Ein Überbringer schlechter Nachrichten, ein Vollstrecker klarer Befehle, ein harter Verhandlungspartner, der den historischen Kontext der ukrainisch-russischen Beziehungen offenbar nicht kennt, aber gleichzeitig den Gesprächen über Frieden in der Ukraine neue Impulse verleihen kann. So beschreiben ukrainische Beobachter US-Heeresminister Daniel Patrick Driscoll. Er wird voraussichtlich Donald Trumps nächster Sondergesandter für die Ukraine, da General Keith Kellogg dieses Amt wohl Anfang 2026 niederlegen wird.

Experte: Driscoll als Erfüllungsgehilfe

Dan Driscoll reist zum zweiten Mal innerhalb einer Woche nach Kyjiw, um dort über den von den USA vorgelegten Friedensplan zu verhandeln. Wie Trump erklärte, sollen Driscoll und die Ukrainer – genauso wie zeitgleich in Moskau der US-Sonderbeauftragte Steve Witkoff mit Wladimir Putin – „mehrere bestehende Streitpunkte im Friedensplan“ klären. Dazu gehört etwa die Frage, ob und in welchem Umfang Gebiete an die Russische Föderation abgetreten werden sollen sowie ob eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine dauerhaft untersagt werden soll oder nicht.

Worauf müssen sich die ukrainischen Unterhändler einstellen? Medienberichten zufolge soll Driscoll bei seinem ersten Besuch in Kyjiw am 20. November seine Gesprächspartner mit Drohungen, die von Russland ausgingen, eingeschüchtert haben. Laut NBC News sagte er den ukrainischen Vertretern, ihre Streitkräfte an der Front würden „unweigerlich eine Niederlage erleiden“. Russland könne seine Luftangriffe ausweiten und sei fähig, „unendlich lang“ zu kämpfen. Für die Ukraine, so Driscoll, werde sich die Situation nur verschlimmern, daher sei es besser, sich jetzt auf einen Frieden zu einigen.

Dan Driscoll und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reichen sich die Hand im Präsidialamt in KyjiwDriscoll wurde am 20. November in Kyjiw vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj empfangenBild: Ukrainian Presidential Press Service/AFP

Laut der New York Times nahmen an der Vorstellung des Plans auch europäische Diplomaten teil. „Menschen, die ihm begegnet sind – insbesondere Europäer -, berichten, dass Driscoll erpresst, Ultimaten stellt und schwer zugänglich ist“, sagt Iwan Us vom ukrainischen Institut für Strategische Studien. „Die Gespräche über einen Friedensplan zeigen, dass er nur das tut, was Trump und sein Vize JD Vance wollen. Wenn man ihm sagt, dass der Friedensplan durchgesetzt werden muss, wird er das einfach umsetzen.“

Seiner Meinung nach wirkt Driscoll wie jemand, der keinerlei Sympathien für die Ukraine hegt. Vielmehr sei er bereit, Gegenspieler zu den Entscheidungen zu drängen, die seine Führung braucht. „Er will nicht von der Linie abweichen, die seine Führung vorgibt. Daher sollte man von ihm keine eigenen Initiativen erwarten“, so Us im Gespräch mit der DW.

„Ergebnisorientiert, aber ohne historisches Verständnis“

„Driscoll hat den Ruf, ein Rammbock zu sein. Das stimmt aber nicht ganz, denn er war offen für Diskussionen und Anmerkungen und stimmte zu, wo Änderungen absolut sinnvoll waren“, widerspricht eine DW-Quelle, die nicht namentlich genannt werden möchte. „Er ist sehr ergebnisorientiert. Er ist aber klar ein Mann von Vizepräsident JD Vance und die Verbindung zu ihm ist wohl sehr eng.“

Bekanntlich verbindet Driscoll und Vance eine langjährige Freundschaft. Beide Juristen kennen sich seit ihrem Studium an der Yale University. „In Trumps Umfeld spitzt sich der Machtkampf im Hinblick auf künftige Wahlen zu. Wer das beste Ergebnis bei der Aushandlung eines Friedensabkommens in der Ukraine erzielt, wird sich dies als Rangabzeichen an die Schulter stecken können. Und er wird so das Kräfteverhältnis innerhalb des Teams maßgeblich verändern.“ Dies sei Driscolls Triebfeder, so der Gesprächspartner der DW.

JD Vance und Dan DriscollJD Vance (l.) und Dan Driscoll sind seit ihrem Studium an der Yale University befreundetBild: Creative Commons/@VP

Driscoll und anderen Vertretern der Trump-Administration, die an den Friedensgesprächen beteiligt sind, fehle jedoch das historische Verständnis für den kolonialen Charakter des russischen Krieges gegen die Ukraine. Die meisten von ihnen würden versuchen, diesen Konflikt mit wirtschaftlichen Ansätzen zu lösen. Diese funktionierten aber nicht immer, unterstreichen Beobachter.

Driscoll in Kyjiw: Zusammenarbeit oder Druck?

Trotzdem erwartet die Ukraine von Driscoll, dass er dem Verhandlungsprozess für eine friedliche Beilegung neuen Schwung verleiht.

„Driscoll setzt Trumps Tradition fort, wonach sich ein Militär mit der Ukraine-Frage befasst“, sagt Oleksandr Krajew von der Denkfabrik „Ukrainisches Prisma“. „Einerseits ist das gut, weil es um eine militärische Angelegenheit geht.“ Auf der anderen Seite sei Driscoll aber weit von Keith Kellogg entfernt – „sowohl was seine Ansichten und Befugnisse als auch was seine Stellung angeht“, so Krajew. „Das ist für die Ukraine keine ideale Lösung. Denn Driscoll ist in diplomatischen Aufgaben unerfahren, er ist ein Bürokrat, der Karriere machen will.“

An diesem Wochenende wird Driscoll erneut mit der ukrainischen Führung über „heikle Fragen“ des Friedensplans sprechen, die bei den Genfer Gesprächen „ausgeklammert“ wurden. Experten gehen davon aus, dass Driscoll die Ukraine weiter dazu drängen wird, den Plan so schnell wie möglich zu akzeptieren. 

Letztendlich müsse der Friedensplan nach Driscolls Besuch in Kyjiw von den Präsidenten der USA und der Ukraine besprochen und endgültig gebilligt werden, betont Oleksandr Krajew. „Driscoll ist nur ein weiterer Sondergesandter, eine weitere Person mit sehr vagen und unklaren Befugnissen, die sich mit Angelegenheiten befasst, die für Donald Trump toxisch sind“, so der ukrainische Nordamerika-Experte. „Am Ende aber wird Trump allein über alle Fragen bezüglich der Ukraine entscheiden.“

Adaption aus dem Ukrainischen: Markian Ostaptschuk