Neue Schreckenszahlen sorgen für Aufregung hinter den Kulissen. Steckt Stuttgart in einem Abgrund von Geldnot? Wird auch in der Kultur noch mehr gekürzt?
Der Fehlbetrag im Stuttgarter Doppelhaushalt für die Jahre 2026/2027 hat sich in den vergangenen Tagen noch einmal drastisch erhöht. Damit schwindet auch die Hoffnung vieler Kultureinrichtungen, die Kürzung ihrer Förderung ließe sich begrenzen. Auch ein von dieser Zeitung veröffentlichter gemeinsamer Antrag der Gemeinderatsfraktionen von CDU und Grünen ist bereits überholt. Zielte dieser auf einen Kürzungsgesamtbetrag von fünf Millionen Euro pro Jahr, ging es in den nicht öffentlichen Sitzungen vergangener Woche bereits um 8,95 Millionen Euro pro Jahr.
Bisher war für die Kulturförderung, die im sogenannten Deckungsring abgebildet ist, eine Kürzung von 1,835 Millionen Euro im Jahr 2026 und 1,878 Millionen Euro im Jahr 2027 angedacht. Der Deckungsring meint institutionelle Förderung, Projektförderung, eigene Projekte der Stadt und Kooperationen sowie Stipendien und Preise. Wichtig: Anteilige Zuschüsse der Stadt für die Staatstheater Stuttgart, das Linden-Museum oder auch die Erinnerungs- und Gedenkstätte Hotel Silber sind nicht im Deckungsring enthalten. Nun wird in einem dieser Zeitung vorliegenden Papier eine Kürzung im Deckungsring von 3,285 Millionen Euro für 2026 und von 3,362 Millionen Euro für 2027 genannt.
Kultur umsonst – wie hier bei Ballett im Park – wird es das noch geben können? Foto: Lichtgut
Dabei könnte die von CDU und Grünen beantragte Sicherung der Zuschussempfänger, die 20 000 Euro und weniger Förderung im Jahr von der Stadt erhalten (139 von aktuell 320 Zuschussempfängern) Bestand haben. Sie sollen auch von der nun weiteren pauschalen Kürzung von knapp sechs Prozent ausgenommen sein.
Gewaltig wächst dagegen das Minus für jene Kultureinrichtungen an, die von Stadt und Land zu gleichen Teilen finanziert werden. Hierzu gehören etwa das Lindenmuseum und die Staatstheater Stuttgart. Für die Staatstheater ist das jährliche Minus von 2,5 Millionen Euro von Seiten der Stadt schon Geschichte – nun wird der städtische Zuschuss für den laufenden Betrieb der Staatsoper Stuttgart, des Stuttgarter Balletts und des Schauspiels Stuttgart 2026 um 4,39 Millionen Euro und 2027 um 4,59 Millionen Euro reduziert. Die Staatstheater-Verantwortlichen wollen die Beträge nicht kommentieren.
Hinter den Kulissen wird aber auch hier bereits heftig gerungen. Droht den Staatstheatern Stuttgart durch die Komplementärfinanzierung von Stadt und Land im Klartext 8,8 Millionen Euro Zuschussminus 2026 und 9,2 Millionen Euro Zuschussminus 2027? Zu diesen Zahlen will das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst nicht Stellung nehmen. Diese Aussage aber lässt aufhorchen: „Mit Stuttgart und Karlsruhe bestehen (wie in anderen Bereichen auch) verbindliche Verträge, die eine Finanzierung zu gleichen Teilen vorsehen. Von diesem Prinzip kann das Land grundsätzlich nicht abweichen.“
Schlechte Aussichten also für das Badische Staatstheater Karlsruhe und die Staatstheater Stuttgart? „In der aktuell sehr schwierigen Situation“, lässt Wissenschaftsministerin Petra Olschowski wissen, „sind wir aber in intensiven Gesprächen mit dem Finanzministerium. Sobald wir Klarheit über das tatsächliche Ausmaß der Kürzungen haben, werden wir prüfen, wie sich das Land in dieser besonderen Lage als verlässlicher Partner der gemeinsam finanzierten staatlichen Einrichtungen verhalten kann – trotz des seit Jahrzehnten bewährten Finanzierungsvertrags.“
Das Wissenschaftsministerium unterstreicht die „sehr große Herausforderung“ für die gemeinsam geförderten Einrichtungen – „zum einen, weil rund 80 Prozent der Kosten, die die Einrichtungen haben, für das Personal aufgewendet werden müssen, und zum anderen, weil die einschneidenden Kürzungen äußerst kurzfristig umgesetzt werden müssen. Zudem sind die künstlerischen Programme der Häuser seit Langem festgelegt, die Planungen für die kommenden Jahre verbindlich, viele Verträge sind geschlossen. Die Einrichtungen sind so kurzfristig also gar nicht in der Lage, angemessen auf die Kürzungen zu reagieren.“
Intendant der tri-bühne: „Wir sind an Verträge gebunden“
Dies gilt indes ebenso für die Einrichtungen in Stuttgart. Die neue Einsparhöhe von 223 312 Euro 2026 und 232 260 Euro 2027 für die Schauspielbühnen Stuttgart (Altes Schauspielhaus und Komödie im Marquardt) etwa will Intendant Axel Preuß nicht kommentieren. Klar ist aber: Diese Zahlen bringen die ungemein schlank agierenden Schauspielbühnen an ihre Grenzen. So sagt etwa Stefan Kirchknopf, Intendant der tri-bühne mit Blick auf die Personalkosten: „Wir sind an Verträge gebunden, die vor einem Jahr geschlossen worden sind. Ein Spareffekt könnte also gar nicht sofort greifen. Falls darauf vonseiten der Kommune nicht Rücksicht genommen werden könnte, wäre eine Insolvenz eine mögliche, dramatische Konsequenz.“
Hoffen auf die abschließenden Haushaltsberatungen
Kann andererseits Axel Preuß noch auf das die Schauspielbühnen mitfördernde Land hoffen? Generell heißt es hierzu aus dem Wissenschaftsministerium: „Wir haben selbstverständlich auch die vielen, vom Land mitfinanzierten Kultureinrichtungen im Blick. In der ganzen Breite führen wir daher Gespräche zur aktuellen Lage mit den Institutionen, Initiativen und den Kommunen.“
Gibt es Hoffnung vor den abschließenden Haushaltsberatungen in Stuttgart am 8. und am 19. Dezember? Die von CDU und Grünen vor den neuen Negativ-Zahlen beantragten Kürzungen von 2,23 Millionen Euro für 2026 und 2,19 Millionen Euro für 2027 sind nicht öffentlich bereits beschlossen worden.
Dagegen kosten die bereits beschlossenen Verlängerungen der insgesamt 18 Ende dieses Jahres auslaufenden Förderungen – etwa das Theater La Lune – zusätzliche 1,22 Millionen Euro im Jahr. Die Lücke zur geforderten Einsparung von 4,393 Millionen Euro 2026 und 4,47 Millionen Euro 2027 will man durch eine ebenfalls schon beschlossene pauschale Reduzierung der Zuschüsse von sechs Prozent für 2026 und 6,3 Prozent für 2027 erreichen. Das Ringen um die Kultur geht weiter.