Böhlens Bürgermeister: Katastropahl für die Region

Böhlens Bürgermeister Dietmar Berndt (parteilos) bezeichnete eine mögliche Schließung des Werks in Böhlen mit seinen gut bezahlten Industriearbeitsplätzen als „katastrophal für die ganze Region“. Der Kommunalpolitiker sagte dem MDR, es sei schon „kein gutes Zeichen“ gewesen, dass in letzter Zeit einzelne Betriebsteile geschlossen oder ausgelagert wurden.

Berndt sprach von einer „großpolitischen Entscheidung“, bei der der Stadt die Hände gebunden seien. Er bestätigte aber, dass die hohen Energiepreise in Gesprächen mit Dow immer wieder ein Thema gewesen seien. Das gelte hinsichtlich der Unsicherheiten auch für gesetzliche Rahmenbedingungen und Investitionen. Berndt betonte, dass das Problem der hohen Energiepreise nur „großpolitisch“ gelöst werden könne. Der diskutierte Industriepreis für Strom wäre „eine Sache, die da Abhilfe schaffen könnte“.

Wirtschaftsminister Schulze: Entscheidung noch nicht final getroffen

Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze räumte ein, dass die Situation für die chemische Industrie in Deutschland herausfordernd sei. Der CDU-Politiker sagte MDR AKTUELL, derzeit fehle die Grundlage, erfolgreich wirtschaften zu können. Sobald die neue Bundesregierung im Amt sei, solle die Thematik wieder an erster Stelle platziert werden.

Schulze betonte aber auch, dass über die Zukunft der Standorte noch nicht final entschieden worden sei. Man stehe als Landesregierung mit Dow Chemical in Kontakt. Wie es weitergeht und ob möglicherweise Standorte geschlossen oder reduziert werden, steht demnach noch nicht fest. Die Lage sei aber ernst, sagte Schulze.

Dow prüft Schließung zweier ostdeutscher Standorte

Zuvor war bekannt geworden, dass der US-Chemiekonzern Dow seine Produktion in Mitteldeutschland zurückfahren will. Wie das Unternehmen MDR AKTUELL bestätigte, steht im sächsischen Böhlen und in Schkopau in Sachsen-Anhalt jeweils eine Produktionsanlage auf dem Prüfstand. Beide Standorte zählten demnach zu den energie- und kostenintensivsten.

Erwogen werde eine temporäre Stilllegung oder eine dauerhafte Schließung, teilte ein Unternehmenssprecher mit. Grund seien unter anderem hohe Energie- und Rohstoffpreise sowie steigende CO2-Kosten.

Was produziert Dow in Mitteldeutschland?
In Böhlen betreibt Dow einen „Steam-Cracker“, in dem aus Rohbenzin chemische Grundstoffe wie Ethylen und Propylen entstehen. Diese werden teilweise direkt in Böhlen zu Ausgangstoffen für Polyurethan verarbeitet. Der Großteil geht per Pipeline nach Schkopau und Leuna und wird dort zu Kunststoffen, die unter anderem für Verpackungen oder Folien verwendet werden.

Entscheidung bis Mitte 2025 erwartet

Das Unternehmen prüft eigenen Angaben zufolge bereits seit Oktober vergangenen Jahres seine europäischen Standorte. Eine endgültige Entscheidung über die Zukunft der betroffenen Anlagen in Böhlen und Schkopau soll bis Mitte 2025 fallen.

Während bei einer Stilllegung der Betrieb nur vorübergehend eingestellt werde, bedeute eine Schließung eine komplette Außerbetriebnahme, die auch einen Rückbau der Anlagen umfasse.

500 Arbeitsplätze betroffen

Die rund 500 betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien über die laufenden Überprüfungen informiert worden, hieß es weiter. Dow ist im mitteldeutschen Chemie-Dreieck einer der größten Arbeitgeber.

Neben dem Standort im sächsischen Böhlen betreibt der US-Konzern in Sachsen-Anhalt Werke in Schkopau, Leuna, Teutschenthal und Bitterfeld-Wolfen.