Sandra Maischberger diskutiert mit ihren Gästen über die Rentenreform und rebellische Jungabgeordnete. Karl Lauterbach verteidigt dabei Geringverdiener, die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer hält die Rente für nicht sicher.

Der Bundeskanzler hat mit einer donnernden Rede beim Arbeitgebertag der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) in Berlin das Thema vorgegeben. Friedrich Merz sagte dort: „Wir werden jetzt mit einer brutalen Wirklichkeit konfrontiert, wie sie große Teile unserer Gesellschaft verdrängt haben, ignoriert haben, nie wieder sehen wollten… Wenn wir uns in dieser Welt behaupten wollen, dann geht es in diesen Tagen, Wochen und Monaten um mehr als nur 48 Prozent Haltelinie. Wenn wir aus dem Blick verlieren, was jetzt auf dem Spiel steht, dann werden uns unsere Kinder und Enkelkinder brutale Vorwürfe machen.“

Natürlich ist das an mehrere Adressen gerichtet, vor allem aber an die der Jungen Union, die damit droht, die Rentenpläne der schwarz-roten Koalition zu durchkreuzen. Sie möchte das vor allem von der SPD geforderte Festhalten an der Rentenhöhe von 48 Prozent nicht mitmachen. Merz hat seinen jungen Rebellen nun zugerufen: Die Außenpolitik ist derzeit viel zu wichtig für innenpolitische Streitereien. Er baut Druck auf, indem er Angst schürt. Sandra Maischberger machte das zum Thema ihrer Sendung.

Sie besprach das zunächst mit einem hochkarätigen Medien-Trio. Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der „Zeit“, sagte: „Aus Sicht von Merz ist das nachvollziehbar. Er war ja zuletzt mit nichts anderem als dem Weltfrieden beschäftigt. Aber man kann nicht das eine gegen das andere aufwiegen. In Deutschland wartet jeder auf eine neue Agenda.“

Melanie Amann aus der Chefredaktion der Funke-Mediengruppe sagte: „Merz’ Problem ist – er setzt die Erwartungshaltung sehr hoch und schafft es nicht einmal, darunter durchzulaufen. Auch seine Unterstützer kriegen das nicht hin. Schon der Herbst der Reformen blieb aus.“ Zum ersten Mal, glaubt sie, habe Merz die eigenen Truppen gegen sich – die Junge Union, die Wirtschaftsweisen, die Arbeitgeber.

Robin Alexander, stellvertretender Chefredakteur der WELT, erklärte: „Es gab schwere handwerkliche Fehler. Die jungen Abgeordneten wurden in dem Glauben gelassen, Merz wäre eigentlich auf ihrer Seite. Bei einem Treffen im Kanzleramt sagte er: Ihr müsst uns mal richtig challengen. Das machen die jetzt.“

Freitag Treffen mit den jungen Rebellen

Am Freitag wird es zu einem Treffen mit der Jungen Union kommen. Früh am Morgen schon trommelt Jens Spahn die Fraktion zur Sitzung zusammen. Natürlich, glaubt die Runde, werde er den jungen Abgeordneten mitteilen: Während in der Ukraine ein Krieg tobt, könne man nicht eine Regierung der Mitte zum Wanken bringen. Das sei wichtig und gut, findet Robin Alexander: „Wir hatten mit der Ampel eine Regierung, die keinen Haushalt mehr aufstellen konnte. Jetzt haben wir die nächste Regierung der Mitte, die an etwas so Wichtigem wie der Rente scheitert. Wieder ein ganz zentrales Thema. Wenn diese Mitte strukturell nicht mehr einigungsfähig wird, weil da Leute zusammengezwungen werden, die lieber nicht zusammen regieren würden, dann haben wir ein Problem, das über die handwerklichen Schwächen der Regierung hinausgeht.“

