch die baurechtlich vorgeschriebene Barrierefreiheit des Gebäudes wird vom Land nicht als förderungswürdig gesehen. Dafür hat man deshalb mittels Fundraising gesammelt. „Das hat geklappt“, sagt Schuster. Knapp 20 000 Euro sind zusammengekommen. Und die – allerdings ebenfalls finanziell schwer angeschlagene – Stadt Stuttgart? Von der kommt bisher nichts.
Das DRK fährt in Stuttgart den Großteil der Rettungseinsätze. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko
Das Rote Kreuz steht mit der Notfallrettung in Bad Cannstatt also erst einmal alleine da. Dem Innenministerium hat man noch einmal geschrieben und einen Vor-Ort-Termin angeboten. In der Hoffnung, dass sich vielleicht doch noch irgendwo Geld findet. Und wenn nicht? „Dann wären wir gezwungen, Spenden und Mitgliedsbeiträge zu verwenden und Mittel umzuschichten“, sagt Schuster. Die dann anderswo schmerzhaft fehlen würden. Oder die neue Rettungswache geht schlicht erst einmal nicht in Betrieb, bis Klarheit herrscht. Das wäre allerdings für Retter wie Bevölkerung der schlechteste Weg.