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In der kommenden Woche wollen Vertreter der USA und Russlands weiter über ein Abkommen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine sprechen. Wer sitzt dabei am Tisch – und welche Erfahrung bringen die Verhandler mit? Ein Überblick.
US-Nahost-Beauftragter Steve Witkoff
Als der Immobilieninvestor von Präsident Donald Trump vergangenen November zum US-Sondergesandten für den Nahen Osten benannt wurde, kam er für das außenpolitische Establishment buchstäblich aus dem Nichts – Witkoff verfügte über keinerlei diplomatische Vorerfahrung, aber er kannte Trump aus dem Immobilien-Business und vom Golfspielen.
Ebenso überraschte, dass Trump Witkoff bald in die Bemühungen um eine Beendigung der Kampfhandlungen in der Ukraine einbezog – obwohl er mit Keith Kellogg schon einen Sondergesandten für Russland und die Ukraine ernannt hatte. Der spielt bei den jüngsten Gesprächen keine Rolle mehr. Witkoff ist überzeugt, dass ihn gerade sein rein geschäftsmäßiger Blick zum geeigneten Verhandler macht.
Eine Herzensangelegenheit: Im April zeigte sich Witkoff hocherfreut, von Putin begrüßt zu werden (Screenshot eines Videos der Komsomolskaja Prawda).
Witkoff fällt seither vor allem durch seine große Sympathie für den russischen Präsidenten Wladimir Putin auf. Russische Narrative übernimmt er kritiklos. Er zeigt keine Bedenken, die russische Seite im Umgang mit Trump zu beraten, wie aus jüngst geleakten Telefonprotokollen hervorgeht. An Trumps Vertrauen in Witkoff hat das nichts geändert. Der 28-Punkte-Plan, den Witkoff mit entworfen haben soll, halten viele Experten für eine Neuauflage russischer Forderungen.
Anders als Witkoff sieht Rubio die Beziehungen zu Russland nicht unter primär wirtschaftlichen Gesichtspunkten.
US-Außenminister Marco Rubio
Marco Rubio ist an den Verhandlungen über ein Abkommen als Außenminister und Nationaler Sicherheitsberater qua Amt beteiligt. Trotzdem spricht viel für die Annahme, dass Rubio bei den ersten Schritten nicht dabei war, da der erste Entwurf nicht seiner Haltung entspricht. Rubio gilt als klassischer „Falke“, als einer, der Russland misstraut.
Meldungen, er habe gegenüber mehreren Senatoren gesagt, der 28-Punkte-Plan stamme ursprünglich nicht von den USA, widerspricht Rubio. Und Trump-Sprecherin Karoline Leavitt sagt, der Plan sei von Witkoff und Rubio gemeinsam ausgearbeitet worden.
Auch wenn Rubio in den vergangenen Monaten Trumps Drängen auf ein schnelles Ende des Krieges in der Ukraine verteidigt hat, so hat er doch versucht, die Scherben, die Trump, Witkoff und US-Vizepräsident Vance in der Annäherung an Putin und im Umgang mit der Ukraine regelmäßig hinterließen, zusammenzukehren. Und als Transatlantiker hat er sich darum bemüht, die Interesse der Europäer zumindest in Teilen zu berücksichtigen.
Alles andere als ein Privatmann: Kushner ist wieder bei der Neuordnung im Nahen Osten und in Osteuropa dabei.
Trumps Schwiegersohn Jared Kushner
Der Ehemann von Trumps Tochter Ivanka war in Trumps erster Amtszeit dessen Chefberater – qualifiziert vor allem durch Verwandtschaft und seine Mitwirkung in Trumps Wahlkampfteam. Der Finanzinvestor wurde von Trump unter anderem mit der Aufgabe betreut, den Nahostkonflikt zu lösen. Kushner gilt als einer der Väter der sogenannten Abraham-Abkommen, mit denen Israel und eine Reihe arabischer Staaten ab 2020 ihre Beziehungen normalisierten
Vor der Rückkehr Trumps ins Weiße Haus erklärten die Kushners, keine politische Funktion mehr anzustreben. Gleichwohl ist Kushner weiter präsent. Mit Witkoff arbeitete er am Abkommen für eine Waffenruhe im Gazastreifen und war auch an der Entstehung des 28-Punkte-Plans für die Ukraine beteiligt.
