Donald Trump hat angekündigt, dass die US-Streitkräfte „sehr bald“ beginnen werden, „Venezuelas Drogenhändler“ auch an Land zu bekämpfen. Die Route durch die Karibische See habe man den Drogenschmugglern aus Südamerika nun weitgehend verleidet, erklärte Trump kürzlich. Nun werde man sie auch an Land stoppen. Was genau er darunter versteht, ließ der US-Präsident offen.
Seit Anfang September haben die USA in der südlichen Karibik rund 20 Schnellboote – zumeist aus Venezuela – mit mutmaßlichen Drogenschmugglern an Bord angegriffen und dabei mehr als 80 Menschen getötet. Venezuela bezeichnet die Aktionen als „außergerichtliche Hinrichtungen“. Auch internationale Beobachter und Experten sehen darin klare Verstöße gegen internationales Recht.
Operation „Südlicher Speer“
Was die venezolanische Führung aber weit mehr umzutreiben scheint, ist die damit verbundene Machtdemonstration der USA. In den vergangenen drei Monaten hat die US Navy unweit der venezolanischen Küste eine beträchtliche Streitmacht zusammengezogen. Beteiligt daran sind etwa 12.000 Soldaten sowie ein Dutzend Kriegsschiffe, darunter der größte Flugzeugträger der Welt.
Die seit mehr als 20 Jahren zunehmend autoritär regierende Sozialistische Einheitspartei Venezuelas (PSUV) mit Staatschef Nicolas Maduro an der Spitze sieht darin eine direkte Bedrohung für die Souveränität des Landes – und für sich selbst.
USA versus Venezuela: Was hat Trump in der Karibik vor?
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Offiziell richtet sich die US-Militäroperation, die inzwischen den Namen „Südlicher Speer“ trägt, gegen den Drogenschmuggel aus Südamerika in die USA. Doch das massive Militäraufgebot nährt auf vielen Seiten Zweifel daran, dass dies ihr einziger Grund ist. Geopolitische Interessen – wie das Zurückdrängen des Einflusses Chinas und Russlands aus der Region – sowie wirtschaftliche Anliegen werden als mutmaßliche Motive genannt. Venezuela ist das Land mit den größten Ölreserven der Welt.
Cartel de los Soles nun Terrororganisation
Dass die US-Regierung die venezolanische unter Druck setzen will, ist unstrittig. Mehrfach hat Trump Venezuelas Präsidenten und seine Regierung als Narco-Terroristen bezeichnet. Auf Maduros Ergreifung haben die Vereinigten Staaten eine Belohnung von 50 Millionen Dollar ausgesetzt – doppelt so viel wie seinerzeit auf Osama bin Laden, den mutmaßlichen Drahtzieher der Terroranschläge vom 11. September 2001.
Verteidigungsminister Vladimir Padrino Lopez (l.) ist nicht der einzige Militär in Präsident Maduros (r.) KabinettBild: Ariana Cubillos/AP Photo/picture alliance
Seit Anfang der Woche gilt das „Cartel de los Soles“ (Deutsch: Sonnenkartell), dessen Kopf Maduro sein soll, offiziell als Terrororganisation. Das „Cartel de los Soles“, benannt nach den Schulterabzeichen venezolanischer Offiziere, ist eine mutmaßliche kriminelle Vereinigung mit Wurzeln im venezolanischen Militär. Auch die PSUV stützt ihre Macht seit jeher in hohem Maße auf die Streitkräfte. Dies und Venezuelas Aufstieg zu einem der wichtigsten Drogenumschlagplätze Südamerikas nähren den Verdacht, dass die Regierung in den Drogenschmuggel involviert ist.
Venezuela rüstet auf – nicht nur rhetorisch
Maduro bestreitet, dass es das „Cartel de los Soles“ überhaupt gibt. Er bezeichnete die Anschuldigungen als „lächerliche Lüge“, um eine „illegale Intervention“ in Venezuela zu rechtfertigen. Gleichzeitig schüren er und wichtige Kabinettsmitglieder den venezolanischen Nationalismus. Das 105. Jubiläum der venezolanischen Luftwaffe am Donnerstag nutzte Verteidigungsminister Vladimir Padrino López, um die Venezolaner aufzufordern, notfalls „auch mit dem Leben für die Verteidigung der Nation einzutreten“.