Di Lorenzo nickt zustimmend, ein Scheitern von Friedrich Merz sei für ihn deshalb keine Option: „Die Ränder sind so stark geworden, es gibt in der Mitte keine Alternative mehr. Wir stehen vor einer Situation, in der die Menschen wissen, dass sich etwas verändern muss. Sie wollen es aber verstehen. Deshalb muss Merz jetzt durchhalten.“

Sandra Maischberger erweiterte die Meinungsvielfalt. Sie hatte den ehemaligen Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Monika Schnitzer, die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, zum Duell geladen. Für die Wirtschaftswissenschaftlerin ist klar: „Die Rente, wie wir sie heute haben, ist nicht sicher.“ Für sie hat man den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht. Erst das Geld verteilen, danach eine Kommission bitten, eine Reform zu erarbeiten.

Knackpunkt ist das Ziel der SPD, das Rentenniveau bei 48 Prozent bis 2031 stabil zu halten. Die Junge Union kritisiert, dass der Gesetzentwurf von Ministerin Bärbel Bas aber Festlegungen für die Zeit nach 2031 enthalte. Ein Versprechen, das den Steuerzahler etwa 120 Milliarden Euro kosten wird, wie die Junge Union errechnet hat. Für Lauterbach ist die Bezuschussung nur logisch: „Wir haben eine riesige Ungerechtigkeit in unserem Rentensystem. Es benachteiligt diejenigen, die geringere Einkünfte haben. Ich kann doch nicht so tun, als würden alle gleich lang leben. 20 bis 25 Prozent der ärmeren Menschen zahlen nur ein, die holen keinen einzigen Cent raus, weil sie sterben, bevor sie 65 sind.“

„Es war noch nie so, dass alle gleich lang leben“

„Es war noch nie so, dass alle gleich lang leben“, konterte Schnitzer. „Aber jetzt leben alle länger als vor zehn oder 20 Jahren.“ Lauterbach sagte: „Wer 40 Jahre lang immer gearbeitet, aber wenig verdient hat, hat kaum mehr Rente, als jemand, der nie gearbeitet hat. Da sind wir auf dem Niveau des Bürgergeldes.“

Doch die Wirtschaftsweise eröffnete Lauterbach eine andere Rechnung: „Ihr Argument ist, dass die Geringverdiener eine zu niedrige Rente erhalten. Aber jetzt gibt man im Gießkannenprinzip jedem diese 48 Prozent, auch denen, die eine hohe Rente beziehen. Die profitieren doch am meisten davon. Um den Geringverdienern zu helfen, muss ich den hohen Einkommensbeziehern doch nichts schenken.“

Doch Lauterbach sprach vom Gerechtigkeitsprinzip. Dann, sagte Monika Schnitzer, müssten auch Beamte ins Rentensystem integriert werden. „Was man dem einen zumutet, sollte man anderen auch zumuten“, fand sie, gab jedoch zu bedenken: „Beamte haben eine besonders hohe Lebenserwartung. Wenn wir sie ins System hineinholen wollen, haben wir vielleicht ein ganz anderes Problem.“

Giovanni di Lorenzo hatte das bereits vor dem Duell der beiden angemahnt: „Die Reform der Renten bedeutet: rangehen an viele andere Schrauben. Da geht es um mehr als nur die Rente“, hatte er gesagt. Bildung, Gesundheit. Amann sagte: „Die Rentendiskussion zeigt einen Kulturwandel in der Fraktion von Friedrich Merz, den er selbst nicht verstanden hat. Die Tatsache, dass diese jungen Abgeordneten so auf stur schalten, ist für einen wie Merz kaum nachvollziehbar. Er kommt aus einer Zeit, wo es noch hieß, die Krümel warten erst mal ab, was der Kuchen sagt, wie abgestimmt wird.“

Am Donnerstagabend wollen die Spitzen von Union und SPD im Koalitionsausschuss nach einer Lösung im Streit über das Rentenpaket suchen.