Ende Oktober soll er mit am Tisch gesessen haben, als sich Witkoff in Miami mit dem Putin-Vertrauten Kirill Dmitrijew beriet. Auch bei den Gesprächen in Genf war er Teil der US-Delegation. Dass sein Schwiegervater auf seine Ideen hört, dürfte ihm dabei einmal mehr erheblichen Einfluss bescheren.
Driscolls Aufstieg bringt die Erfahrung aus seiner Armeezeit mit – sein rasanter Aufstieg in der Trump-Administration überraschte viele.
US-Staatssekretär für das Heer Daniel Driscoll
Daniel Driscoll diente nach der Schulzeit mehrere Jahre in der US-Armee, studierte Betriebswirtschaft und Jura. Im vergangenen Jahr gehörte er Trumps Wahlkampfteam an. Dahin dürfte ihn auch die Freundschaft mit Vance geführt haben, die auf die gemeinsame Studienzeit in Yale zurückgeht. Nach der Wahl wurde er der jüngste stellvertretende Verteidigungsminister in der US-Geschichte.
Ursprünglich sollte Driscoll Gespräche mit der Ukraine über den Erwerb von Drohnen führen. Mitte vergangener Woche ging es dann aber in Kiew vor allem um den 28-Punkte-Plan. Auch bei weiteren Gesprächen im Anschluss tauchte Driscoll auf.
Sein rasanter Aufstieg hat Spekulationen über seine Funktion und seine weitere Karriere ausgelöst. Mancher Beobachter sieht ihn als verlängerten Arm von Vance und Gegenspieler von Rubio. Andere sehen ihn schon als künftigen Verteidigungsminister.
Steckte Dmitrijew den 28-Punkte-Plan an die US-Presse durch? Dieser Verdacht kursiert in Washington und wird offenbar auch von Witkoff geteilt.
Russlands Sonderbeauftragter Kirill Dmitrijew
Kirill Dmitrijew kennt die USA: Schon 1989 kam er als Schüler in die Vereinigten Staaten und blieb dann für ein Wirtschaftsstudium, unter anderem an den Elite-Unis Stanford und Harvard. Danach arbeitete er zunächst in den USA als Unternehmensberater und Investmentbanker.
Anfang der 2000er-Jahre kehrte er nach Russland zurück und wurde 2011 Chef des Russischen Direktinvestitionsfonds, der Russlands Abhängigkeit von Rohstoffen verringern sollte. Damit war er im Innersten der Führung Russlands angekommen. Sein Verhältnis zu Putin wird als vertrauensvoll beschrieben. Dabei mag die enge Freundschaft seiner Ehefrau mit der jüngeren Tochter Putins eine Rolle spielen.
Dmitrijew teilt die Weltanschauung Putins und rechtfertigt den Angriff auf die Ukraine als eine Art Notwehr. Anfang des Jahres ernannte Putin ihn zum Sonderbeauftragten für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Investitionen. Seither tritt Dmitrijew regelmäßig bei Gesprächen mit Witkoff über ein Kriegsende in Erscheinung. Als Wirtschaftsexperte weiß Dmitrijew, wie er Witkoff und damit Trump erreicht.
Auch Uschakow bringt eine lange Erfahrung im Umgang mit den USA mit.
Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow
Im Gegensatz zu Dmitrijew vertritt Juri Uschakow das klassische außenpolitische Establishment Russlands. Zehn Jahre lang war Uschakow Botschafter in den USA. Damals habe er den Westen nicht gehasst, erinnert sich in Politico Tony Gati, die während der US-Präsidentschaft Bill Clintons Mitglied des Nationalen Sicherheitsrats war.
Zurück in Moskau sei Uschakows Blick auf die USA immer düsterer geworden, und er habe den USA Hass auf Russland unterstellt. Seit 2012 ist er außenpolitischer Berater Putins und agiert ganz gemäß dessen harter Linie – und dazu gehört auch die Irreführung der internationalen Öffentlichkeit. Warnungen vor einem bevorstehenden Angriff Russlands auf die Ukraine bezeichnete er noch direkt zuvor als „Hysterie“.
Das Vertrauen von Steve Witkoff hat Uschakow dennoch offenbar gewonnen, wie der Mitschnitt des Telefonats vom 14. Oktober zeigt. Für die Europäer hat der 78-Jährige indessen wenig Zeit. Deren Gegenvorschläge zu dem 28-Punkte-Plan wischte er mit der Bemerkung vom Tisch, diese seien „nicht konstruktiv“ und passten Russland nicht.