Polizeibeamte bei einer Militärübung in der Hafenstadt La Gauira: Seit September bereitet Venezuela allerlei Sicherheitskräfte auf kriegerische Einsätze vorBild: Jesus Vargas/AP Photo/picture alliance
Seit September hat die Regierung tausende Zivilisten im Umgang mit Waffen geschult und zehntausende Milizionäre aktiviert. Anfang November sollen die venezolanischen Streitkräfte ein Großmanöver mit rund 200.000 Soldaten und Paramilitärs abgehalten haben. Das wären fast zwei Drittel der aktuell verfügbaren Streitkräfte Venezuelas. Hinzu könnten nach Maduros Worten 4,5 Millionen trainierte Zivilisten kommen.
Plant Trump einen Regime-Change in Caracas?
Mit seiner vagen Ankündigung von Militäroperationen an Land befeuerte Trump einmal mehr den Vorwurf, er wolle das Maduro-Regime mit militärischen Mitteln stürzen. Experten halten dies nach wie vor für unwahrscheinlich.
Einer von ihnen ist Christian Cwik von der Universität Klagenfurt: „Ich glaube nicht, dass die Vereinigten Staaten eine Bodeninvasion in Venezuela planen, das könnte zu einem neuen Vietnam werden“, sagt der Lateinamerika-Historiker. Im – auch für die USA traumatischen – Vietnamkrieg versuchten die USA von 1965 bis 1975 erfolglos, den dortigen Bürgerkrieg zugunsten der anti-kommunistischen Kräfte im Land militärisch zu entscheiden.
US-Bodentruppen in Venezuela? Wahrscheinlicher seien gezielte Luftschläge, sagen Experten. Die Marines haben F-35 nach Puerto Rico verlegt.Bild: Kendall Torres Cortés/dpa/picture alliance
Gezielte Schläge durch Raketen- oder Luftangriffe auf mutmaßliche Schmuggelinfrastruktur dagegen hält nicht nur Cwik für denkbar. Ziel könnte es sein, die PSUV-Führung zu destabilisieren, meint auch der Politologe Günther Maihold von der Freien Universität Berlin. Doch danach sehe es bisher nicht aus. Zumal, wie beide Experten betonen, ein US-Angriff das eigentlich tief gespaltene Volk in Venezuela wieder hinter die Regierung bringen könnte.
Will Trump einen Deal mit Venezuela?
Demnach hätte es einen guten Grund, dass Trump – offenbar parallel zu seinen neuerlichen Drohungen – Maduro ein Gesprächsangebot gemacht hat. Dies berichtete diese Woche das Nachrichtenportal Axios unter Berufung auf eine Quelle aus der US-Regierung.
Den Politologen Francisco Rodriguez von der Universität Denver dürfte das nicht überraschen. Schon vor einer Woche kommentierte er in der Fachzeitschrift Foreign Affairs: „Während seiner beiden Amtszeiten ist Trump komplexe innen- und außenpolitische Probleme konsequent mit einer Strategie angegangen, die er in seinem 1987 erschienenen Buch ‚The Art of the Deal‘ dargelegt hat: Eskalieren, um zu verhandeln.“
Phillip Gunson von der International Crisis Group sieht das ähnlich: „Es scheint, dass Trumps Instinkt ihm sagt, lieber zu verhandeln, als sich in einen Krieg verwickeln zu lassen.“ Allerdings scheint eine weitere Eskalation kaum vermeidbar. Denn bisher hätten seine Drohungen nicht gefruchtet, sagt auch Gunson: „Wenn der Druck nicht funktioniert und es keine militärische Reaktion der Vereinigten Staaten gibt, müsste die Flotte ohne Erfüllung ihrer Mission abziehen – mit den damit verbundenen politischen Konsequenzen.“
Viola Traeder (DW Spanisch) hat zu diesem Artikel beigetragen.